Kürzung der Mindestsicherung ist Angriff auf soziale Stabilität
SOS Mitmensch ruft die Abgeordneten des oberösterreichischen Landtags, die heute im Sozialausschuss tagen, dazu auf, keinen Sozialabbau zuzulassen. „Ein Beschluss von Kürzungen bei mittellosen Menschen hätte fatale Folgen. Davon betroffen wären nicht nur arbeitslose Personen, sondern auch NiedrigverdienerInnen, deren Einkommen durch die wichtige Mindestsicherung aufgestockt wird“, so Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch.
„Menschen durch Sozialabbau in bittere Armut zu drängen würde eine der wichtigsten österreichischen Errungenschaften der vergangenen Jahrzehnte gefährden: die soziale Stabilität des Landes. Gerade die Mindestsicherung hat dazu beigetragen, unserem Land in einer wirtschaftlich schwierigeren Zeit Rückhalt zu geben. Es wäre eine Katastrophe den Weg der sozialen Stabilität aufzugeben“, warnt Pollak.
In den vergangenen Tagen haben zahlreiche Menschen, darunter auch ÖVP-Mitglieder, Appelle an den oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer gerichtet, eine Kürzung der Mindestsicherung für Familien und für nach Österreich geflüchtete schutzberechtigte Personen nicht zuzulassen. Die SchreiberInnen haben sich „erschüttert“ und „entsetzt“ über den „Richtungswechsel“ der oberösterreichischen Politik gezeigt und an die „christlich-sozialen Wurzeln“ der ÖVP erinnert.
Hier eine kleine Auswahl der bisher an Landeshauptmann Josef Pühringer (und in Kopie an SOS Mitmensch) versendeten Schreiben:
„Mindestlohn statt Mindestsicherungskürzung“
„Ich bin mit der ÖVP massiv unzufrieden, weil sie die christlich-sozialen Wurzeln vergisst“, kritisiert etwa Franz Imlinger, seit 45 Jahren ÖVP-Mitglied, die angekündigten Kürzungen für Mindestsicherungsbezieher. „Ich denke, Herr Landeshauptmann, Sie haben insofern Recht, dass der Abstand zwischen Mindestsicherung und unterem Erwerbseinkommen in speziellen Fällen zu klein ist. Generell ist dies aber sicher nicht zutreffend. Diese Diskrepanz ließe sich aber durch einen gesetzlichen Mindestlohn in entsprechender Höhe vermeiden. Dadurch würde Kaufkraft geschaffen und Wirtschaftswachstum generiert und das Steueraufkommen erhöht. Weswegen setzen Sie sich als Vertreter des ÖAAB nicht dafür ein?" fragt Imlinger.
„Wo bleibt christliche Gesinnung?“
Elfriede und Wolfgang Weinmeister bedauern in ihrem Schreiben an Landeshauptmann Pühringer, dass in ihrem Heimatbundesland die Politik „so sehr nach „Rechts“ geht“. „Befürchtet haben wir das, die Geschwindigkeit in der das aber eintritt, erschreckt uns. Niemand von Ihnen, weder Sie noch Ihre Koalitionskollegen haben jemals erlebt, wie man mit einer so kleinen Summe, wie Sie das beschließen wollen (oder schon haben), über die Runden kommt. Es ist schändlich, die Ängste und den Neid der Bevölkerung so zu schüren. Wo bleiben Ihr Rückgrat und Ihre christliche Gesinnung?“, fragen Frau und Herr Weinmeister den oberösterreichischen Landeshauptmann.
„Brüchige Moral“
Johanna Förster zeigt sich erschüttert darüber, „wie schnell eine humanitäre und faire Moral und Haltung in unserem Bundesland brüchig wird“. Die Ankündigung des Landeshauptmanns, die Mindestsicherung für anerkannte Asylwerber zu senken und diese „in ein menschenunwürdiges Dasein zu stürzen“, schockiere sie zutiefst. „Tragen Sie die Verantwortung für die zunehmende Illegalität und das Elend, das diese finanzielle Kürzung für die Schicksale dieser Flüchtlinge und letztlich für unser aller Mitschuld bedeutet?“, so Förster in Richtung Landeshauptmann Josef Pühringer.
„Von 320 Euro kann man nicht leben“
Marietta Wisemair schreibt dem oberösterreichischen Landeshauptmann, dass sie „als gebürtige Oberösterreicherin“ entsetzt darüber sei, welcher Richtungswechsel in der Politik der oberösterreichischen Landesregierung seit der letzten Wahl stattgefunden habe - besonders gegenüber Asylwerbern bzw. Migranten. „Ich bin nicht so blauäugig zu glauben, dass Österreich alle Flüchtlinge dieser Welt aufnehmen kann, aber ich bin sicher, dass wir die in unser Land lassen können und müssen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen und deren Leben bedroht ist. Und dann sind wir verpflichtet, uns anständig um sie zu kümmern. Die 320 Euro, über die laut Medienberichten derzeit in Linz diskutiert wird, sind ein Betrag, von dem man nicht leben kann. Ich appellieren an Sie als Christ und durchsetzungsstarken Politiker, den blauen Vorschlägen in Ihrer Regierung nicht nachzugeben“, so Wisemair.
„Widerspricht sinnvoller Integration“
Für Brigitte Mörwald widerspricht eine radiale Kürzung der Mindestsicherung „jeglicher Menschlichkeit und jeglichem Ansatz von sinnvoller Integration“. „Ihre Vorgehensweise ist menschlich und politisch inakzeptabel“, so Mörwald in Richtung Landeshauptmann Pühringer.
