Die Willkommensklatscher- Sager
ANDERE ÜBER ...Von FPÖ-Politikern aber auch in einem profil-Interview werden Freiwillige, die im September 2015 Tausende Schutzsuchende am Wiener Hauptbahnhof betreut haben, als „Willkommensklatscher“ bezeichnet. Warum? Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kommentar: Manuela Ertl/Train of Hope
Andau, Berchtesgarden Land 1956; Wien 1968; Wien 1980; St. Margareten, Hof, Berlin 1989; Burgenland 1991; Nickelsdorf, Wien, Spielfeld, München 2015. All diese Orte und Zahlen haben eines gemeinsam. Überall gab und gibt es die sogenannten „Willkommensklatscher“, die Flüchtlingen helfen. Menschen, die auf Menschen in Not zugehen, um zu helfen. Menschen, die nicht wegschauen sondern das Gegenteil tun und bewusst hinsehen. Die Bezeichnung ist heute abwertend gemeint und wird bewusst auch so verwendet – ohne darüber nachzudenken, dass wir alle von „Willkommensklatschern“ bzw. der ausgedrückten Grundeinstellung in unserer Gesellschaft jeden Tag abhängig sind. Es ist die „Willkommensklatscherin“ mit ihrer Grundeinstellung, Menschen in Not bedingungslos zu helfen, die freiwillig bei der Feuerwehr hilft. Es ist der „Willkommensklatscher“ mit seiner Grundeinstellung, Menschen in Not bedingungslos zu helfen, der freiwillig bei der Rettung tätig ist. Es sind die „WillkommensklatscherInnen“, die sich täglich in Frauenhäusern, Schulen, Kindergärten, Altenheimen, Obdachloseneinrichtungen, Sozialmärkten, Hospizen, Tierheimen und an so vielen anderen Orten mehr engagieren, die unser Zusammenleben tagtäglich formen, fördern, verbessern – ja sogar erst ermöglichen. Dies abzuwerten ist nicht nur kurzsichtig, sondern vielmehr menschenverachtend und gefährlich für unsere Gesellschaft. Wer heute meint „Willkommensklatscher“ sind schuld oder verantwortlich für Fehlverhalten einzelner, sollte darüber nachdenken, wann er oder sie zuletzt die Hilfe von Personen mit der Grundeinstellung, Menschen in Not bedingungslos zu helfen, benötigt hat? Wer würde ihnen helfen beim nächsten Unfall, der nächsten Katastrophe etc., wenn nicht Menschen, die bewusst hinsehen und Menschen in Not helfen – unabhängig von Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft usw. Wer Menschenrechte grundlegend in Frage stellt und „Willkommensklatscher“ diffamiert, offenbart die eigene Unfähigkeit über den sprichwörtlichen Tellerrand hinauszublicken oder seinen opportunistischen Charakter, welcher unsere Gesellschaft spaltet und uns alle gefährdet. Das Urteil ob Politiker, die bewusst Stimmung gegen diese sogenannten „Willkommensklatscher“ und deren Einsatz schlecht reden, nun Opportunisten oder Ignoranten sind, steht uns nicht zu – jedoch die Feststellung, dass die derzeitige Politik der Diffamierung von „Willkommensklatschern“ abzulehnen ist und an unseren gesellschaftlichen Grundfesten rüttelt – weit über das kleine Thema Flüchtlingshilfe hinaus. Denn, wie schon Gustav Heinemann sagte, erkennt man den Wert einer Gesellschaft daran, wie sie mit den Schwächsten ihrer Glieder verfährt.
ZUR ORGANISATION | Train of Hope
Train of Hope entstand im Herbst 2015 am Höhepunkt der Flüchtlingsbewegung als Initiative von freiwilligen HelferInnen am Wiener Hauptbahnhof. Basierend auf den Erfahrungen der Anfangszeit konzentriert sich der Verein nun auf die Unterstützung und Integration geflüchteter Menschen in Österreich sowie auf akute Hilfe vor Ort in vielen Ländern Europas.
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