
Fragen & Antworten zu diskriminierenden Speisebezeichnungen
Selten zuvor hat eine SOS Mitmensch-Kampagne eine derartige Flut an Reaktionen ausgelost. Daher haben wir mit Unterstützun von M-MEDIA die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema zusammengetragen.
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Sind diskriminierende Bezeichnungen nicht ein total unwichtiges Thema?
Wie Menschen bezeichnet werden, hat sehr viel mit Respekt zutun. Und auch wenn die Liste an sozialen und menschenrechtlichen Problemen in Österreich lang ist, so ist Respekt gegenüber Mitmenschen eine wichtige Grundlage für die Lösung vieler dieser Probleme. Der Kampf für Respekt ist daher kein Luxusproblem für Leute, die gerade nichts besseres zutun haben, sondern es wäre ein falscher Luxus zu glauben, den Mangel an Respekt gegenüber Schwarzen, Roma und anderen diskriminierten Menschen nicht thematisieren zu müssen.
Aber den meisten ÖsterreicherInnen sind Bezeichnungen doch egal, oder?
Wie wichtig Bezeichnungen sind, das hat Österreich selbst unter Beweis gestellt. Im Zuge des EU-Beitritts wurden im „Protokoll Nr. 10“ 23 „typisch österreichische“ Bezeichnungen unter Schutz gestellt, darunter auch die berühmten Erdäpfel. Die Regierung rühmte sich dann auch, dass Erdäpfelsalat Erdäpfelsalat bleibe. Wenn der Kampf um Gemüsebezeichnungen schon so wichtig genommen wird, wie wichtig ist dann erst der Kampf um Gruppenbezeichnungen, wo es wirklich um die Identität und Anerkennung von Menschen geht?
Welche Rolle spielt die Geschichte bei der Wahl und Wahrnehmung von Bezeichnungen?
Bei der Frage diskriminierender Speisenamen geht es um ein unterbelichtetes Stück österreichischer Geschichte. Noch im 18. Jahrhundert wurden in Österreich Schwarze Menschen als Sklaven gehandelt und wie solche behandelt. Der bekannte österreichische „Hofmohr“ Angelo Soliman war einer der wenigen, der sich ein freies Leben erkämpfen konnte, und wurde dann dennoch nach seinem Tod gehäutet, ausgestopft und wie ein Tier für 10 Jahre öffentlich zur Schau gestellt, so als hätte er nie unter Menschen gelebt und wäre nie ein Mensch gewesen. Diese geschichtlichen Tatsachen einfach beiseite zu schieben, ist respektlos. Niemand sollte sich zu gut dafür sein, andere Menschen mit dem nötigen Anstand zu behandeln. Schwarze Menschen, ebenso wie Roma und Sinti, kämpfen seit Jahrzehnten um ihre Anerkennung und müssen das nach wie vor tun. Ein kleiner, aber wichtiger Schritt wäre, dass man sich von beleidigenden Bezeichnungen verabschiedet, auch wenn dieser Abschied offenbar vielen schwer fällt.
Was ist das genaue Problem mit Begriffen wie "Mohr" oder "Zigeuner"?
Viele ÖsterreicherInnen verbinden nichts Negatives mit Begriffen wie „Mohr“ oder „Zigeuner“ oder „Indianer“. Allerdings sind alle diese Begriffe zu einer Zeit eingebürgert worden, als die Menschen, die mit diesen Begriffen bedacht wurden, nicht als vollwertige und manchmal sogar als gar keine Menschen anerkannt waren. Darüber hinaus handelt es sich um Bezeichnungen, die nicht von den betroffenen Menschen selbst gewählt wurden, sondern ihnen von anderen aufoktroyiert wurden – und zwar von Leuten, die sie ausgebeutet, diskriminiert, als Sklaven gehalten und teilweise sogar verfolgt und ermordet haben. Dennoch geht es uns bei unserer Kampagne nicht darum, anzuklagen, sondern wir wollen aufklären. Wir wollen auf die Geschichte und Gegenwart von Rassismus und Diskriminierung aufmerksam machen. Darüber hinaus wollen wir darauf hinweisen, dass die Frage der Bezeichnung eine ist, die vielen Menschen sehr wichtig ist und die mit Respekt und Anerkennung zutun hat.
Was sagt die Sprachwissenschaft dazu?
Die Sprachwissenschafterin Verena Krausneker hält fest: „Sprache ist weder bedeutungs- noch harmlos. Und sie war es auch damals nicht, als einer der Schritte im Prozess der Versklavung von Menschen war, ihnen ihre Namen zu nehmen und durch das N-Wort zu ersetzen. So wurden sie, die von dummen Augen als gleich aussehend wahrgenommen wurden, gleichgemacht, ihrer Individualität beraubt. Mit dem Namen stahlen die Versklaver den Versklavten die Identität – und stifteten eine lange Tradition im Geben von stigmatisierenden „Ersatznamen“. […] Besonders die Geschichte(n) von Begriffen für dunkelhäutige Menschen sind von Fremdzuschreibungen geprägt. Somit können sie nicht neutral sein, es nie gewesen sein.“
Was sagen prominente Schwarze AktivistInnen zu diesem Thema?