„Menschen Mut machen“
Die in Linz lebende Psychotherapeutin Simone Viertauer appelliert: „Beenden Sie die Kürzungen und machen Sie Menschen Mut. Beenden Sie den Kurs der Feindseligkeit gegenüber Menschen in Not und treten Sie als oberösterreichischer Landeshauptmann für ausreichend Mittel zur kompetenten Integrationsförderung ein.“
„Nicht in meinem Namen“
„Was Sie tun, Herr Landeshauptmann, geschieht nicht in meinem Namen“, betont etwa Wolfgang Rohm in seinem Schreiben an Josef Pühringer. Und Rohm weiter: „Ich bin Oberösterreicher und hier wahlberechtigt. Und daher erhebe ich hiermit schärfsten Protest gegen diese Form der mutwilligen Vernichtung von ohnehin schon prekären Existenzen. Sollten Sie dies tatsächlich in die Tat umsetzen, fordere ich Sie darüber hinaus auf, das Wort "Integration" erst gar nicht mehr in den Mund zu nehmen - damit haben Sie dann nichts mehr zu tun. Als Oberösterreicher distanziere ich mich hiermit sehr deutlich von Ihren Absichten, Flüchtlingen die Mindestsicherung zu kürzen.“
„Tiefpunkt der Regierung“
Ein „mehr als enttäuschter“ Josef Schlager schreibt an Landeshauptmann Josef Pühringer: „Ich bin entsetzt und tief betroffen von dem Vorhaben der oberösterreichischen Landesregierung, die Mindestsicherung für anerkannte Flüchtlinge radikal zu kürzen. Den ärmsten Menschen auch noch dieses Wenige zu kürzen ist wohl der Tiefpunkt ihrer Regierung. Anscheinend fehlt schon jegliches Moral- und Mitgefühl für Menschen in Not. Die ÖVP, die sich immer auf christliche Wurzeln beruft, wirft ihre Christlichkeit über Bord.“
„Reputation als christlicher Politiker wird geopfert“
„Mit tiefem Bedauern nehme ich zur Kenntnis, dass für die Fehlleistungen der Politik nunmehr die Ärmsten der Menschen, die in unserem Land Schutz suchen, bestraft werden sollen. Sie opfern ihre Reputation als christlicher Politiker einem Populismus der so nicht von ihren Wählern erwartet wurde“, schreibt eine „zutiefst enttäuschte und besorgte“ Christine Doppelmeier dem oberösterreichischen Landeshauptmann.
„Zu menschenrechtlichen Standards stehen“
Organisationsberater Burkhard Mayr schreibt dem oberösterreichischen Landeshauptmann: „Als gebürtiger Oberösterreicher bin ich darüber schockiert, dass die Landesregierung unter Ihrer Führung ein Gesetz beschließen will, das klar gegen EU- und internationales Recht verstößt, nur um einer angeblichen Stimmung in der Bevölkerung Rechnung zu tragen (mit diesem Argument ließe sich beispielsweise auch die Todesstrafe problemlos einführen). Politik hat die Aufgabe, zu demokratischen und menschenrechtlichen Standards auch dann zu stehen, wenn ihr Gegenwind ins Gesicht bläst. Obwohl ich seit Jahren Grün-Sympathisant und -Wähler bin, habe ich gegenüber Ihnen als Person und Ihrer Haltung immer große Hochachtung empfunden. Umso größer ist mein Erstaunen, dass Sie als Landeshauptmann diesen Schritt setzen.“
„Christliche Prinzipien nicht über Bord werfen“
„Sie waren doch Religionslehrer und kennen das Wort aus der Bergpredigt: "Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen". Sollten Sie Ihre christlichen Prinzipien wirklich völlig über Bord geworfen haben? Das kann und will ich nicht glauben!“, schreibt der diplomierte Pädagoge Christian Eder an Landeshauptmann Josef Pühringer.
„Verurteile diese Maßnahmen scharf“
Bestürzt zeigt sich Ernst Kobau in seinem Schreiben: „Mit Sorge ist zu registrieren, dass die Fundamente demokratischer Kultur und menschlicher Grundrechte in zunehmendem Maße erodieren. Leider tragen die Maßnahmen Ihrer Regierung zu dieser besorgniserregenden Entwicklung bei. Ich möchte mit dieser Mail zum Ausdruck bringen, dass ich diese Maßnahmen scharf verurteile.“
„Sie können das!“
Christof Waas appelliert an Landeshauptmann Pühringer mit den Menschen zu sprechen, die direkt mit Asylsuchenden zutun haben: „Diese Menschen werden Ihnen berichten, dass die größten Probleme nach dem Erhalt eines positiven Asylbescheids auftreten, denn da haben diese Menschen nur noch drei Monate Zeit, ihr Leben zu organisieren und eine Wohnung zu suchen, Deutschkurse zu buchen und zu besuchen und ein normales Leben zu führen. Wie soll das mit € 320,- gehen?... Die Pflicht der Politik ist es, diese Herausforderung zu bewältigen, und dies den Bürgern verständlich zu erklären! Ich bin mir sicher, das geht, und Sie können das!“
PS: Wenn auch Sie entsetzt über den Vorstoß der oberösterreichischen Landesregierung zur radikalen Kürzung der Mindestsicherung sind, dann richten Sie bitte Ihr kritisches Schreiben an Landeshauptmann Josef Pühringer [email protected] und in Kopie an uns [email protected]
Lassen Sie mit Ihrem persönlichen Statement jene Politiker, die Menschenwürde und soziale Errungenschaften aufs Spiel setzen, ganz klar wissen, dass sie nicht in Ihrem Namen handeln.
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