Käsespätzle, Schifahren und M-Bräu
Die Vorarlberger Schülerin Noreen Mughal erzählt, wie das Leben im „Ländle“ so ist, wenn man nicht weiß ist. Rassismus scheint als eine Art „Tabu-Thema“ angesehen zu werden. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Text: Noreen Mughal, Illustration: Diana Bobb
Schifahren, bis die Schibrille einen Abdruck im Gesicht hinterlässt, „Ahna’s Käsknöpfle“ (Omas Kässpätzle) und eine traditionsliebende und -bewusste Bevölkerung – all das sind typisch Vorarlberger Eigenschaften, die einem sofort in den Kopf schießen, wenn an das kleine „Ländle“ hinter dem Arlberg gedacht wird. Doch ist auch Rassismus eine Vorarlberger Eigenschaft, oder eher ein Vorarlberger Problem? Die glasklare Antwort: Ja. Und wie es das ist.
Hier geboren, hier aufgewachsen, hier zur Schule gegangen, immer hier gelebt. Und trotzdem hartnäckig nach der Herkunft befragt.
Weißes Ländle?
Mein Name ist Noreen Mughal, ich bin 19 Jahre alt und lebe schon mein Leben lang hier in Vorarlberg. Neben einer behüteten Kindheit am Land durfte ich weitere schöne Seiten des Vorarlberger Daseins kennenlernen. Aber nicht alles was glänzt ist auch Gold. Seitdem ich denken kann, habe ich schon mit Rassismus hier in Vorarlberg zu kämpfen. Warum das so herauszuheben ist, dass es hier in Vorarlberg geschieht? Rassismus scheint als eine Art „Tabu-Thema“ angesehen zu werden. Niemand spricht darüber – ergo gibt es das Problem in der Vorarlberger Bevölkerung nicht. Doch der Schein trügt. Indem kaum darüber gesprochen wird, scheint man die Problematik einfach wegwischen zu wollen. Begriffe wie das „N-Wort“ statt PoC „People of Colour“ zu verwenden; Menschen absichtlich in gebrochenem Deutsch anzusprechen; Menschen immer wieder nach ihrer Herkunft zu fragen, weil man offenbar nicht aus Österreich sein kann, wenn man nicht weiß ist... All das wird als „gesellschaftskonform“ angesehen. So verhält man sich halt, sollen sie sich nicht so anstellen, die „Ausländer*innen“. Genau das wurde mir gesagt, als ich solche Erfahrungen machen musste.
Dazu kommen noch die unzähligen Male, als ich in Dorfclubs mit rassistischen Bezeichnungen nahezu hinausvergrault wurde oder aber auch in Geschäften explizit beobachtet und teils sogar verfolgt wurde, dass ich ja nichts mitgehen lasse. Immer noch kein Vorarlberger Problem? Dann komme ich nun zu der Vorarlberger Rassismus-Debatte schlechthin: Die M*-Brauerei und ihr berühmt-berüchtigtes Logo.
Stereotypes Logo
Was genau ist das Problem bei dieser Debatte? Zunächst einmal zur Begriffserklärung des M-Wortes. Das M-Wort ist eine der ältesten Bezeichnungen im deutschen Sprachgebrauch für nicht-weiße Menschen. Ursprünglich stammt das Wort vom altgriechischen „moros“ ab und bedeutet so viel wie „töricht“, „einfältig“, „dumm“ und auch „gottlos“. Früher wurden Sklav*innen mit diesem Wort absichtlich gerufen, da der Begriff sie ausschließlich auf ihre „Rassen“zugehörigkeit beschränkte. Im Fall der Vorarlberger Brauerei muss dazugesagt werden, dass der damalige Gründer des Unternehmens, Josef Mohr, seinen Nachnamen als Name für sein Unternehmen genommen hat. Dementsprechend kann die Kritik nur bis zu einem gewissen Grad ausgeübt werden.
Die Diskussion in Vorarlberg betrifft also mehr das Logo: eine Zeichnung, die auf stereotype Darstellungen einer afrikanischen Person zurückgreift. Das Logo ist schon deswegen inkorrekt, da es die Bevölkerungsgruppe eines ganzen Kontinents darstellen soll. Und noch schlimmer: damals als die europäischen Seefahrer von ihrer Fahrt heimkehrten, berichteten sie über Afrika, die sogenannte „Neue Welt“ und die dort ansässigen Menschen, die als Wilde und unzivilisiert dargestellt worden sind. Und wie wurden denn diese Wildheit und diese „abnormalen“ Unterschiede zu den weißen Menschen in Europa wiedergegeben? Haargenau wie das Logo der Brauerei heute aussieht. Der Gipfel ist aber definitiv die Kombination des Namens und des Logos. Der Name wäre weniger ein Problem, gibt es doch viele Menschen, die heute noch in Vorarlberg diesen Nachnamen tragen. Aber keine/r von ihnen lässt sich absichtlich mit diesem Logo in Verbindung bringen. Denn diese Verbindung ist äußerst problematisch und rassistisch.
Noreen: engagiert sich gegen ein überholtes Mindset.
Ein „Traditionsbier“
Als die „Black lives matter“-Bewegung auch in Vorarlberg Anklang gefunden hat, wurde zwar nicht zum ersten Mal, jedoch viel vehementer und prominenter über dieses Logo öffentlich diskutiert. Die Antwort der Geschäftsführung der Brauerei darauf war, man wolle das Logo aus wirtschaftlichen und traditionellen Gründen nicht verändern.
