Ausbilden statt Abschieben
Spotlight: Rudi Anschober wollte nicht zusehen, wie gut integrierte junge Flüchtlinge aus der Lehre gerissen und abgeschoben werden. Seine Initiative hilft auch den Unternehmen.
Text: Muhamed Beganovic
Man könnte Rudi Anschober als einen Politiker bezeichnen, der nicht zögerlich ist, wenn es darum geht, Menschen zu helfen. Als Landesrat für Integration, Umwelt- Klima- und Konsumentenschutz ist der Grüne aufgrund der Proporzregelung Mitglied der oberösterreichischen Landesregierung. Lange könnte man über seinen Einsatz für Klimaschutz schreiben, doch hier soll es um Anschobers jüngste Initiative für Geflüchtete gehen. Immer wieder kommt es vor, dass Jugendliche, die in Österreich eine Lehre begonnen haben, einen negativen Asylbescheid erhalten und abgeschoben werden sollen. Auch, wenn sie sich schon dritten Ausbildungsjahr befinden, auch wenn sie Deutsch sprechen und das, was man als gut integriert bezeichnet, sind. 30 solcher Fälle gab es Ende 2017 allein in Oberösterreich. Einige Betroffene wendeten sich an Anschober, dazu zählten auch UnternehmerInnen, die gute Lehrlinge nicht verlieren wollten. Für sie bedeutet der Verlust eines Lehrlings ein ernsthaftes Problem, da sich zu wenige Jugendliche für eine Lehre melden. Für Oberösterreich zeigt die Statistik für die vergangenen Jahre einen Rückgang um zwei bis fünf Prozent.
Betroffene vernetzt
Dass Jugendliche, die als Flüchtlinge nach Österreich gekommen waren, sich für eine Lehre interessieren, sei von nicht wenigen Unternehmen mit Begeisterung aufgenommen worden, erzählt Anschober. Viele Firmen hätten sich von sich aus gemeldet. Seit einem halben Jahr habe sich die Freude allerdings in Sorge gewandelt, da die erfolgreiche Aktion, Flüchtlinge als Lehrlinge in so genannte Mangelberufe zu vermitteln, durch Abschiebungen gefährdet war. Kurzerhand setzte Anschober die „Petition gegen die Abschiebungen unserer künftigen Fachkräfte“ auf, die „Ausbildung statt Abschiebung“ forderte. 36.641 Menschen unterschrieben, viele Personen aus der Zivilbevölkerung, aus Kultur und Wirtschaft wollten die Initiative unterstützen. Der Kabarettist und Schauspieler Josef Hader wird auf der Website www.openpetition.eu mit den Worten zitiert, dass die Abschiebung von Lehrlingen „nicht nur menschlich höchst fragwürdig, sondern auch ökonomischer Unsinn“ sei. Anschober zeigt sich jedenfalls über die breite Beteiligung zufrieden und meint: „Ein großartiges Ergebnis“. Für die Initiative habe man die Betroffenen vernetzt und erste Gespräche mit Regierungsmitgliedern gestartet. Nun könnten die Beschlüsse von Gemeinden und Bundesländern folgen. Anschober schlägt vor, das in Deutschland erfolgreiche „3+2“-Modell auch in Österreich einzuführen. Dieses sieht vor, dass Flüchtlinge, die eine Ausbildung beginnen, eine Garantie bekommen, die Lehre beenden und danach zwei Jahre arbeiten zu dürfen – und zwar unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. In Deutschland ermöglichte das Modell bislang über 7.000 minderjährigen Asylwerbenden, ihre Ausbildung erfolgreich zu beenden. Der Kampagnendruck wirkte sich auch auf Bundesebene aus, ein erstes offizielles Gespräch mit Sozialministerin Beate Hartinger-Klein fand bereits statt. Sie soll laut Anschober Interesse am deutschen Modell gezeigt und eine sachliche Überprüfung versprochen haben. „Wenn die Bundesregierung die deutsche Lösung übernimmt, dann ist ein großes Problem gelöst“, so Anschober. Dann gäbe es Hoffnung – sowohl für die Flüchtlinge als auch für die österreichischen Betriebe. In den kommenden Wochen möchte Anschober weitere Gespräche führen, etwa mit Bildungsminister Heinz Faßmann, Außenministerin Karin Kneissl, Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, Innenminister Herbert Kickl und Bundeskanzler Sebastian Kurz. Ob sie ihm alle einen Termin gewähren, ist ungewiss. Das wird Rudi Anschober aber nicht davon abhalten, weiterzumachen.
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