„Ich lasse mich nicht mehr unterkriegen“
Pascal Cheng gilt als Nachwuchstalent des österreichischen Badmintons. Doch nicht alle freuen sich über seine Erfolge. Immer wieder hat er auch mit Rassismus zu kämpfen. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Text: Valentine Auer
Das harte Training wird neben der Schule absolviert, Freizeit auf den Sonntag verschoben.
„Pascal verspätet sich ein wenig“, entschuldigt sich Manuel Rösler zur Begrüßung. Rösler ist Cheftrainer des WAT-Simmering, dem größten Badmintonverein Österreichs und als solcher Coach und Manager von Pascal Cheng. Cheng eilt direkt von der Schule in die Umkleidekabine. Bevor das Training in einer Stunde startet, findet dort noch ein Interview statt, das der 16-Jährige zwischen Schule und Sport einschiebt.
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„Früher habe ich nie etwas gesagt. Ich wollte keinen Streit
anfangen. Heute sieht das anders aus.“ Pascal Cheng
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Bereits jetzt gilt er als große Hoffnung für den österreichischen Badmintonsport. Ein Weltklasse-Spieler soll er werden und das in einer Sportart, die in Österreich kaum Beachtung findet, fasst Rösler das Ziel für seinen Schützling zusammen. Das harte Training wird neben der Schule absolviert, Freizeit auf den Sonntag verschoben. Zumindest an jenen Sonntagen, an denen kein Turnier stattfindet. Ein enger Zeitplan also. Sowohl für Pascal Cheng als auch für Manuel Rösler. Trotzdem nehmen sich die beiden nun zusätzlich Zeit, um rassistische Alltagserfahrungen sichtbar zu machen.
Mehrfach-Jugendstaatsmeister Pascal Cheng: hartes Training in der Halle, die Freizeit ist knapp.
Rassismuserfahrungen eines Top-Sportlers
Denn Pascal Cheng ist nicht nur österreichischer Badminton-Nachwuchs- Star. Seine Eltern stammen aus China, antiasiatischer Rassismus ist ihm nicht fremd. Erst vor Kurzem wurde er von einer Gruppe Jugendlicher im Zug rassistisch beleidigt. „Es war auf der Heimfahrt von einem Turnier in Klagenfurt“, erzählt Cheng. „Ich ging den Gang entlang, plötzlich rief einer ‚Schau mal da, ein Chinese‘ in meine Richtung.“ Begleitet wurde die Aussage von Lauten, die auf Chengs angebliche Herkunft abzielen sollten. Dass Cheng in Vorarlberg geboren wurde und sich mittlerweile längst als Wiener begreift, können die Jugendlichen nicht wissen, macht aber ohnehin keinen Unterschied.
Mit dabei, sein langjähriger Trainer Manuel Rösler. „Pascal hat absolut tough reagiert. Er ist direkt zu den Jungs und hat gefragt, was das soll“, erinnert sich Rösler. „Da wurde mir klar, er erlebt das nicht zum ersten Mal. So reagiert niemand, der vorher noch nie mit Rassismus konfrontiert war.“ Es ist einer der Ausgangspunkte, wieso sowohl Rösler als auch Cheng diese Art von Rassismus öffentlich machen wollen.
Dass Cheng nicht das erste Mal antiasiatischen Rassismus erlebt, bestätigt er: Vor allem als er jünger war, wurde er mit ähnlichen Aussagen und „Ching- Chang-Chong“-Rufen, wie er es nennt, beleidigt. „Damals habe ich nie etwas dazu gesagt. Ich wollte keinen Streit anfangen“, sagt Cheng. Heute sieht das anders aus. Mit ein Grund dafür ist wohl auch seine Badminton-Karriere.
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Pascal hat absolut tough reagiert.
Er ist direkt zu den Jungs hin und hat gefragt, was das soll.
Trainer Manuel Rösler
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Begleiterscheinung einer Karriere: Hass im Netz
Begonnen hat die Begeisterung für den Sport bereits in jungen Jahren. Als kleines Kind hat er seinem Vater beim Badminton- Spielen zugeschaut. Irgendwann bekam er selbst einen Schläger, fing an zu spielen und hat immer weitergemacht.
