Meine Lehre in Österreich - Hayatollah Mohseini: „Will, dass meine Kinder in Ruhe und Wohlstand leben“
Hayatollah Mohseini flüchtete 2015 mit seinem Onkel aus Afghanistan, weil ihm sonst nur der Tod geblieben wäre, wie er sagt. In Österreich startete er sofort damit, sich ein neues Leben aufzubauen. Mit der Lehre als Metalltechniker legte er den Grundstein.
Redaktion: Sonja Kittel, Foto: Andreas Balon
Hayatollah Mohseini fand in Geschäftsführer Franz Baumann nicht nur einen Lehrmeister, sondern auch eine große Stütze bei seinem Asylverfahren.
Eine Patenfamilie als Unterstützung
„Ich bin Anfang 2015 nach zweieinhalb Monaten Flucht aus Afghanistan in Österreich angekommen. Ich dachte damals ich wäre so 21 oder 22 Jahre alt, aber die Behörde in Österreich meinte ich sehe jünger aus und hat als Geburtsdatum den 1.1.1999 in meinen Ausweis eingetragen. Es ist dann eine Familie in mein Flüchtlingscamp gekommen und hat gesagt, sie würde mich als Patensohn aufnehmen, wenn ich will. Ich habe gefragt, was ich dafür machen muss und sie haben gesagt, gar nichts. Wir helfen dir, bringen dir Deutsch bei und die österreichische Kultur näher. Wir haben dann wirklich viele Sachen gemeinsam gemacht und sie haben mich sehr unterstützt.
Schulabschluss mit sehr guten Noten
Ich habe nach meiner Ankunft in Österreich gleich einen Deutschkurs besucht. Englisch konnte ich schon. Ich bin dann mit einer Lehrerin im Bezirk Perg in Kontakt gekommen und habe sie gefragt, ob ich in ihre Schule gehen kann. Das hat funktioniert und ich habe dort meinen Hauptschulabschluss mit sehr guten Noten gemacht. Danach bin ich in die Handelsakademie Perg eingetreten. Ich bin gut mitgekommen und meine Noten waren nicht schlecht, aber von 150€ pro Monat, die ich damals bekam, konnte ich nicht leben. Ich habe mich deshalb entschieden, eine Lehre zu machen.
„Ich weiß nicht, wie ich das zurückgeben kann“
Über meine Pateneltern habe ich den Kontakt zu der Firma Baumann bekommen, die Glas-, Alu, und Holz-Konstruktionen anfertigt und montiert. Ich habe mit dem Geschäftsführer gesprochen und er hat mich als Lehrling akzeptiert. Er ist wirklich ein sehr netter Mann, der mir so viel geholfen hat und ich weiß nicht, wie ich das zurückgeben kann. Ich habe die Lehre als Metalltechniker dann erst im Rahmen der Berufsausbildungsassistenz bei Jugend am Werk begonnen. Das war eine Art Unterstützung, falls es mit der Berufsschule nicht so gut klappt. Das erste Lehrjahr habe ich nur mit gutem Erfolg abgeschlossen. Ich habe mich dann noch mehr angestrengt und die übrigen Lehrjahre mit ausgezeichnetem Erfolg abgeschlossen.
„Mein bester Deutschlehrer war Youtube“
Die Deutschkurse, die ich gemacht habe, haben mich unterfordert. Mein bester Deutschlehrer war Youtube. Ich habe dort 180 Lektionen in sechs Monaten gelernt, jede freie Minute. Dann habe ich die A1, A2 und B1 Prüfung im ersten Anlauf auf einmal geschafft. Ich bin zum Glück recht sprachbegabt, das hat mir auch beim Lernen der vielen Fachausdrücke in meinem Beruf geholfen. Ich arbeite mit Aluminium, und Stahl und schweiße. Technik und Mechanik waren früher nicht meine Sache. Damals in Afghanistan habe ich als Großhändler im Lebensmittelbereich gearbeitet. Am Anfang war für mich nur wichtig, dass ich einen Job habe, damit ich mir etwas leisten kann. Jetzt interessiert es mich wirklich sehr. Wenn ich ein langes Wochenende habe, dann vermisse ich die Arbeit schon.
„Ich habe Asyl bekommen, mein Onkel ist in Schubhaft“
Ich bin mit meinem Onkel nach Österreich geflüchtet. Er ist leider abgelehnt worden und ist seit vier Monaten in Schubhaft. Ich habe Ende 2018 Asyl bekommen. Nach einem negativen Bescheid war ich gemeinsam mit meinem Lehrmeister beim Bundesverwaltungsgericht Wien und habe Berufung eingelegt. Wir haben einen guten Rechtsanwalt organisiert und einen menschlichen Richter erwischt, der streng befragt hat, aber nicht herabwürdigend, sondern fair.
„Wir können nicht nach österreichischem Recht heiraten“
Meine Frau habe ich in Österreich kennengelernt. Sie ist auch aus Afghanistan geflüchtet. Sie ist Sunnitin, ich Schiit. Wir können derzeit nicht nach österreichischem Recht heiraten, weil wir keine gültige Geburtsurkunde vorweisen können. Deshalb sind wir zu einem Mullah, einem muslimischen Pfarrer, im Bezirk Perg gegangen und der hat uns verheiratet. Wir haben eine gemeinsame zweijährige Tochter und meine Frau hat noch ein Kind mit in die Ehe gebracht. Gemeinsam leben wir in einer Genossenschaftswohnung nur acht Minuten mit dem Fahrrad von der Arbeit entfernt.
„Bisher habe ich alles geschafft“
Mein Motto ist: „Wo ein Wille ist, ist ein Weg.“ Wenn man wirklich etwas von Herzen will, muss man dafür arbeiten und manchmal sehr viel Anstrengendes machen. Ich habe immer gesagt, ich muss meine Familie irgendwie vor dieser Situation retten, ich muss irgendwann eine eigene Wohnung und ein eigenes Auto haben und ich will, dass meine Kinder in Ruhe und Wohlstand leben. Ich habe mir jeden Tag gesagt, du musst weiterlernen, du musst das Beste geben, damit du das schaffst und bisher habe ich alles geschafft.“
Sie sind vor Krieg und Gewalt geflüchtet und haben in Österreich ein neues Leben begonnen. In der 9-teiligen Porträtreihe „Meine Lehre in Österreich“ erzählen junge Frauen und Männer, wie sie nach ihrer Flucht ihre Lehrstelle gefunden haben und wie sie ihre Ausbildung erleben. Ihre Geschichten zeigen die Hürden und Probleme, mit denen Geflüchtete nach ihrer Ankunft konfrontiert werden. Es sind aber auch Erfolgsgeschichten von genutzten Chancen, Freundschaft und Menschlichkeit. Wenn Sie Geflüchtete ehrenamtlich unterstützen wollen, finden Sie hier Infos und Kontakte.
SOS Mitmensch kämpft weiter für den Zugang zu Lehre und Arbeit für Asylsuchende und für ein Ende der Abschiebung von Menschen, die sich in Österreich ein neues Leben aufgebaut haben!
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