Simon Inou, Geschäftsführer von M-MEDIA und Träger des Bundes-Ehrenzeichens für sein Engagement im Bereich des Interkulturellen Dialogs: „Wörter wie „Mohr“ oder das „N-Wort“ sind für Schwarze im deutschsprachigen Raum eine der schwersten Beleidigungen. Wenn sie das einfach weiter verwenden, dann wiederholt das die Stereotype, die innerhalb der Gesellschaft schon präsent sind. Das ist wirklich schade.“
Noah Sow, deutsche Moderatorin, Autorin und Black Community Aktivistin: „Wir sind mit den vielfältigsten Rassismen aufgewachsen: Wir spielten im Kindergarten "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann", sangen "Zehn kleine Negerlein" und finden es normal, dass uns im Schuhgeschäft ein schwarzer Diener aus Porzellan begrüßt. Wenn wir gefragt werden, sind wir natürlich gegen Rassismus. Rassismus zu bekämpfen heißt jedoch, ihn zunächst zu verstehen. Dazu müssen wir lieb gewonnene Vorstellungen und "Gewissheiten" hinterfragen.“
Araba Evelyn Johnston-Arthur, Schwarze Aktivistin in Österreich und Kuratorin der Ausstellung „Verborgene Geschichte(n) - Remapping Mozart“, zum N-Wort: „Das N-Wort trägt eine Geschichte in sich, auch im deutschsprachigen Raum. Diese Geschichte ist eine Geschichte der Unterdrückung, die eingeschrieben ist in eine Geschichte der Versklavung und des Kolonialismus. Gerade in Österreich wird das noch immer sehr stark verharmlost – ich nenn das auch verherzigt. Das N-Wort stellt für uns ein Tabu dar. Wir wollen nicht, dass es weiter verwendet und reproduziert wird. Es geht dabei nicht um das Wort allein, sondern um die Geschichte, die hinter diesem Wort steckt und die Realität, die mit dessen Verwendung einhergeht. Es wird sich zwar nicht alles ändern, wenn wir das N-Wort nicht mehr aussprechen, aber es ist ein Schritt in Richtung weniger Rassismus.“
Wann ist eine Bezeichnung oder eine Abbildung diskriminierend?
Diskriminierend sind Gruppenbezeichnung, die von den betroffenen Menschen abgelehnt werden. Dazu gehören etwa das „N-Wort“ sowie die Bezeichnungen „Mohr“ und „Zigeuner“. Ebenfalls diskriminierend sind Abbildungen, die Menschen klischeehaft und herabwürdigend abbilden. Ähnlich wie antisemitische Gruppen diskriminierende Karikaturen von „jüdisch aussehenden“ Menschen produziert haben, wurden von rassistischen Gruppen und Kulturen diskriminierende Karikaturen von Schwarzen Menschen produziert. Diese Karikaturen haben im öffentlichen Raum nichts mehr verloren.
Warum ist „Mohr im Hemd“ ein Problem, aber „Wiener Schnitzel“ oder „Frankfurter Würstel“ nicht?
Es macht einen erheblichen Unterschied, ob Speisen nach Herkunftsorten benannt werden, wie dies zum Beispiel beim "Wiener Schnitzel" der Fall ist, oder ob Speisenamen Gruppenbezeichnungen beinhalten, die von Betroffenen als diskriminierend angesehen werden. Darüber hinaus unterscheidet sich das „Mohr im Hemd“ von anderen Speisen dadurch, dass es sich auf das Äußere von Menschen bezieht. Auf Wikipedia ist dazu nachzulesen: „Der Ausdruck im Hemd bezieht sich auf das (weiße) Schlagobers, das den Schokokuchen umhüllt, wird aber auch der vermeintlichen Nacktheit von Afrikanern zugeschrieben.“
Schwarze AktivistInnen kämpfen schon lange gegen die Bezeichnung "Mohr" und gegen die Verwendung des N-Wortes, und sie setzen sich auch schon lange gegen diskriminierende Abbildungen und Körperbezüge zur Wehr. Roma setzen sich schon Jahre gegen die Bezeichnung als "Zigeuner" ein. Das zu bedenken und zu akzeptieren gebietet der Respekt gegenüber Mitmenschen.
Handelt es sich bei Speisebezeichnungen nicht um Traditionen, die beibehalten werden sollten?
