Empowerment durch Kulinarik
SPOTLIGHT. Frauen die langjährig mit dem Haushalt beschäftigt waren, sehen nun einen unbürokratischen Weg beruflich wieder einzusteigen: beim Cateringservice „Mumm’s“. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Text: Nour El-Houda Khelifi
Authentisches Essen für ein breites Publikum und zugleich Menschen eine berufliche Perspektive geben: Das ist „Mumm’s“, ein Projekt, bei dem Mütter oder Hausfrauen, die gute Köchinnen sind, auf Bestellung für Büros oder Events kochen. Initiiert wurde „Mumm’s“ vom „Verein zur Unterstützung multikultureller Frauen“. Das Konzept funktioniert so: Man wählt online, welche Küche oder bestimmte Speisen man bevorzugt, danach kaufen die Mütter die nötigen Zutaten und machen sich ans Kochen. Beim Einkauf wird nicht nur auf Regionalität und Bioprodukte gesetzt, sondern beim Ausliefern auch auf die Umwelt geachtet: das Essen wird in den Kochtöpfen geliefert, in denen es zubereitet wurde. Der Kopf hinter diesem inkludierenden Bio- und Zerowaste-Cateringservice ist Rami Ali. Der Politikwissenschaftler ist in der Forschung, der Erwachsenenbildung und der Radikalisierungsprävention tätig und betreibt „Mumm´s“ nebenbei. Motiviert hat Ali die Geschichte seiner eigenen Mutter, die jahrelang erfolglos eine Anstellung gesucht hatte. „Es sollte etwas sein, das all diesen unterschiedlichen Frauen eine Möglichkeit gibt, finanziell unabhängig zu werden“, erzählt Ali. Schließlich hätten diese Frauen meist jahrzehntelang Hausarbeit geleistet – unbezahlt. Die meisten haben sich in dieser Arbeit ausgezeichnet, weswegen die Idee für „Mumm’s“ entstand. „Ich liebe es zu kochen und freue mich immer sehr, wenn andere mein Essen mögen“, sagt Hanan, eine der Mumm’s-Köchinnen, und lacht: „Ich koche schon seit vielen Jahren für meine Familie und Freunde, aber die zahlen nicht.“ Ali erinnert sich, dass seine Freundinnen und Freunde immer wieder darüber diskutiert haben, welche Mutter denn am besten koche. „Deswegen wäre es schade, wenn all das fantastische Essen unprobiert bleibt“, sagt der 25-Jährige. Mittlerweile gibt es neben der arabischen Küche in all ihren Facetten wie Syrisch oder Ägyptisch auch Mütter, die Kulinarik aus der Türkei, aus Bangladesch oder Sri Lanka anbieten.
Großlücke im Arbeitsmarkt
„Mumm’s“ setzt genau dort an, wo die Lücke im Arbeitsmarkt liegt. Eine der vielen marginalisierten Gruppen am Arbeitsmarkt sind immer noch Frauen um die 50 mit multikulturellem Background und keinen handfesten Deutschkenntnissen. Diesen Frauen bleibt meist nichts anderes übrig als im Facility-Management tätig zu sein, als Putzfrau. Für Mütter, die in diesem Alter gerne nochmals oder erstmals beruflich einsteigen möchten, ist es aber unrealistisch, einen neuen Beruf zu erlernen. „Mumm’s“ soll Frauen ermöglichen, zu arbeiten, und das auch mit ihrem Alltag vereinbaren zu können. Fatheya, eine der Köchinnen, erzählt: „Mein Mann arbeitet jede Woche fast 50 Stunden. Um ihn zu unterstützen, habe ich lange einen Job gesucht, der mit den Schulzeiten unserer Kinder vereinbar ist – das war schwierig, auch weil mein Deutsch nicht so gut ist. Jetzt habe ich das gefunden und freue mich schon auf viele, die von meinem Essen kosten.“ Wichtiger Nebeneffekt des Projekts: den Müttern soll auch mehr finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht werden. „Man kennt das einfach aus multikulturellen Communities, dass eine gewisse Abhängigkeit vom Mann da ist.“, erklärt Initiator Rami Ali. In der Gastronomie haben diese Frauen wenige Chancen, Kochen und Ausliefern ist immer noch eine prekär bezahlte Arbeit. Bei „Mumm’s“ möchte man den Frauen mehr bezahlen als in der Branche üblich. Die Lieferanten sind männlich und werden ebenso besser entlohnt, zumeist sind es die Söhne der Köchinnen, die ausliefern – ehrenamtlich. Wenn Ali an die Zukunft denkt, dann wünscht er sich, dass das Projekt sich so entwickelt, dass nicht nur Großbestellungen, sondern auch Einzellieferungen möglich werden. An den Ideen scheitere es bisher nicht, Hürden im Moment seien auf jeden Fall fehlende Ressourcen. „Und in Hinblick auf Empowerment und Sicherheit möchte ich, dass Mütter mit Mumm´s einen längerfristigen Arbeitsplatz haben“, sagt der 25-jährige Wiener.
Mehr über das Projekt unter www.mumms-food.com
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