Demorecht: Innenminister Sobotka führt Öffentlichkeit an der Nase herum
Eine parlamentarische Anfrage deckt jetzt auf, wie Innenminister Wolfgang Sobotka die Öffentlichkeit manipuliert. Sobotka hatte die von ihm betriebene Demorechts-Einschränkung mehrmals mit einem „gravierenden Anstieg an Kundgebungen" begründet. In Wahrheit gab es 2016 jedoch einen massiven Rückgang bei Kundgebungen!
--> Protestpetition gegen die Einschränkung des Demonstrationsrechts
Manipulative Behauptungen des Innenministers
Noch im Februar 2017 hatte Innenminister Sobotka behauptet, ein „gravierende Anstieg bei Kundgebungen" sei der Grund, „warum man nun Änderungen beim Versammlungsrecht in Angriff nehmen will". Doch zu diesem Zeitpunkt wusste Sobotka offenbar längst, dass es im Jahr 2016 einen massiven Rückgang bei der Anzahl der Kundgebungen gegeben hatte.
Kundgebungs-Rückgang um mehr als ein Drittel
Um mehr als ein Drittel gingen 2016 die Kundgebungen zurück und lagen damit nicht nur weit unter dem Wert von 2015, sondern auch unter dem Wert des relativ ruhigen Jahres 2014. Aufgedeckt wurde die manipulative Informationspolitik des Innenministers jetzt durch eine parlamentarische Anfrage der Neos.
Gefährlicher Demokratieabbau
„Demokratieabbau auch bereits in geringem Ausmaß ist eine gefährliche Sache. ÖVP und SPÖ planen mit der Änderung des Versammlungsgesetzes eine Reihe an kleinen, aber nichtsdestotrotz gefährlichen Schritten in Richtung Verengung der österreichischen Demokratie“, kritisiert Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch.
Verdrängungszonen schaffen Raum für Hetze
Als hochproblematisch stuft SOS Mitmensch etwa die geplanten weiträumigen „Schutzbereiche“ für Versammlungen von bis zu 150 Metern ein. Die Menschenrechtsorganisation betont, dass der Schutz von politischen Versammlungen wichtig sei, zugleich müsse es aber möglich sein, Gegenkundgebungen in unmittelbarer Nähe zu veranstalten, um etwa Zeichen gegen Hetzkundgebungen zu setzen. Die geplanten „Schutzbereiche“, die in Wahrheit Verdrängungszonen seien, würden aber genau das verhindern, so SOS Mitmensch.
Im Juni 2015 setzte in Wien Erdberg nicht nur SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak ein Zeichen gegen Anti-Asyl-Hetze...
Beispielfall: Anti-Asyl-Kundgebung der FPÖ
Als Beispielfall nennt SOS Mitmensch die Anti-Asyl-Kundgebung der FPÖ vom Juni 2015 vor dem Asylquartier in Wien Erdberg. Weniger als 20 Meter von der FPÖ-Kundgebung entfernt fand eine friedliche Gegenkundgebung statt, die den Asylsuchenden, die im Asylquartier untergebracht waren, signalisierte, dass viele Menschen mit Anti-Asyl-Hetze keinesfalls einverstanden seien. „Hätte es damals eine Verdrängungszone von 150 Metern gegeben, dann wären einzig und allein die Anti-Asyl-Agitatoren neben dem Asylquartier gestanden und die Gegenkundgebung wäre weit weg und für die verunsicherten BewohnerInnen des Asylquartiers nicht sichtbar gewesen“, kritisiert Pollak.
...es fand auf der gegenüberliegenden Straßenseite auch eine größere Kundgebung statt, die sich mit den BewohnerInnen des Asylquartiers solidarisch zeigte. Mit dem neuen Versammlungsgesetz wäre das nicht mehr möglich.
Gefährlicher Verbotsparagraph
Als „diffus und gefährlich“ bezeichnet SOS Mitmensch den Paragraphen, mit dem die Teilnahme von „politisch tätigen Drittstaatsangehörigen“ an Demonstrationen, die „gegen außenpolitische Interessen verstoßen“, unterbunden werden soll. Demokratie lebe von Beteiligung und in Österreich lebende Drittstaatsangehörige sollten sich selbstverständlich am politischen Geschehen und an Versammlungen beteiligen können, betont die Menschenrechtsorganisation. „Der Verbots-Paragraph öffnet Regierungswillkür Tür und Tor. Denn wer bestimmt, was „außenpolitische Interessen“ sind und welche Tätigkeiten als „politische Tätigkeiten“ eingeordnet werden? Was werden etwa unter einer möglichen blau-schwarzen Regierung die „außenpolitischen Interessen“ sein?“, fragt SOS Mitmensch-Sprecher Pollak.
Mehr unangemeldete Demos
Auch die Ausdehnung der Demo-Anmeldesperre auf 48 bzw. 168 Stunden wird von SOS Mitmensch scharf kritisiert. In einigen Fällen werde es nicht mehr möglich sein, mit einer korrekt angemeldeten Demonstration kurzfristig auf gravierende Ereignisse zu reagieren, warnt die Menschenrechtsorganisation. Es werde notgedrungenermaßen zu mehr unangemeldeten Demonstrationen kommen, die sich in einem rechtlichen Graubereich bewegen. Eine vernünftige Politik würde versuchen, genau das zu vermeiden, so SOS Mitmensch.
Versammlungsfreiheit verteidigen
„Das Versammlungsrecht in seiner jetzigen Form bedarf keiner Einschränkung. Es bietet eine bewährte Grundlage zur Ausübung des für eine funktionierende Demokratie so wichtigen Demonstrationsrechts. Dieses Demonstrationsrecht wurde hart erkämpft. Es nun leichtfertig Schritt für Schritt wieder abzubauen wäre ein gefährlicher Fehler. Es gilt das hohe Gut Versammlungsfreiheit mit aller Vehemenz zu verteidigen", betont Pollak.
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