
„Populisten bieten unzivilisierte Lösungen an“
In der am Samstag erscheinenden Ausgabe des von SOS Mitmensch herausgegebenen MO-Magazin für Menschenrechte spricht die Wiener Psychiaterin und Psychoanalytikerin Elisabeth Skale über die Psychologie des Populismus und wie Rechtspopulisten die Ängste der Menschen ausnützen. Skale warnt davor, dass Rechtspopulisten darauf hinarbeiten, Hemmungen zum unzivilisierten Handeln abzubauen.
„Rechtspopulisten bieten unzivilisierte Lösungen an“
Skale sieht eine zweistufige Vorgehensweise von Rechtspopulisten: Zuerst würden Ängste geschürt, von denen man weiß, dass sie zumindest unbewusst in allen Menschen vorhanden sind. Anschließend würden einfache Antworten und oftmals „unzivilisierte Lösungen“ angeboten. „Um menschlich zu sein, haben wir moralische und ethische Grundsätze formuliert und versuchen, diesen zu entsprechen. Wir haben uns Regeln auferlegt und Gesetze erlassen, um ursprüngliche Gefühle wie Neid, Eifersucht, Aggression und Missgunst zu bekämpfen. Das ist die Funktion der Erziehung und der Zivilisation und ich glaube, in diese Dynamik stoßen populistische Redner und versuchen diese zivilisatorische Leistung aufzuweichen und auszuhebeln“, analysiert Skale.
Populistisches Über-Ich
Laut Skale werde durch die von Populisten erzeugte Angst eine Gruppe von gleichgesinnten Zuhörerinnen und Zuhörern geschaffen. Die Populisten würden sich dann an die Stelle dessen setzen, was in der Psychologie als Über-Ich oder innere moralische Instanz bezeichnet wird. „Populisten nützen diese Position aus, um dem Einzelnen vieles zu erlauben, was er sich üblicherweise verbietet, oder was man auch Kindern verbietet, wie aggressiv und missgünstig zu sein oder Schwächere schlecht zu behandeln, auszuschließen und auszugrenzen oder gar sie zu verletzen oder im Extremfall zu töten“, so Skale. Populisten würden ihre Anhängerschaft von Gewissensbissen und Zweifeln erlösen. Das gehe so weit, dass alle, die ethische Grundsätze aufrechterhalten wollen, diffamiert und als naive Gutmenschen bezeichnet werden, so die Psychiaterin.
„Wir alle haben etwas Fremdes in uns“
Skale betont, dass wir alle etwas Fremdes in uns haben, „nämlich all das, was uns nicht bewusst ist und vor dem wir uns alle fürchten. Wir fürchten uns vor unbewussten Wünschen, vor aggressiven Wünschen, letztlich auch vor unseren sexuellen Wünschen.“ Laut Skale bestünde eine Möglichkeit, mit dem Fremden in uns umzugehen, darin, alles Aggressive und Sexuelle in „die Anderen“, in „die Fremden“ hineinzudenken. Wobei die Gruppe der „Anderen“ bzw. „Fremden“ jeweils von den Populisten definiert werde. „Was ich dabei spannend finde ist, dass damit das Gewissen unterlaufen wird und jeder hemmungslos haltlose, unanständige und verwerfliche Sachen gegen andere Menschen sagen kann und sich noch gut dabei vorkommt“, sagt die Psychiaterin, und sie kritisiert, dass viele dabei mitspielen würden, so auch Medien, die negativen Aussagen unverhältnismäßig viel Raum geben.
„Heraushören wo sich jemand gefährdet fühlt“
Menschen, die durch die aktuelle Flüchtlings-Situation für nationalistisches, rechtspopulistisches Gedankengut anfällig werden, sollte man argumentativ begegnen, rät Elisabeth Skale. „Ich würde versuchen, herauszuhören, wo sich jemand gefährdet fühlt“, so Skale. Es sei vor allem das Gefühl der Bedrohung, das paranoide Ideen erzeuge. Daher sei es wichtig über Bedrohungen zu sprechen und klar zu machen, dass von Asylwerbern nicht mehr Gefahr ausgehe, als von ‚Nicht-Flüchtlingen‘. Skale ist sich sicher: „Wenn es gelingt, das Stigma ‚Flüchtling‘ zu vermeiden und Asylsuchende in die Gemeinschaft zu integrieren, wird wohl kaum jemand mehr für solche Rhetorik empfänglich sein.“
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