Die Staatsbürgerschaft für unsere Kinder im Land
Das Recht auf Mitbestimmung von jungen Menschen, das Diskriminierungsverbot und der Vorrang des Kindeswohls sind seit mehr als 10 Jahren in unserer Verfassung verankert. Setzen wir es um. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kommentar: Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez
Suche so viele wie möglich, die …“. So nennt sich eine Einstiegsübung meiner Workshops an Schulen als Politische Bildnerin. Ein lockeres Eintauchen also ins Thema „Demokratie und Politik – was hat das mit meinem Leben zu tun?“. Jeder jugendliche Bursch und jedes Mädchen zieht einen Papierstreifen mit lauter unterschiedlichen Suchaufgaben: „Suche so viele wie möglich, … die in eurer Schule etwas verändern wollen; die wissen, welches Wahlalter wir hierzulande haben; die ein Piercing tragen; die dir die Parlamentsparteien in Österreich nennen können; die wissen, ab wie vielen Jahren man rauchen darf; die die Begriffe „Koalition“ und „Opposition“ verständlich rüberbringen können; … und unter anderem auch: „die sich das Land ihrer Geburt ausgesucht haben“.
In die Klasse kommt Bewegung. Jede redet mit jedem, stellt die eigene Zettel-Frage und notiert sich die Anzahl der positiven Antworten. Es geht im Workshop um den Austausch, nicht um Wissensüberprüfung mit Benotung am Ende. Es dauert meist nicht lange, bis die Person, die alle ausfindig machen sollte, „die sich das Land ihrer Geburt ausgesucht haben“, zu mir kommt. Zögerlich, manchmal aber durchaus auch erbost, bekomme ich dann zu hören: „Das geht ja gar nicht! Niemand sucht sich das Land seiner Geburt aus!“ Richtig. Das meinte auch schon Gioconda Belli in ihrem gleichnamigen Gedicht.
Wozu diese Erzählung von jungen Menschen, die ich in Workshops überwiegend als sehr aufmerksam und interessiert erlebe (was vielleicht auch mit meinem Respekt ihnen gegenüber zu tun hat)? Um Verständnis zu entfachen, was die restriktive Vergabepolitik der Staatsbürgerschaft mit Kindern und Jugendlichen bei uns macht. Denn wissenschaftliche Studien dazu sind nicht zu finden, ganz allgemein gibt es kaum Forschung mit Kindern und Jugendlichen. Und zivilgesellschaftliche Forderungen? Sie verpuffen leider oft ungehört. Im Kinderrechte-Staatenprüfprozess Österreichs vor den Vereinten Nationen 2019/2020 pochte das Netzwerk Kinderrechte simpel auf einen „Anstoß zur Diskussion zur Reform des Staatsbürgerschafts- und Wahlrechts auf Grund steigender Zahlen von jungen Menschen ab 16 Jahren in Österreich, die vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.“
Diese Diskussion fand nicht statt. Bis eine Oppositionspartei einen Reformvorschlag präsentierte. Und jetzt? Genau jetzt braucht es Gespräche. Ernstgemeint. Ergebnisoffen. Von allen Parteien im Land geführt. Mit Experten und Expertinnen. Also bitte auch mit Kindern und Jugendlichen, die hier auf die Welt gekommen sind und derzeit nicht Österreicher oder Österreicherin werden können, nur weil ihre Eltern ein zu geringes Einkommen haben. Ein Recht auf die österreichische Staatsbürgerschaft ist nicht in der UN-Kinderrechtskonvention verankert. Sehr wohl aber das Recht auf Mitbestimmung von jungen Menschen, das Diskriminierungsverbot und der Vorrang des Kindeswohls, die allesamt seit mehr als 10 Jahren auch in unserer Verfassung stehen. Suche so viele wie möglich, die diese rechtliche Verpflichtung ernst nehmen!
Elisabeth Schaffelhofer-Garcia Marquez
ist Juristin und Journalistin. Sie koordiniert das Netzwerk Kinderrechte Österreich sowie das familieneigene Empanadas-Catering.
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