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Meine Lehre in Österreich - Karwan Abass: „Ich bin den richtigen Weg gegangen“
Vor sieben Jahren kam Karwan Abass nach viermonatiger Flucht aus Qamishli in Syrien nach Österreich. Nach Aufenthalten in Traiskirchen und Kärnten bekam er nach drei Monaten subsidiären Schutz zugesprochen und nach seinem Einspruch einen unbefristeten Aufenthaltstitel. Heute macht er eine Lehre als Einzelhandelskaufmann in Wien und im September die Lehrabschlussprüfung.
Redaktion: Sonja Kittel, Foto: Karin Wasner
Der richtige Weg
„Es gibt immer zwei Wege, den richtigen oder den falschen. Der richtige oder gute Weg ist schwierig am Anfang, aber wenn man auf diesem Weg weitergeht, wird man am Ende Ruhe bekommen. Da bin ich jetzt. Ich habe diesen Weg ausgewählt, als ich nach Österreich gekommen bin. Angekommen bin ich am 10. Jänner 2014, fünf Tage vor meinem 18. Geburtstag. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich es geschafft hatte, aber es war schwierig, weil ich alleine war, ohne Familie, ohne Eltern. Ich habe sehr lange gebraucht, um auf eigenen Beinen stehen zu können. Als ich den Bescheid bekam, dass ich hier mein Leben weiter aufbauen kann, bin ich nach Wien gezogen in eine WG mit fünf Mitbewohnern. Seitdem habe ich schon in vielen Bezirken gewohnt. Durch einen Freund habe ich meine jetzige Wohnung gefunden.
„Mein Ziel war immer eine Schule zu besuchen“
Ich habe mich auf das Deutschlernen konzentriert, ich habe Geld gespart und davon etwas meinen Eltern geschickt. Mein Ziel war immer eine Schule zu besuchen. Mein erster Plan war, dass ich in einem Kindergarten arbeite, weil ich Kinder gerne mag. Doch dafür muss man sehr gut Deutsch können und Matura haben. Mein zweiter Plan war, dass ich Pfleger auf einer Kinderstation im Krankenhaus werde, Ich habe den Aufnahmetest gemacht, aber sie haben mich nicht genommen. Dann habe ich mich für den Einzelhandel entschieden, weil man da nicht so viele Kenntnisse braucht, aber trotzdem darauf aufbauen kann. Das war halt Plan B und das muss man auch akzeptieren. Es gibt so viele Jugendliche, die hier geboren sind oder aus den Nachbarländern kommen und gar keine Lehrstelle finden. Ich bin jetzt im dritten Lehrjahr als Einzelhandelskaufmann. Ich mache meine Lehre beim Bioladen „Denns“ im siebten Bezirk. Die Arbeit macht Spaß. Alle, egal ob Filial- und Bezirksleiter oder Mitarbeiter, sind zufrieden mit mir.
Ein Schuljahr zuhause
Im ersten Lehrjahr habe ich zwei Tage pro Woche die Schule besucht, im zweiten und dritten einen Tag pro Woche. Die restlichen Tage sind Arbeit, 38 Stunden, Vollzeit. Im zweiten Lehrjahr waren wir das ganze Schuljahr zuhause, nur Fernunterricht. Das war schwer für mich, weil ich immer Unterstützung bei Aufgaben brauchte. Aber ich habe es erlebt und ich habe es geschafft und jetzt nur Einser und Zweier im Zeugnis. Im ersten Lehrjahr war es extrem schwer für mich, weil ich hab mich echt nicht ausgekannt, wie es funktioniert, wie es ist, wie Schule überhaupt funktioniert. In Syrien hatte ich die 9. Schulstufe abgeschlossen. Hier war ich vorher nie in der Schule, nur in Deutschkursen und bei Interface.
Wie eine Familie
Interface ist für mich wie eine Familie. Hier habe ich Österreich richtig kennenglernt, die Sprache, die Menschen. Da habe ich auch Hildegard kennengelernt. Sie ist die Mutter einer Lehrerin dort und arbeitet ehrenamtlich mit. Hildegard ist für mich wie eine Mutter. Sie ist immer für mich da. Sie versucht alles was sie kann, um eine Lösung für mich zu finden. Sie hat auch die Lehrstelle für mich gefunden. Meine Eltern sind auch immer für mich da, wenn ich beruhigende Worte brauche. Wir videotelefonieren fast jeden Tag. Sie sind noch in Syrien. Hildegard und meine Eltern sind mir heilig.
Warten auf die Familienzusammenführung
Ich bin jetzt glücklich. Ich habe alles erreicht. Ich habe meine Lehre gefunden, ich habe eine neue Wohnung, ich bin frisch verheiratet. Meine Frau ist meine frühere Nachbarin in Qamishli. Wir waren befreundet und dann ist es mehr geworden. Weil in unserem Heimatland Krieg ist, haben wir uns im Sudan getroffen und dort vor dem Standesamt geheiratet. Ich habe jetzt die Familienzusammenführung mit ihr hier in Österreich beantragt und jetzt müssen wir warten.
Als normaler Mensch leben
Ich habe mich immer auf gute Sachen konzentriert, damit die Leute, die ich kenne, stolz auf mich sind. Ich habe nie mit meinen Geschwistern gestritten oder mit meinen Eltern oder mit Leuten, die ich kenne. Ich war immer auf dem richtigen Weg. Bis jetzt sagen alle, wir sind stolz auf dich und das freut mich. Das war mein Ziel und das wird weiter mein Ziel sein. Mein Wunsch ist die Lehre zu schaffen, dass meine Frau herkommt und ich als normaler Mensch leben kann. Arbeiten, zuhause sein, Feiern, rausgehen, in Sicherheit sein.“
Sie sind vor Krieg und Gewalt geflüchtet und haben in Österreich ein neues Leben begonnen. In der 9-teiligen Porträtreihe „Meine Lehre in Österreich“ erzählen junge Frauen und Männer, wie sie nach ihrer Flucht ihre Lehrstelle gefunden haben und wie sie ihre Ausbildung erleben. Ihre Geschichten zeigen die Hürden und Probleme, mit denen Geflüchtete nach ihrer Ankunft konfrontiert werden. Es sind aber auch Erfolgsgeschichten von genutzten Chancen, Freundschaft und Menschlichkeit. Wenn Sie Geflüchtete ehrenamtlich unterstützen wollen, finden Sie hier Infos und Kontakte.
SOS Mitmensch kämpft weiter für den Zugang zu Lehre und Arbeit für Asylsuchende und für ein Ende der Abschiebung von Menschen, die sich in Österreich ein neues Leben aufgebaut haben!
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