Es gibt im Bereich der Gastronomie eine Reihe an Traditionen, die es sich zu erhalten lohnt, aber es gibt auch Traditionen, die man auf dem Friedhof der Geschichte begraben sollte. Zu diesen begrabenswürdigen Traditionen gehören Speisebezeichnungen, die ungewollt Menschen herabwürdigen und beleidigen.
Gerade traditionsbewusste Menschen und Einrichtungen sollten sich nicht der Geschichte verschließen, die hinter Speise- und Getränkebezeichnungen sowie hinter Firmenlogos steckt. Wenn diese Geschichte eine des Ausschlusses, der Herabwürdigung und der Diskriminierung ist, dann sollte das zum Anlass genommen werden, um Bezeichnungen und Logos zu ändern. Traditionen der Diskriminierung sind keine, die in irgendeiner Form fortgeführt werden sollten.
Was sollen Leute tun, die „Mohr“ oder „Neger“ heißen?
Unsere Aufklärungskampagne wendet sich ausschließlich gegen diskriminierende Speise- und Getränkebezeichnungen sowie gegen rassistische Menschenabbildungen auf Logos. Niemand wird dazu aufgerufen, seinen oder ihren Nachnamen oder einen auf dem Nachnamen einer konkreten Person beruhenden Firmennamen zu ändern.
Wichtig ist die Geschichte, die hinter Bezeichnungen und Abbildungsweisen steht. Dabei geht es nicht nur um den Ursprung der Bezeichnung, sondern auch und vor allem um die Verwendungsgeschichte und um die Art und Weise wie diese Bezeichnungen und Abbildungen von den betroffenen Menschen, die um Anerkennung kämpfen und vielfach noch immer mit Diskriminierung konfrontiert sind, wahrgenommen werden.
Gibt es Lokale, die bereits andere Speisenamen verwenden?
Ja, es gibt eine Reihe an Gasthäusern und Restaurants, die keine diskriminierenden Speisenamen mehr verwenden und trotzdem ihr Speisesortiment beibehalten haben. Wir haben diesbezüglich mit einigen Lokalen Gespräche geführt und kein Lokal hat von Problemen oder Missverständnissen berichtet. Auch hier zeigt sich: Begriffe sind ersetzbar, die Menschenwürde ist es nicht.
Wir möchten noch einmal betonen, dass sich unsere Aufklärungskampagne nicht gegen die Gastwirtschaft wendet, sondern für eine Gastwirtschaft, die Diskriminierungsfreiheit zu ihrem Gütesiegel macht.
Geht es bei der Aufklärungskampagne um politische Korrektheit?
Nein, es geht um Respekt und um menschliche Korrektheit. Die Abschaffung diskriminierender Speisebezeichnungen und Logos soll Ausdruck eines neuen Bewusstseins sein und auch Ausdruck, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe, Religion, etc. gleichermaßen respektiert werden.
Existiert die Problematik auch in anderen Ländern?
Ja, die Debatte wird keineswegs nur in Österreich geführt: In Frankreich wurden bereits vor einigen Jahren Speisen umbenannt und Speisenamen, hinter denen eine Geschichte des Rassismus steht, weitgehend abgeschafft. Auch in Deutschland waren und sind Bezeichnungen und Logos ein Thema. So hat beispielsweise der Schokoladeerzeuger Sarotti im Jahr 2004 sein "Mohren"-Logo in ein Magier-Logo umgewandelt.
Was sollen Lokale tun, die diskriminierende Speisenamen auf ihrer Speisekarte stehen haben?
Schwarze Menschen, ebenso wie Roma und Sinti, kämpfen seit Jahrzehnten um ihre Anerkennung und müssen das nach wie vor tun. Ein kleiner, aber wichtiger Schritt wäre, dass man sich von beleidigenden Bezeichnungen verabschiedet. Daher wäre es wichtig und begrüßenswert, wenn alle Lokale sukzessive diskriminierende Bezeichnungen von ihren Speisekarten herunternehmen und durch andere, nicht diskriminierende Bezeichnungen ersetzen. Uns ist bewusst, dass nicht allen der Abschied von Gewohntem leicht fällt, aber keine Gewohnheit sollte uns wichtiger sein, als andere Menschen mit dem nötigen Anstand und Respekt zu behandeln.
Was sollen Speise- oder Getränkehersteller tun, die diskriminierende Produktnamen oder Produktlogos in Verwendung haben?
Auch hier ist eine Neuorientierung hoch an der Zeit. Klischeehafte Karikaturen von Schwarzen Menschen haben nichts mehr auf Produkt- und Firmenlogos verloren. Das gleiche gilt für diskriminierende Speisebezeichnungen. Eine Firma, die Menschen Respekt erweist, macht auch sich selbst respektabler.