
Weniger Polizei!
Die Polizeigewerkschaften setzen bei der Bekämpfung der Pandemie auf zivile Behörden. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Polizeikolumne: Philipp Sonderegger beobachtet die Staatsgewalt
Mit Unmut über die Kontrolle der Impfpflicht lassen die Polizeigewerkschaften aufhorchen. Ab Mitte März sollen Polizist:innen laut Regierungsplan auch den Impfstatus überprüfen. Das sei aber Aufgabe der Gesundheitsbehörden und schade dem Vertrauen der Bevölkerung in die Exekutive. Ein roter Gewerkschafter hält die Kontrollen überhaupt für „sinnlos“: „Was passiert, wenn die Betroffenen nie einzahlen?“ Ein freiheitlicher Gewerkschafter hält die Kontrollen gar für eine „zweckwidrige und politische Verwendung“ der Polizei.
Die Sorge über einen Vertrauensverlust ist berechtigt aber unbegründet. Man würde sich wünschen, die Polizei wäre auf ihr Image bei Bettler:innen und People of color ebenso bedacht wie bei Impfgegner:innen. Es unterscheidet Demokratien von autoritären Systemen, dass die Polizei gut in der Bevölkerung verankert ist. Das Anliegen ist legitim. Doch die Sorge ist unbegründet, seit einigen Jahren führt die Polizei Vertrauens-Rankings an. In keine andere Institution haben die Österreicher:innen mehr Vertrauen. Die Vorbehalte riechen nach Rosinen picken.
Richtig ist, dass die Polizei bei den Kontrollen lediglich als Hilfsorgan der Gesundheitsbehörden tätig werden wird. Das ist gesetzlich vorgesehen und hat rechtliche und praktische Gründe. Sollen Bestimmungen notfalls mit Zwang durchgesetzt werden, nehmen verschiedene Behörden die Polizei in Anspruch, die ja über das Gewaltmonopol verfügt. Von der Vorführung einer Zeugin im Auftrag des Gerichts bis zur Kindesabnahme für das Jugendamt. Die Polizei wird auch deshalb gerne mit Aufgaben betraut, weil sie mit ihren 30.000 Bediensteten landesweit und rund um die Uhr einsetzbar ist. Notfalls von heute auf morgen.
Sollen die Gesundheitsbehörden die Kontrollen selbst durchführen, müsste auch die entsprechende Infrastruktur aufgebaut und Mittel aufgewendet werden. Damit eröffnen die Polizeigewerkschafter eine Diskussion, die in den USA unter dem Titel „Defund the Police“ läuft: Für welche Aufgaben braucht es eine Waffe und für welche Aufgaben sind zivile Institutionen besser geeignet? Diese Diskussion sollte tatsächlich geführt werden.
Philipp Sonderegger ist Menschenrechtler, lebt in Wien und bloggt auf phsblog.at.
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