
Neues aus der Parallelgesellschaft
Österreichische Muslime werden oft als religiöse Fanatiker oder als Parallelgesellschafter portraitiert, den Durchschnitt sucht man vergeblich. Ein persönlicher und humorvoller Blick auf den Alltag einer wienerisch-muslimischen Suderantin. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kolumne: Nour El-Houda Khelifi
Die Radikalisierung junger Mädchen; Warum das Kopftuch abgelegt wird; Wie Europa in 50 Jahren mit all den Muslimen aussehen wird; Und warum generell Muslime nicht integrierbar sind – die jüngste Liste publizierter Bücher rund um das Thema Islam und Muslime ist beeindruckend. Ja, beeindruckend, weil es mich sehr wundert, dass Menschen so etwas lesen. Warum Bücher kaufen und lesen, die einem nur Angst einjagen? Da lese ich doch lieber etwas qualitativ besseres, von Stephen King zum Beispiel, statt ein Buch, das mir erzählen möchte, dass Frauen wie ich der Untergang Europas sind. Nahezu jedes Buch von diesem Kaliber wird von Pseudo-Expertinnen und Experten verfasst, kaum eines gibt inhaltlich viel her und auch sonst fallen die Bücher recht oberflächlich und pauschalisierend aus. Eigentlich ist der Islam ein ganz raffiniertes Geschäftsmodell. Es lässt sich in kurzer Zeit viel Geld mit ihm machen. Antimuslimische Schlagzeilen als Goldgrube. Ruhm, Geld und Frauen, die auf einen warten. Obwohl, von letzterem eher weniger. Es sind eher die rechtspopulistischen Politiker, die einen mit offenen Armen empfangen, zu Workshops und Seminaren einladen und dann ekstatisch klatschend im Publikum sitzen, weil endlich mal jemand die Wahrheit über diese Moslems sagt!!1!!11!!!
Ruhm, Geld und... Rechtspopulisten?
Nour, du bist a ganz a Depperte. Wieso schreibst du nicht auch ein Buch? Ich will auch berühmt und reich werden. Ich will auch von der FPÖ als Islamexpertin eingeladen werden und dann einen Vortrag darüber halten, dass diese Fetzenschädel alle kein Deutsch sprechen, sich nicht integrieren wollen und einfach nicht in das Stadtbild Wiens passen. Ich will dann auch in jedes Talkformat im Fernsehen eingeladen werden und darüber reden, dass der Islam der Untergang Europas ist und die muslimischen Frauen als Gebärmaschinen die westliche Gesellschaft unterwandern werden. Ich will in der Boulevardpresse Schlagzeilen machen, dass unsere Werte hier in Österreich aus einer Schweinsstelze und einem Bier bestehen und dass die Muslime den Kindern im Kindergarten vielleicht das Wurstsemmerl wegnehmen. Ich möchte, dass Andreas Gabalier und Felix Baumgartner mir zujubeln. Ich will ein Ehrenverdienstzeichen von Schwarzblau bekommen für meinen Einsatz gegen den politischen Islam. Ich möchte in der Menge der besorgten Wutbürger baden. Und ja, Wutbürger, denn wenn ich mich dann in so einem Milieu bewege, dann wird nicht gegendert. Feminismus und Gleichstellung bzw Gleichberechtigung sind da nicht erwünscht. Frauenrechte sind nur willkommen, wenn es darum geht, das Kopftuch und die Burka, den Niqab und wie sie alle heißen, zu verbieten. Muslimische Frauen befreien, in dem ich sie zu etwas zwinge. So gehört sich das. Das Kopftuch werde ich aber trotzdem weitertragen, rein aus Marketingzwecken natürlich. Damit ich meine Message besser vermarkten kann. Mit Hass, Vorurteilen und Halbwissen die Nummern auf dem Konto hochschnellen lassen. Noch nie war Geld verdienen so leicht. Tja, und dann bin ich aus meinem Tagtraum aufgewacht. Denn es stimmt, mit Ressentiments kann man sehr schnell und leicht mobilisieren. Mit Humor aber auch. Und da stellt sich mir jetzt die Frage: Geht es nicht anders? Wieso werden keine Bücher publiziert, wo man sich über diese Themen mit Satire und Humor auseinandersetzt? Muss alles immer so wutgeladen und pauschalisierend sein? Muss es nicht. Deswegen an die Buchverlage da draußen – traut euch, den Neuankömmlingen eine Chance zu geben. Ich habe jetzt auch nicht soviel Ahnung vom Verlagswesen, aber lustige Inhalte mit einer Prise Wissen, ganz im Sinne des Infotainments, lassen sich locker gut verkaufen. Insbesondere, wenn es ein Thema ist, das polarisiert. Und was polarisiert mehr, als eine wienerisch-muslimische Suderantin, die Würschtel im Saft und Baklava liebt und obendrein auch noch ein Kopftuch trägt? Liebes Verlagswesen, ich bin eine noch unentdeckte Ölquelle für dich.
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