Verena Luttenberger: "Über den eigenen Tellerrand zu schauen, tut uns allen gut"
Warum engagieren sich Menschen freiwillig in der Flüchtlingshilfe? Was ist ihre Motivation und was raten sie Menschen, die auch ehrenamtlich aktiv werden wollen? Wir fragen nach. Heute: Verena Luttenberger
Etwas tun müssen
Ehrenamtliche Tätigkeit gehört für Verena Luttenberger aus Graz seit vielen Jahren zum Alltag. Dass sie sich 2015 im Rahmen von Kinderfreunde Connect auch für geflüchtete Jugendliche zu engagieren begann, war damit für sie eine logische Fortsetzung ihres bisherigen Engagements. „Für uns war klar, dass wir hier in Graz was tun müssen. Also haben wir uns angeschaut was die Leute von Connect in Traiskirchen in der Eishalle auf die Beine gestellt haben. Wir wussten, dass wir nicht die Kapazitäten hatten, um das Gleiche leisten zu können, aber im Herbst 2015 begannen wir mit dem wöchentlichen freizeitpädagogischen Angebot für junge unbegleitete Flüchtlinge hier in Graz.“
Gleich nebenan
In einem Bürogebäude der Firma Anton Paar in Graz-Straßgang wurden 2015 40 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan untergebracht, die aus Traiskirchen gekommen waren. Quasi vor der Haustüre des Quartiers entstand dann binnen kürzester Zeit das freizeitpädagogische Angebot von Connect Graz.
Für die Jugendlichen steht hier gemeinsames Kochen ebenso auf dem Programm wie Ausflüge, oder freizeitpädagogische Spielangebote.
Gemeinsam, mit und ohne Fluchthintergrund
Es gibt für die unbegleiteten Jugendlichen keine Verpflichtung, jeden Sonntag hinzukommen, ganz wie in Jugendzentren. „Sie nehmen aber alle meist regelmäßig teil. Und es sind nicht nur geflüchtete Jugendliche, die das Angebot nutzen - auch Jugendliche ohne Fluchthintergrund sind dabei“, freut sich Verena Luttenberger. Alle, die hier das Programm mitgestalten, sind ehrenamtlich engagiert.
Gemeinsam wohnen
Die drei eigenen Kinder sind bereits ausgezogen, erzählt sie im Gespräch. Daher habe sie gemeinsam mit ihrem Ehemann beschlossen einen unbegleiteten Jugendlichen aus Afghanistan bei sich daheim aufzunehmen. „Platz hatten wir genug‘‘, sagt sie, ,,und jetzt haben wir seit vergangenem November ein viertes Kind.“ Der mittlerweile 18jährige hat es geschafft in eine AMS Maßnahme unterzukommen für Mangelberufe und lernt eifrig. Auch, wenn die unsichere Aussicht auf Asyl hier in Österreich wie ein Damoklesschwert über ihm schwebt.
Über den Tellerrand
Sie ist selbst beruflich in der Stadt Graz tätig und hat dabei mit verschiedenen Personengruppen zu tun. „Ich geb‘ zu“, so Frau Luttenberger, „durch die ehrenamtliche Arbeit mit den Geflüchteten sehe ich unsere Klienten anders. Wenn uns Menschen näher kommen, sind sie keine Nummer mehr. Über den eigenen Tellerrand zu schauen, tut uns allen gut.“
Verena Luttenbergers Botschaft an alle, die sich freiwilliges Engagement überlegen: „Sich zu engagieren, lässt einen persönlich wachsen. Man kann so viel voneinander lernen, wenn man seine eigenen Befindlichkeiten hintanstellt. Vielleicht wird man nicht immer nur mit Situationen konfrontiert, die erfreulich sind, aber durch das ehrenamtliche Engagement haben wir die Möglichkeit, zu erkennen, dass bei Menschen aus komplett anderen Kulturkreisen oft vieles ganz gleich ist, wie bei uns. Und das ist sehr bereichernd.“
Infos und Kontakte zur freiwilligen Flüchtlingshilfe finden sie hier.
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