Seitdem er neun Jahre alt ist, trainiert er unter Manuel Rösler. Ein Training, in dem es nicht nur um Kraft und Ausdauer geht. Es ist vor allem die Schnelligkeit die den Sport ausmacht. Wer auf der Profi-Ebene mitspielen will, muss zusätzlich täuschen können, benötigt mentale Stärke, erklärt Cheng. „Man braucht so viele verschiedene Dinge für die Sportart. Ich glaube, deswegen macht mir Badminton so viel Spaß.“ Dass er in der Profi-Liga spielt beweist ein Auszug aus seinen größten Erfolgen: Zahlreiche Staatsmeistertitel zählen dazu, Teilnahmen bei Europameisterschaften und zuletzt die Bronzemedaille bei den Europäischen Olympischen Jugendspielen.
Erfolge, die mediale Aufmerksamkeit nach sich ziehen, aber auch entsprechende Begleiterscheinungen: Hass im Netz. Ein weiterer Grund, wieso die Auseinandersetzung mit dem Thema Rassismus naheliegt.
Rösler, nicht nur Cheftrainer, sondern auch für die Medienarbeit des WAT Simmering und von Pascal Cheng verantwortlich, zeigt ein Beispiel: Ein Artikel der „Kronen Zeitung“. Das Thema: Die Erfolge von Pascal Cheng und dem Kunstturner Alfred Schwaiger bei den Olympischen Jugendspielen. Beide sind auf einem Bild mit ihren Medaillen zu sehen. In den dazugehörigen Kommentaren, ist von Freude über die jungen österreichischen Sporttalente zu lesen, aber nicht nur: „Das sind keine Wiener, wieso werden nicht unsere Sportler unterstützt, geht nach Hause“, zählt Rösler einige der Kommentare auf, „ich habe mich gefragt, was den Leuten einfällt, was die sich dabei denken? Sie müssen doch wissen, dass die Sportler, die ja noch Kinder sind, das vielleicht auch lesen. Dass das weh tut.“ Später löschte die „Krone“ die Kommentare.
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Pascal Cheng ist bereits jetzt ein Vorbild. Seine Erfolge helfen,
Badminton in Österreich mehr Aufmerksamkeit zu geben.
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Mutig kontern
Chengs Erfolge wirken sich auch auf sein Selbstbewusstsein aus, das ihm nicht nur dabei hilft, der Komplexität des Sports gerecht zu werden, sondern auch, um Rassismen zu kontern. Chengs Strategie, um mit Spielnieder lagen umzugehen, ähnelt der Strategie beim Umgang mit Rassismus: Sich bloß nicht entmutigen lassen. Zumindest nicht mehr. „Heute will ich mir nicht mehr gefallen lassen, dass Leute mir einen geringeren Wert zuschreiben. Ich lasse mich nicht mehr unterkriegen“, so Cheng.
Stattdessen will er über seine Erfahrungen sprechen, sie öffentlich machen. War er sich bis vor Kurzem noch unsicher, ob das der richtige Weg ist, glaubt er nun, dass er ein Vorbild sein kann. „Vielleicht hilft es ja anderen Menschen, die auch Rassismus erfahren“, hofft Cheng.
Cheng hat bereits mehrfach Staatsmeistertitel gewonnen, die „Kronen Zeitung“ berichtete.
In rassistischen Kommentaren hieß es über den Österreicher „geh nach Hause“.
Vorbild für andere.
Dass Pascal Cheng bereits jetzt ein Vorbild ist, weiß Manuel Rösler. Seine Erfolge helfen dabei, dem in Österreich als Randsportart besetzten Badminton etwas mehr Aufmerksamkeit zu geben. Vor allem innerhalb der chinesischen Community in Wien. „Pascal ist hier so etwas wie ein Vorbild“, ist sich Rösler sicher, „die Menschen spiegeln sich in Pascal wider. Das ist natürlich toll, wenn es eine Fanbase gibt, die sonst in Österreich oder Wien nicht existiert.“
Und genau darum soll es letztendlich gehen. Den Sport in den Mittelpunkt zu rücken, die Vielfalt zu normalisieren. Jugendliche genauso wie Erwachsene nicht mehr anzugreifen, weil sie für manche nicht in das Bild österreichischer Sportstars passen: „Wir wollen ein Signal aussenden“, sagt Rösler abschließend. „Dass es endlich normal wird, wenn man mit chinesischer Abstammung international erfolgreich für Österreich ist. Dass es egal ist, wenn man als Schwarzer für das österreichische Fußballnationalteam spielt. Um diese Botschaft geht es.“
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