
PsychologInnen fordern Ende des Arbeitsverbots für Asylsuchende
PsychologInnen fordern ein Ende des de facto Arbeitsverbots für Asylsuchende. Auf einer Pressekonferenz der Plattform „Machen wir uns stark“ machten die PsychologInnen Klaus Ottomeyer und Lydia Krob auf die gravierenden psychischen Probleme, die das Nicht-Arbeiten-Dürfen für Asylsuchende mit sich bringt, aufmerksam. Sie schlossen sich der Forderung der Plattform an, wonach Asylsuchende spätestens 6 Monate nach Asylantragstellung den vollen Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten sollen.
Auswirkungen auf die Psyche
Aktuell sind Asylsuchende in Österreich, mit wenigen Ausnahmen, während der oft jahrelang dauernden Asylverfahren per Gesetz zur Arbeitslosigkeit verurteilt. Für AsylantragstellerInnen bedeutet die restriktive Gesetzgebung eine Verschärfung von Armut und gesellschaftlichem Ausschluss. Die dadurch verursachte Langzeitarbeitslosigkeit führt zu Dequalifizierung und bringt massive Erschwernisse für die Integration in den österreichischen Arbeitsmarkt mit sich. Spätestens seit der berühmten Studie über die Arbeitslosen von Marienthal ist bekannt, dass erzwungenes Nichtstun zu Motivationslosigkeit und Apathie führt. Arbeitslosigkeit fördert Gefühle von Wertlosigkeit, Selbstunsicherheit und Depression.
Von diesem auszehrenden Warten auf die Erlaubnis arbeiten zu dürfen ist auch Ibrahim Bah betroffen, der auf seiner Flucht aus Sierra Leone vor 14 Jahren in Österreich gelandet ist – und noch immer warten muss: „Jeder Tag dasselbe: ich stehe auf in der Früh und weiß nicht was ich machen soll. Ich bin Tischler, ich habe das in meiner Heimat gelernt. Mir fehlt meine Arbeit sehr. Ohne Arbeit fühle ich mich wertlos, unnütz, depressiv.“
Es geht um Identität und Würde
Die Problematik des weitgehenden Arbeitsverbotes wird intensiv von PsychologInnen beobachtet. Prof. Klaus Ottomeyer verweist auf die Bedeutung von Arbeit für die Identität und Würde eines Menschen. Menschen, die von Erwerbsarbeit ausgeschlossen sind, wird ein wesentlicher Aspekt von Anerkennung und Selbstrespekt vorenthalten. In seinem 2011 erschienen Buch ‚Die Behandlung der Opfer’ beschreibt Ottomeyer die schwerwiegenden psychologischen Folgen der aktuellen Flüchtlingspolitik. Das verordnete Nichtstun fördert die Retraumatisierung von bereits traumatisierten Flüchtlingen. „Für eine erfolgreiche Psychotherapie von traumatisierten Flüchtlingen ist es nötig Sicherheit, Struktur, und Regelmäßigkeit in den Alltag der PatientInnen zu bringen“, so Ottomeyer: „Die erzwungene Arbeitslosigkeit macht das fast unmöglich und bringt darüber hinaus gehende psychologische Belastungen mit sich.“
Grundlagen für eigenverantwortliche Lebensgestaltung fehlen
Lydia Krob arbeitet als Psychologin im Wiener Integrationshaus und weiß aus langjähriger Erfahrung, dass die in Studien zu Langzeitarbeitslosigkeit beschriebenen psychischen und physischen Reaktionen, bei AsylwerberInnen gehäuft auftreten: „Erwerbstätigkeit bedeutet eine klare Tagesstruktur, stärkt den Selbstwert und ermöglicht, eine eigenverantwortliche Lebensgestaltung. Alles Dinge die für die psychische und physische Gesundheit wichtig sind. Die erzwungene Arbeitslosigkeit während des Asylverfahrens führt zu Resignation und sozialem Rückzug, sowie zu deutlichen gesundheitlichen Problemen, wie z.B.: schweren Depressionen.“ Krob betont wie unsinnig es ist, erwachsene Menschen, der für sich selbst sorgen könnten, über viele Jahre zu AlmosenempfängerInnen zu machen.
Zugang zu Arbeit ist Menschenrecht
Die Journalistin und Schriftstellerin Susanne Scholl betont, dass es sich bei der Arbeitsfrage um eine Menschenrechtsfrage handelt: „Das Recht auf Arbeit ist ein grundsätzliches Menschenrecht, dem eine Demokratie wie Österreich verpflichtet ist. Die Verweigerung des Zuganges zu Arbeit stellt dementsprechend eine Verletzung der Menschenrechte dar. Menschen, die ihr Land verlassen mussten, von diesem Recht auszuschließen ist allerdings besonders niederträchtig!
Arbeitserlaubnis ist Baustein für den Abbau von Problemen
„Die Arbeitserlaubnis für Asylsuchende würde nicht nur den Betroffenen helfen, auf eigenen Beinen zu stehen und ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Es würde auch insgesamt zu einer Entlastung des Sozialstaats führen. Derzeit produzieren wir mit dem Arbeitsverbot ja künstlich Langzeitarbeitslose. Die Öffnung des Zugangs zum Arbeitsmarkt würde darüber hinaus die Quartiersituation entspannen, weil Asylsuchende, die eine Arbeit haben und selbsterhaltungsfähig sind, die organisierten Quartiere verlassen könnten. Es gäbe in den Quartieren bald freie Plätze, die nachbesetzt werden könnten“, so Alexander Pollak, Sprecher von SOS Mitmensch.
Die Plattform „Machen wir uns stark“ wird von Integrationshaus, SOS Mitmensch und M-Media getragen und von mehr als 160 Organisationen unterstützt. Die Petition der Plattform wurde mittlerweile von 8500 Menschen unterzeichnet und kann weiterhin unterstützt werden: Machen wir uns stark!