
Studie: Österreich hinkt beim Zugang zum Wahlrecht hinterher
Demokratieexperten und Betroffene fordern das Ende des Ausschlusses von mehr als 1 Million Menschen von demokratischer Beteiligung. Die Demokratieforscher Prof. Rainer Bauböck und Gerd Valchars präsentierten auf einer Pressekonferenz von SOS Mitmensch Ergebnisse einer europäischen Wahlrechtsstudie, die Österreich ein schlechtes Demokratiezeugnis ausstellt. SOS Mitmensch kündigte an, als Zeichen für eine inklusive Demokratie am 24. September eine Nationalratswahl für NichtstaatsbürgerInnen abhalten zu wollen.
Pressekonferenz mit Schneider, Pollak, Bauböck, Valchars
Demokratiedefizit behindert Integration
„Die Anzahl der ausländischen Wohnbevölkerung in Österreich beträgt etwa 1 Million. 40 Prozent davon leben schon länger als 10 Jahre in Österreich; 15 Prozent sind in Österreich geboren. Österreich gehört zu den europäischen Staaten mit den höchsten Anteilen von Einwanderern an der Bevölkerung, aber zu den restriktivsten beim Zugang zu politischen Rechten und Staatsbürgerschaft. Daraus folgt, dass ein großer Teil der Gesellschaft zwar den Gesetzen unterworfen, aber von demokratischer Beteiligung ausgeschlossen ist. Ohne Behebung dieses Demokratiedefizits kann von Integration nicht ernsthaft gesprochen werden“, so Prof. Rainer Bauböck vom European University Institute.
Experte: Öffnung der Demokratie muss diskutiert werden
„Die Dynamisierung der Gesellschaft erfordert neue politische Antworten, auch in Bezug auf die Ausgestaltung der Demokratie. Neben der Schaffung eines realistischen Zugangs zur Einbürgerung, muss auch ernsthaft über die Öffnung der Demokratie für NIchtstaatsbürgerInnen diskutiert werden“, so Gerd Valchars von der Universität Wien.
Studie: Österreich hinkt bei Wahlrecht hinterher
Laut europäischer Wahlrechtsstudie gehört Österreich zu jener Minderheit von 12 europäischen Staaten, in denen das Wahlrecht strikt an die Staatsbürgerschaft gekoppelt ist. Ausländerwahlrechte sind in den meisten Staaten auf kommunale Wahlen beschränkt. Eine allgemeine Erweiterung auf regionale Wahlen gibt es in Dänemark, Großbritannien, Schweden, der Slowakei und Ungarn. Als Alternative zum Ausländerwahlrecht können Einwanderer über den Zugang zur Staatsbürgerschaft das Recht auf demokratische Beteiligung erhalten. Österreich gehört jedoch gemeinsam mit Dänemark, den baltischen Staaten, Bulgarien und Ungarn auch in dieser Hinsicht zu den restriktivsten in der EU. Die Benelux-Staaten, Finnland, Irland, Griechenland, Schweden und die Slowakei kombinieren relativ inklusive Staatsbürgerschaftsgesetze mit dem allgemeinen kommunalen Wahlrecht für Drittstaatsangehörige.
Betroffene: Nationalratswahl muss auch meine Wahl sein
„Seit 6 Jahren lebe ich in Österreich. Die österreichische Politik schafft die Rahmenbedingungen für mein Leben hier. Um mich hier politisch repräsentiert zu fühlen und um meine Umgebung demokratisch mitzugestalten, muss die Nationalratswahl auch meine Wahl sein“, so Sarah Schneider, die mit deutschem Pass in Österreich lebt.
Erste österreichische Pass egal Wahl
SOS Mitmensch sieht im Ausschluss eines signifikanten Teils der Wohnbevölkerung von Wahlen eine Einschränkung der Demokratie. „Die österreichische Politik betrifft alle, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, unabhängig vom Pass. Daher werden wir am 24. September die erste österreichische „Pass egal Wahl“ abhalten. Alle, die hier leben, aber keinen österreichischen Pass haben, können an der Wahl teilnehmen. Damit vervollständigen wir symbolisch die am 29. September stattfindende Nationalratswahl“, so Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch.
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