Anzeige für Zivilcourage
Im oberösterreichischen Steyr stellten sich Bürger*innen der „Remigrationstour“ der Identitären entgegen und wurden angezeigt. Ruth Pohlhammer, Gemeinderätin der Grünen in Steyr, im Gespräch über die Protestaktion. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Interview: Milena Österreicher
Auf ihrer „Remigrationstour“ legten Mitglieder der rechtsextremen „Identitären Bewegung“, die unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht, Ende Mai einen Stopp im oberösterreichischen Steyr ein. Frau Pohlhammer, Sie stellten sich damals mit anderen Bürger*innen dem Bus der Identitären bei der Einfahrt am Neutor und später vor dem Rathaus entgegen. Was passierte genau?
Wir wollten ein Zeichen setzen, dass Steyr nicht so ist. Wir tolerieren das nicht: seit über zwei Jahren marschieren auch Rechtsextreme jeden Sonntagnachmittag auf dem Stadtplatz auf. Anfangs wurde gegen die Corona-Maßnahmen protestiert, zuletzt sahen wir auch Russland-Flaggen und Anhänger*innen der Verschwörungsbewegung QAnon.
Dann erfuhren wir in Telegram-Gruppen zufällig, dass der Identitären-Bus für Sonntagvormittag einen Stopp in Steyr plante, und stellten uns an dem Tag beim Neutor auf, um zu protestieren. Der Bus fuhr immer weiter auf uns zu. Es stieg auch jemand aus und versuchte uns wegzudrängen. Dabei fasste er mich an und schob mich mit seiner Hand am Brustkorb weg. Ich wurde dann von der Polizei verwarnt, obwohl doch auf den Videos, die von der Aktion existieren, deutlich zu sehen ist, wie er mich wegzuschubsen versucht.
Sie und zwei andere Personen wurden von der Polizei angezeigt. Warum?
Wir wurden wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz angezeigt. Wir hätten eine genehmigte Versammlung gestört, aggressives Verhalten gezeigt und auch den Mindestabstand von 50 Metern zur Versammlung vor dem Rathaus nicht eingehalten. Am Tag des Protests hatte uns aber niemand abgemahnt. Die Strafverfügungen sind danach in den Postkasten geflattert.
Ich wurde auch als Versammlungsleiterin angezeigt. Als ich auf der Polizeistation wegen einer anderen Zeugenaussage war, wurde ich gefragt, wer für unseren Protest gegen den Bus verantwortlich wäre. Ich fragte, ob das eine reine Formalie sei, woraufhin der Polizist dies bejahte. Da ich auch im Gemeinderat vertreten bin und ohnehin in der Öffentlichkeit stehe, nahm ich die Verantwortung auf mich. Dass das dann in einer Anzeige als Versammlungsleitung mündet, hat mich überrascht. Unsere Versammlung hatten wir nicht angemeldet, das wäre nicht möglich gewesen, da wir zu kurzfristig von der Bus-Aktion erfahren haben.
Was ist seither geschehen?
Wir haben Einspruch eingelegt. Derzeit liegt alles bei der Staatsanwaltschaft.
Welches Signal senden solche Anzeigen gegen Bürger*innen?
Es ist definitiv kein gutes Signal, wenn Rechtsextreme unbehelligt durch die Innenstädte spazieren können und gleichzeitig engagierte Bürger*innen für ihren Protest angezeigt werden.
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