
„Klimadiktatur“
Im jüngst erschienenen Buch „Klimarassismus“ beschreiben die Autoren, wie rechte Netzwerke die Klimawende torpedieren. Deren Rhetorik ist mittlerweile längst in unsere Diskussionen eingesickert. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte.
Seit Fridays for Future den Klimawandel als drängendstes Problem der Gegenwart in das öffentliche Bewusstsein gebracht hat, kam es explosionsartig zur Verbreitung von OnlineBeiträgen, Videos, Memes und Hashtags, in denen der Klimawandel abgestritten oder bagatellisiert wird. Hass und Häme werden zudem über Klimaaktivist:innen und grüne Politiker:innen ausgeschüttet. Auch Klischees von ökologisch bewusst lebenden Menschen werden lächerlich gemacht – oder sie werden aggressiv angefeindet, bis hin zu Mordfantasien, die oftmals in Form eines „frechen“ Humors gekleidet werden, etwa „Hängt die Grünen, solange es noch Bäume gibt.“ Es wird Stimmung gemacht: Wir gegen die!“
So liest sich eine Passage in „Klimarassismus. Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende.“ Worauf sich die Autoren Matthias Quent, Christoph Richter und Axel Salheiser hier konkret beziehen, sind rechte Hetzmedien und rechtsextreme Provokateure, die Verschwörungserzählungen und Lügen lancieren, um die Gemüter der Menschen zu erregen und gegen das „System“ zu mobilisieren. Das Prinzip ist ähnlich jenen anderen rechten Agitationsfeldern, wenn es darum geht, gegen Geflüchtete und Asylsuchende zu mobilisieren. Einige Kampfbegriffe begegnen einem mittlerweile auch in der öffentlichen Diskussion über die Klimakrise: Begriffe wie „Klimadiktatur“, „Wohlstandsvernichtung“, „Öko-Sozialismus“ oder „Klima-Hysterie“ oder die Rede, dass Autofahrer*innen „enteignet“ würden, sind bereits in den Diskurs eingesickert und werden von verschiedener Seite offenbar dankbar aufgegriffen und weitergetragen. Worin die „Ökodiktatur“ genau bestehen soll, bleibt hingegen unklar. Es geht um Stimmung, nicht um Fakten. Rhetoriken wie diese, die von der Neuen Rechten in Deutschland kommen, finden sich auch in Österreich von rechter Seite.
Wut wird kanalisiert
Die Klimaerwärmung muss dabei nicht unbedingt geleugnet werden. Gerade anhand von Postings und Kommentaren und neuerdings auch einiger Bücher sieht man, wie sich die Gegenkräfte einer ohnehin unzureichenden Klimapolitik gegen „falsche Maßnahmen“ oder „übertriebene Haltungen“ formieren.
Während die Staatengemeinschaft trotz der UN-Klimakonferenzen keine Reduktion der Klimagase schafft und auf eine 3-Grad-Erwärmung mit katastrophalen Auswirkungen zusteuert, vernebeln selbsternannte Expert*innen den Blick mit hanebüchenen Geschichten.
Man erinnere sich an einen ehemaligen FPÖ-Chef, der kalmierte, weil auf Grönland schon früher Wein angebaut worden war. In „Klimarassismus“ beschreiben die Autoren, wie sich rechte gesellschaftliche Strömungen wie diese schon vor Jahrzehnten in den USA bei radikalen Republikaner*innen, Rechtslibertären und Gruppierungen wie der „Tea Party Bewegung“ aufgebaut haben. Netzwerke wie diese sind thematisch nun auch im Bereich des Klimaschutzes angekommen. Sie kanalisieren die aufgestaute Wut, den Hass und die Demokratieverachtung von Menschen für ihre Zwecke. Aber wer genau soll davon profitieren, dass Menschen Klimamaßnahmen ablehnen?
Dieser Punkt ist insofern interessant, als sich hier durch aus relevante wirtschaftliche und politische Interessen kreuzen. So heißt es im Buch: „Mit der aufkommenden Energiewende sahen sich die Lobbyist:innen der fossilen Industrie und rechtslibertäre Großunternehmen bedroht und entschieden, sich strategisch gegen den nahenden Bedeutungsverlust und die drohenden Gewinneinbußen zu wappnen. Sie nutzten die zahlreichen rechtskonservativen, libertären und marktradikalen Thinktanks als Ausgangspunkt ihres antiökologischen Feldzuges. Und sie finanzierten eine Fake-Wissenschaft gegen die Erkenntnisse der Klimaforschung ... und streuten trotz besseren Wissens Desinformationen zum Klimawandel.
Ziel war es, möglichst viel Zeit zu erkaufen, um weiterhin Gewinne einzustreichen.“ Und weiter: „Amerikanische Forscher:innen konnten nachweisen, dass Ölkonzerne wie ExxonMobil die Öffentlichkeit seit den 1970er-Jahren systematisch über die Umwelt- und Klimaschäden hinweggetäuscht haben und sich dabei in ihrer Kommunikationsstrategie explizit an der Tabakindustrie orientierten.“
Auch wenn die Situation in Deutschland oder Österreich nur bedingt mit der US-amerikanischen vergleichbar ist, zeigen sich Parallelen darin, wie der Klimaschutz auch hierzulande von bestimmten Interessensgruppen blockiert wird. Fossile Industrien, Autolobbys, Autobahnfetischisten und Betonierer machen den Menschen dabei weiss, dass ihnen durch „linke Öko-Chaot*innen“ ihr hart erarbeiteter Lebensstil weggenommen würde – kurz: dass sie enteignet würden.
