Handlungsbedarf: Ein Albtraum
Durch einen Virus wurde die Welt innerhalb weniger Wochen in einen kollektiven Ausnahmezustand manövriert. Welche Spielräume wir in Zukunft haben, etwa auch in Fragen der Menschenrechte, hängt von uns allen ab. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Text: Alexander Pollak, Illustration: Petja Dimitrova
Das Jahr 2020 entwickelt sich zu einem Albtraum: Ausgangsbeschränkungen, physische Distanz, Versammlungsverbote, geschlossene Grenzen, zusammenbrechende Wirtschaftssektoren und Massenarbeitslosigkeit. All das ausgelöst durch ein winziges Virus, das nahezu alle Länder der Erde als Krankheits- und Todbringer erfasst hat.
Seriöse EpidemiologInnen sagen, dass wir uns wohl erst am Anfang dieser Pandemie befinden. Es sei zwar möglich, dass man in den kommenden Jahren einen wirksamen Impfstoff findet, aber sicher sei das nicht. Wie lange also wird dieser Albtraum anhalten, wann endet der Ausnahmezustand und wie sehr beeinträchtigt er uns? Verantwortungsvolle PolitikerInnen hatten angesichts der Gefahr für Menschenleben und drohenden Überforderung des Gesundheitssystems durch die explosive Ausbreitung des Virus keine andere Wahl als rasch und hart zu handeln. Daher gab es anfangs kaum Widerstand gegen den Mitte März verhängten „Lock-down“. Bewegungs-, Kontakt- und Versammlungsfreiheit wurden eingeschränkt, Kindergärten und Schulen geschlossen, die Wirtschaft „heruntergefahren“.
Demokratische Zumutung
Doch die massiven Eingriffe in Grundrechte und in das Leben dürfen nicht zum Dauerzustand, nicht zur „neuen Normalität“ werden. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat zurecht von einer „demokratischen Zumutung“ gesprochen. Daher muss jede Möglichkeit, die sich aus epidemiologischer Sicht zur Lockerung der Maßnahmen bietet, konsequent genutzt werden.
Das alleine wird jedoch nicht reichen, um die Folgen der Viruskrise zu bewältigen. Die Welt steht vor dem größten Wirtschaftseinbruch seit Generationen. In Österreich gibt es Rekordarbeitslosigkeit. Die betroffenen Menschen müssen aufgefangen und gestärkt werden, auch mittels vermögensbezogener Solidarabgaben, um der dadurch verstärkten Ungleichheit zwischen Arm und Reich entgegenzuwirken.
Darüber hinaus muss sich die Politik auch wieder den zahlreichen Themen widmen, die jetzt in den Hintergrund geraten sind: Soziales, Bildung, Klimaschutz, internationale Solidarität im Umgang mit Geflüchteten, der Wiederbelebung der Integrationspolitik und vieles mehr.
Und noch etwas müssen wir tun: von Anfang an entschlossen „Nein“ sagen, wenn die anfängliche Solidarität im Land alten und neuen Feindbildern weicht. Politische Hassprediger scharren schon in ihren Löchern, um Menschen wieder gegeneinander auszuspielen. Die Folgen des Coronavirus bedrohen auch die Arbeit von unabhängigen Menschenrechtsorganisationen wie SOS Mitmensch. Welche Spielräume und Ressourcen es in Zukunft für die Durchsetzung von Menschenrechten geben wird, das hängt von uns allen ab.
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