
Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung: „Argumentation der Justiz nicht überzeugend“
„Antisemitische Darstellungen, wie die vorliegende Karikatur, zielen immer auf "die Juden" insgesamt.", so Prof. Werner Bergmann. Der Leiter des renommierten Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung zeigt sich gegenüber SOS Mitmensch erstaunt über die Reaktion der österreichischen Justiz auf die von FPÖ-Obmann Strache via Facebook verbreitete antisemitische Karikatur.
„Sicherlich richtet sich die Kritik auch und vielleicht der politischen Stoßrichtung nach gegen die Regierung. Diese wird in der Karikatur aber ganz eindeutig als Dienerin einer einflussreicheren Macht dargestellt. Die Darstellung des Bankwesens bedient sich durch die eindeutige Personifikation als "Jude", die ganz in der Tradition antisemitischer Karikaturen des reichen "jüdischen Ausbeuters und Kapitalisten" steht, des antisemitischen Stereotyps der "jüdischen Finanzmacht", die zudem noch als Verursacher der Misere des einfachen, darbenden Volkes dargestellt ist“, so Prof. Werner Bergmann.
Bergmann hält die von der österreichischen Justiz vertretene Ansicht, wonach Juden nur als Vertreter der Finanzwelt angegriffen worden seien und nicht als Kollektiv, für „nicht zutreffend“. „Antisemitische Darstellungen, wie die vorliegende Karikatur, zielen immer auf "die Juden" insgesamt. Ich wundere mich, dass die Justiz nicht hinterfragt hat, warum hier eigentlich die Banken als Juden verkörpert werden, denn damit wird ein ganzer Vorurteilskomplex gegenüber Juden abgerufen“, so Prof. Bergmann.
„Wenn die Justiz die Verbreitung einer antisemitischen Karikatur zur „bloßen Regierungskritik“ erklärt, dann schafft sie einen gefährlichen Präzedenzfall der Verkennung und Verharmlosung von antisemitischer Hetze“, so SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak. SOS Mitmensch fordert die Justizministerin zur nochmaligen Überprüfung des Falles unter Einholung externer Fachgutachten auf.