Integrationsbericht 2014 mit blinden Flecken übersät
SOS Mitmensch begrüßt, dass sich der im Integrationsministerium angesiedelte ExpertInnenrat für eine realitätsnahe Gestaltung der Rot-Weiß-Rot-Karte und für die bessere Anerkennung von Abschlüssen und Qualifikationen ausspricht. Zugleich übt die Menschenrechtsorganisation jedoch deutliche Kritik an den zahlreichen blinden Flecken im Integrationsbericht.
Der Integrationsbericht lässt sich aus zwei Perspektiven betrachten: Zum einen werden einige wichtige Themen, wie die Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse, die Anpassung der Rot-Weiß-Rot-Karte an reale Erfordernisse oder der Erwerb der deutschen Sprache, aufgegriffen. Zum anderen ist der Bericht jedoch in erstaunlichem Ausmaß von Leerstellen übersät: Vorurteile, Diskriminierung oder Rassismus existieren im Integrationsbericht nicht. Menschen, die hier leben, aber nicht arbeiten dürfen, existieren im Integrationsbericht nicht. Menschen, die hier geboren oder aufgewachsen sind, aber keinen Zugang zur Staatsbürgerschaft haben, existieren im Integrationsbericht nicht. Das Problem der schulischen Frühselektion existiert im Integrationsbericht nicht. Asylsuchende, die oft über Jahre aufs Abstellgleis gestellt werden, existieren im Integrationsbericht nicht.
Das vorgestellte Konzept der „Integration von Anfang an“ bleibt daher ebenso unvollständig, wie der Zugang zu Demokratie. Es wird weiterhin so getan, als würde "Integration von Anfang an" Aslysuchende nicht betreffen, obwohl viele dauerhaft in Österreich bleiben. Und es wird weiterhin so getan, als sei die Staatsbürgerschaft und die Teilhabe an der Demokratie etwas, das man vor hier lebenden Menschen schützen müsste. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Demokratie ebenso wie Zugehörigkeitsgefühle leben von der Möglichkeit der Teilhabe.
Auch die vorgestellten Sprach- und Bildungskonzepte bleiben unvollständig und driften teilweise in bedenkliches Fahrwasser ab. Dass der ExpertInnenrat sich Gedanken über das Erlernen von Deutsch macht, ist gut und richtig, aber Themen, wie soziale Mobilität, Antidiskriminierung und auch die Anerkennung und Förderung von Mehrsprachigkeit, sollten deshalb nicht aus den Augen verloren werden. Segregation ist im Regelfall kein Beitrag zu Integration: Kinder sollten die Chance haben, sich rasch sprachlich zu verbessern UND zugleich Teil der regulären Klassengemeinschaft zu werden. Dann findet echte Integration statt.
Bemerkenswert: Minister Kurz hat selbst noch vor kurzem vom inklusiven Modell der englischen Abraham-Moss-Gesamtschule geschwärmt. Dort besuchen Kinder und Jugendliche, die kein Wort der Landessprache sprechen, 50% des Normalunterrichts und verbringen die restliche Zeit in Sprachförderklassen. Für SchülerInnen, die sprachlich bereits fortgeschritten sind, erhöht sich der Anteil des Normalunterrichts. Auf diese Weise wird die Einbindung der Kinder und Jugendlichen in die Klassengemeinschaft Schritt für Schritt gestärkt.
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