Eine Strategie gegen Rassismus
Österreich hat nicht nur ein Antisemitismus-, sondern auch ein Rassismus-Problem. Die Regierung sollte beide angehen. Es ist höchste Zeit. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Clara Akinyosoye sagt es nicht durch die Blume - Eine Kolumne über Diversität und Migration
Die Regierung hat Ende Jänner einen Umsetzungsbericht der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus präsentiert. Seit man mit der Umsetzung der Strategie begonnen habe, sei ein „großes Problem noch größer geworden“, sagte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Antisemitismus, und Holocaustverharmlosung haben während der Coronavirus-Krise tatsächlich Hochsaison. Es ist tatsächlich ein Gebot der Stunde, Antisemitismus den Kampf anzusagen. Die Türkis/Schwarz-Grüne-Regierung handelt richtig, wenn sie das tut. In der jüngeren Vergangenheit wurde Antisemitismus gerne als Kapitel aus früheren Zeiten angesehen, das in der Gegenwart bei Österreicher*innen eigentlich kein Thema mehr ist, sondern nur bei Menschen mit Migrationshintergrund. Oftmals bekam man den Eindruck, der Kampf gegen Antisemitismus werde als Argument vorgeschoben, um eine restriktive, muslimfeindliche Einwanderungspolitik zu rechtfertigen. Die Zunahme an Antisemitismus aufgrund der Coronavirus-Pandemie lässt diese Verengung der Debatte nur mehr schwerlich zu. Antisemitismus muss mit Nachdruck überall dort entgegengetreten werden, wo er eben auftritt – rechts, links, in der Mitte der Gesellschaft, bei Zugewanderten und bei Autochthonen, bei Muslim*innen und bei Christ*innen, bei Extremist*innen und den ganz „normalen“ Leuten.
Und wenn wir schon beim Kampf gegen eine zerstörerische Ideologie sind: Österreich hat nicht nur ein großes Problem mit Antisemitismus, sondern auch mit Rassismus. Das haben Migrant*innen, NGOs und wissenschaftliche Studien mehrfach bewiesen. Rassismus macht krank, verhindert die Entfaltung von Potenzialen und zerstört den Zusammenhalt in einer Gesellschaft. Auch dieser Thematik sollte sich die Regierung also widmen. Im Regierungsübereinkommen von ÖVP und Grüne wurde die Erarbeitung eines Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus und Diskriminierung festgeschrieben. Um dieses wichtige Vorhaben ist es allerdings still geworden. Seit vielen Jahren gibt es einen Expertenrat für Integration, der die Regierung berät. Vielleicht könnte man ihn mit dieser sinnvollen Aufgabe betrauen? Und zwar jetzt – bevor ein großes Problem noch größer wird.
Clara Akinyosoye ist Journalistin bei orf.at und Ex-Chefredakteurin von M-Media.
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