Zudem wäre es ja ein „Vorarlberger Traditionsbier“ und viele Menschen würden das Bier exklusiv nur aufgrund des Logos kaufen, so die interessante Argumentation. In einem gemeinsamen Interview mit dem Geschäftsführer der Brauerei im Juni 2020 in der Sendung „Neues bei Neustädter“ auf Radio Vorarlberg (ORF) sagte dieser: „Unser Bier hat Traditionsstatus hier in Vorarlberg. Viele kaufen es tatsächlich auch ausschließlich nur wegen der Marke und der damit verbundenen Geschichte des Biers. Weiters würde es finanziell eine wahnsinnige Hürde darstellen, in der Produktion das Logo zu verändern. Wir rechnen mit Millionen von Euro, um ein neues Logo einzuführen.“ Als die Kritik immer mehr wurde und schließlich auch die Vorarlberger Grenzen überschritt, versprach man schließlich, externe Expert*innen herbeizuziehen, um das Logo nochmals zu evaluieren und gegebenenfalls zu verändern. Dieses Versprechen wurde vergangenes Jahr im Juni ausgesprochen. Was sich seither verändert hat? Rein gar nichts.
Was wurde aus der „Evaluierung“ des Logos?
Diese Diskussion läuft mittlerweile schon seit Jahren. Das erste Mal wurde sie vom Journalisten und Aktivisten Simon Inou angestoßen. Dass immer noch nichts unternommen wurde, zeigt die Priorisierung dieses Problems seitens der Brauerei. Des Weiteren gibt sich die Brauerei eher scheu, wenn sie mit Kritik und Gegenwind konfrontiert ist. Vergangenes Jahr, als die Debatte über das Logo ihren Höhepunkt erreicht hatte und viele Menschen auch außerhalb von Vorarlberg der Brauerei ihre Meinung kundtun wollten, sperrte die Brauerei ihre Social-Media-Kanäle und limitierte die Möglichkeit mit ihnen zu kommunizieren auf den Email-Verkehr. Das erinnert ein wenig an die kindliche Vorstellung von „Was ich nicht sehe, sieht mich auch nicht“.
Es muss jedoch gesagt werden, dass sich die feurige Diskussion rund um dieses Logo genauso gelegt hat wie die Versprechen seitens der Brauerei. Während ich diesen Beitrag geschrieben habe, habe ich bei der Brauerei ein weiteres Mal nach dem aktuellen Stand der Evaluierung des Logos nachgefragt. Leider ist der Versuch kläglich gescheitert, denn es ist nie eine Antwort von der Brauerei zurückgekommen.
Das war fast abzusehen. Rassismus scheint nämlich ein Trend-Thema zu sein. Letztes Jahr im Frühsommer war es noch „cool“, Schwarze Bilder auf Instagram zu posten, den Hashtag #blacklivesmatter zu tweeten und die scheinbare Solidarität laut kundzugeben. Jedoch ein Jahr später sieht das Fazit des Schein-Aktivismus so aus, dass wie jeder Trend auch dieser in der Gesellschaft abgeflacht ist und sich heute nur noch die Wenigsten wirklich für dieses Thema stark machen.
Nichts darf man mehr sagen...
Insgesamt erscheint das doch ein wenig vorhersehbar gewesen zu sein: die Reaktionen auf die Debatte und der Trend, der wieder abebbt. Es wurde immer wieder mit dem Aspekt der „Tradition“ argumentiert. Das Logo sei doch Tradition, bestimmte Wörter genauso. Warum wolle man den Vorarlberger*innen auf einmal alles wegnehmen? Und überhaupt: Nichts darf man mehr sagen, es ist ja schon alles politisch inkorrekt.
Klingt anstrengend, oder? Anstrengend dagegen zu argumentieren, anstrengend sich für die Sache dauerhaft einzusetzen. Der Grund, warum ich immer noch lauthals meine Stimme erhebe, sei es in Interviews oder aufgrund der aktuellen Lage auf meinen Social-Media-Kanälen, warum ich immer noch Anti-Rassismus-Workshops gebe und mit meinem Umfeld und darüber hinaus mit Menschen über dieses Thema spreche? Genau wegen dieser Reaktionen. Genau diese Reaktionen sind der Ansporn, den Menschen wie ich brauchen, um in Sachen „Rassismus in Vorarlberg“ nicht aufzuhören und immer weiterzukämpfen. Denn solange Menschen genau dieses Mindset vertreten, während ich und noch viele andere Menschen Erfahrungen wie die oben beschriebenen machen müssen, solange werde ich weiterkämpfen und meine Stimme im Kampf gegen Rassismus erheben. Denn ich mache all das nicht nur für mich selbst, sondern im Namen aller, die aufs Tägliche aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe oder Religion ausgegrenzt, angefeindet, beleidigt und gedemütigt werden. Ich mache es für alle Menschen, die einfach Mensch sein wollen, aber denen dieses Privileg aufgrund verschiedener Faktoren nicht zugeteilt wurde.
Aber genug mit dem Pessimismus, oder eher dem Realismus. Um dem ganzen nun ein positives Ende zu geben: Es tut sich was. Menschen nehmen es nicht mehr einfach so hin, Rassismus zu erleben und erleben zu lassen. Die Sensibilität der Menschen hier in Vorarlberg steigt stetig an. Nicht bei allen, aber bei genug. Diese Entwicklung erwärmt mir das Herz und macht mich stolz auf alle die unermüdlich weiterkämpfen – damit die Utopie einer Rassismus-freien Gesellschaft keine Utopie mehr bleibt.
Noreen Mughal
Schülerin, die derzeit maturiert, und Aktivistin. Sie hält Anti-Rassismus-Workshops an Schulen ab, um die Schüler*innen aktiv für das Thema zu sensibilisieren. Ihre Abschlussarbeit hat sie über die Gründe für rassistisches Denken geschrieben.
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