Verfechter*innen einer neoliberalen, globalisierten Wirtschaftsordnung, die einen direkten Zusammenhang mit dem Anstieg der Treibhausgase aufweist, tun sich dabei besonders hervor. Aber auch Politiker*innen wie ausgerechnet die ÖVP-Jugend-Staatssekretärin, für die die Generationenfrage besonders wichtig sein sollte, machen sich zum Sprachrohr der Gegner*innen einer ökologischen Wende. So überreichte Claudia Plakolm „Klimakleber-Opfern“ im Wiener Autoverkehr Sackerl mit Frühstück und fordert eine Präventivhaft für Klima-Aktivist*innen. Ärger darüber, dass die Politik schon seit Jahren verabsäumt, die Energiewende mit den nötigen Maßnahmen einzuleiten, und kommenden Generationen die Zukunft verbaut, ist von ihr nicht zu hören.
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PROTESTE: AUSGERECHNET JUGENDSTAATSSEKRETÄRIN
PLAKOLM FORDERT „PRÄVENTIVHAFT“.
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Neue Hassobjekte
Gegen Windräder formiert sich zunehmend Widerstand. Von der Verschandelung der Landschaft ist die Rede, als wären ästhetische Fragen im Vergleich zu Todeszonen, in die sich ganze Landstriche der Erde im Zuge höherer Temperaturen verwandeln könnten, ein ernsthaftes Argument.
Interessant ist, wie sich – etwa laut einer Greenpeace-Recherche im Jahr 2021 – auch Lobbyist*innen fossiler Industrien in Bürgerbewegungen mischen, um für den „richtigen“ Spin zu sorgen. Dafür werden Naturschutzorganisationen auch mit Spenden bedacht. Lobbygruppen wie das Europäische Institut für Klima und Energie (EIKE) spielen eine zunehmend wichtige Rolle. Dort verbinden sich neoliberal-libertäre und nationalistisch-rassistische Kräfte und Denkströmungen, mit dem Ziel eine ökologische Energiewende zu verhindern: Gegründet 2007, wird EIKE unter anderem vom US-amerikanischen Heartland Institute (ein Lobby-Spinoff des libertären Atlas-Netzwerks), der AfD und der Friedrich-Hayek-Gesellschaft finanziert.
Am Beispiel von EIKE lässt sich zeigen, wie die Agenda der fossilen Lobby in die Demokratien getragen wird: Einer der Klima-Experten von EIKE ist Steffen Hendrich. Er ist zugleich Klimareferent der FDP. Mit Hendrichs „Argumenten“ torpediert die FDP derzeit das Gebäudeenergie-Gesetz in Deutschland, das sie selbst in der Koalition mitbeschlossen hat. Die Rhetorik erinnert auch hier an die Rhetorik von rechts: Man wolle die Hausbesitzer „enteignen“, ihnen eine „Ökodiktatur“ aufzwingen und mit dem „Heizhammer“ ihren Wohlstand zerstören. Bemerkenswert ist das, weil die FDP selbst Regierungspartei ist. Die Bild-Zeitung berichtet regelmäßig darüber. Ähnlich tönt die FPÖ in Österreich, derzeit laut Sonntagsumfrage auf Kanzlerkurs.
Die Klimapolitik bezeichnete FPÖ-Chef Kickl in einem ZiB-Interview im Jänner als „völlig überbordend“, Klimaaktivist*innen als „Terroristen“. Und auch in FP-Presseaussendungen begegnet einem die bekannte Rhetorik: Da ist von der „Degradierung von Autofahrern zu Bürgern zweiter Klasse“ die Rede, von einem „Tabubruch der staatlichen Fahrzeugenteignung“ und einem „grünideologischen Kampf “, und davon, dass „unsere Heimat weiter auf Talfahrt“ geschickt und die Bundesregierung „den Wohlstand zerstören“ würde. (red)
Der Buchtitel bezieht sich auf die globale Ungleichheit, die es zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden gibt. Während der Norden den überwiegenden Teil der klimaschädlichen Emissionen produziert, hat der Süden überproportional mit den Folgen zu kämpfen. Darin lässt sich eine politisch-wirtschaftliche Konstellation erkennen, in der sich koloniale Verhältnisse fortschreiben. Das ist einer der Aspekte, auf den sich der Begriff „Klimarassismus“ bezieht – auf eine globale Ungerechtigkeit, in der die Ausbeutung von Menschen und Umwelt immer noch einer ganz bestimmten Logik folgt. Ein weiterer ist, als eine Ursache des Klimawandels „Überbevölkerung“ in Afrika oder Asien auszumachen. Der Ruf nach einem Migrationsstop und nach einer autoritären Gesellschaftsordnung sind Teil dieser Rhetorik.
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