Waldhäusl ist nur die Spitze des Eisbergs
In Schulen, auf der Straße, in Medien: Auch Jugendliche erleben Rassismus, wie der FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl zuletzt bewies. Das kann fatale Folgen haben. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Clara Akinyosoyesagt es nicht durch die Blume. Eine Kolumne über Diversität und Migration. Illustration: Petja Dimitrova
Rassismus ist perfide. Er findet oft versteckt statt, verklausuliert, subtil. So unterschwellig, dass es oft nicht einfach ist, Menschen ohne Rassismuserfahrungen darauf aufmerksam zu machen. Und manchmal ist Rassismus so unverblümt offen, dass ihn jeder und jede erkennen kann. Das war zum Beispiel der Fall, als der FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl einer 15-jährigen Schülerin aus Wien in einer TV-Diskussion auf Puls24 die Daseinsberechtigung in Österreich absprach.
Wenn Waldhäusls Vorstellungen von Asylpolitik umgesetzt wären, dann wäre sie selbst und viele aus ihrer Klasse nicht da, hatte die Gymnasiastin erklärt und womöglich gehofft, dass man die Dämonisierung von Geflüchteten von Angesicht zu Angesicht nicht aufrechterhalten könne. Doch es geht. „Dann wäre Wien noch Wien“, schleuderte der Politiker ihr entgegen. Viele Medien berichteten kritisch über die Aussage Waldhäusls, bezeichneten sie teilweise auch als das, was sie ist: rassistisch. Was allerdings zu kurz kam und worüber wir mehr sprechen müssen, ist, dass Kinder und Jugendliche in diesem Land immer wieder mit Rassismus konfrontiert sind. Sie seien solche Aussagen gewöhnt, hatte die Schülerin gesagt. Eine traurige Wahrheit.
Oftmals sind es Lehrkräfte – aber nicht nur – die mit rassistischen Beleidigungen subtil oder sehr direkt Schülerinnen und Schüler herabwürdigen. Die Folgen können verheerend sein, wie einige internationale Studien bereits gezeigt haben: mehr emotionaler Stress, Depressionen, Angststörungen, Verhaltensprobleme, ein erhöhter Konsum von Alkohol und Drogen und mehr Konflikte mit Gleichaltrigen. Und Rassismuserfahrungen können den Selbstwert verringern: Erniedrigung und Ablehnung in kleinen und großen Dosen führen dazu. Also reden wir über Rassismus: Mit Kindern und Jugendlichen, darüber, wie sie ihn erleben und wie sie sich wehren können. Und mit Erwachsenen darüber, wie sie ihn verhindern können. Denn der Waldhäusl-Sager war nur die Spitze eines Eisbergs.
Clara Akinyosoye ist Journalistin bei orf.at und Ex-Chefredakteurin von M-Media.
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