MO-Magazin: Bagdat: „Macht Druck auf Facebook & Co!“
In der am Samstag erscheinenden Ausgabe des von SOS Mitmensch herausgegebenen MO-Magazin für Menschenrechte spricht der armenisch-türkische Journalist, Blogger und Aktivist Hayko Bagdat über die aktuelle Situation in der Türkei und den enormen Druck auf Medien. Gefährliche Drohungen seien Teil seines Alltags geworden, so Bagdat. Der Journalist ruft dazu auf, Druck auf Facebook & Co zu machen, keine Eingriffe und Sperren mehr durch die türkische Regfierung zuzulassen.
„Unabhängiger Journalismus kaum noch möglich“
Bagdat, der mittlerweile in Berlin lebt, berichtet, dass es in der Türkei kaum noch möglich sei, unabhängigen Journalismus zu machen, der den Staat kritisch beobachtet. „Dutzende Magazine, Zeitungen, TV- und Radiosender wurden gesperrt. Viele Journalisten wurden verhaftet oder haben das Land verlassen. Man kann kaum noch über falsche Politik berichten, ohne als Verräter abgestempelt zu werden. Und wenn man als Verräter und als eine Bedrohung für die Sicherheit des Landes dargestellt wird, gibt es auch kaum Solidarität aus der Bevölkerung“, erzählt Bagdat.
„Türkische Regierung betreibt Hau-Drauf-Spiel“
Der Journalist, der gemeinsam mit Can Dündar das türkisch-deutsche Nachrichtenportal „Özgürüz“ („Wir sind frei“) herausgibt, verweist darauf, dass viele seiner Kollegen mittlerweile auf Social Media umgestiegen sind und von dort berichten. „Leider lässt sich der Internetzugang mit einem Knopf abschalten oder extrem verlangsam. Traurig, dass internationale Kommunikationsunternehmen das mitmachen und sich den Anweisungen der Regierung fügen. Meine Einträge wurden immer wieder von Facebook gelöscht. Es hat sich in ein Hau-Drauf-Spiel verwandelt und wenn der Maulwurf aus einem neuen Loch rausschaut, schlägt die Regierung dort mit dem Hammer drauf“, kritisiert Bagdat.
„Druck auf Facebook & Co wichtig!“
Bagdat wünscht sich mehr öffentlichen Druck auf Konzerne wie Facebook.. „Für alle außerhalb der Türkei, die sich fragen, was sie machen können: Macht Druck auf internationale Konzerne wie Facebook & Co! Mittlerweile umgehen viele die Sperren mit allen möglichen Tricks. Die Leute sind zu richtigen Informatikern geworden, aber das ist doch wirklich absurd. Es ist einfach unglaublich, dass wir 2017 noch gegen Internetsperren und Zensur ankämpfen müssen“, so Bagdat.
„Gefährliche Drohungen sind Teil meines Alltags geworden“
Hayko Bagdat berichtet, dass gefährliche Drohungen inzwischen Teil seines Alltags geworden sind. „Mit Online-Artikeln erreiche ich oft mehr Leser als über die Kolumne in einer klassischen Tageszeitung. Das sind die Vorteile der digitalen Medien. Die Schattenseite lässt sich aber nicht ignorieren. Täglich schreiben mir wildfremde Menschen, wie sie mich umbringen oder aus dem Land jagen wollen. Das macht die Nutzung des Internets für mich zur großen Herausforderung. Ich nehme das aber gerne an. Die Vorteile überwiegen letztendlich die Nachteile“, erzählt Bagdat.
„Wahrheit ist immer ansteckend“
Für ihn werde im Jahr 2017 der wichtigste Kampf weiterhin der Kampf um die Wahrheit sein, betont Bagdat. „Man darf nicht wegschauen. Wir müssen dagegen ankämpfen, dass uns die Wahrheit verzerrt und mit kosmetischen Veränderungen verkauft wird. Denn auch angesichts massiver Repressionen ist die Wahrheit immer ansteckend. Deswegen bekomme ich immer wieder Unterstützung von Menschen, die mit meinen politischen Ansichten nicht einverstanden sind, oder mir sogar wegen meiner Identität skeptisch begegnen. 2017 soll unseren Blick auf die Fakten nicht trüben. Das ist mein größter Wunsch“, so Bagdat.
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