
Protest gegen Hetzartikel in der Kronenzeitung über "tobsüchtige Türkin"
SOS Mitmensch protestiert gegen einen in der Kronenzeitung veröffentlichten Hetzartikel über eine "tobsüchtige Türkin", die in die „Vorbereitungen für ein Krippenspiel geplatzt“ sei. Der Artikel ist nicht nur in hetzerischem Tonfall verfasst, er enthält auch eine Reihe an Auslassungen und Falschinformationen. Die Menschenrechtsorganisation fordert eine redaktionelle Richtigstellung und eine Entschuldigung.
Am 16. Dezember berichtete die Krone über eine „tobsüchtige Türkin“ die in einer Schule in die „Vorbereitungen für ein Krippenspiel geplatzt“ sei. Sie habe „plötzlich wie am Spieß zu schreien angefangen“. Kurz darauf hätten „auch ihre Tochter und ihr Mann...in das Geheul eingestimmt“. Die „verschleierte Frau“ habe sich nicht beruhigen lassen. Erst ein „hünenhafter“ Polizist und zwei weitere „mit gezücktem Pfefferspray“ hätten „das Trio zur Räson bringen können“, so die Krone.
Was aber ist wirklich passiert? Das schildert die von der Berichterstattung der Krone bestürzte Schuldirektorin in einem Brief an alle Eltern der Schule. Mit ihrem Einverständnis veröffentlichen wir hier einige ihrer Zeilen: „Wie wohl die meisten von Ihnen wissen, ist der Vater von L. vor einigen Wochen vom Kran gestürzt und tödlich verletzt worden. Die Familie musste also erst vor kurzer Zeit einen schweren Verlust verkraften. Die Oma von L., also die Frau, die am Samstag mit der Rettung weggebracht werden musste, leidet immer noch unter diesem Trauma. Ein Kind zu verlieren ist nicht einfach zu verkraften. Am Samstag ist sie mit ihrer Schwiegertochter (der Mutter von L.) in die Schule gekommen, um ihren Enkel beim Krippenspiel zu sehen. Leider ist in dem Moment, als sie die erste Klasse betreten wollten, die Lehrerin der Klasse kollabiert. Das dürfte in der Oma von L. einen derartigen Schock ausgelöst haben, dass sie einen kompletten Nervenzusammenbruch hatte. Weder war die Frau also „eine verschleierte Türkin“, sondern die Großmutter von L., noch ist sie in die Vorbereitungen geplatzt, sondern wie alle anderen Eltern und Großeltern in die Schule gekommen. Auch hat ihre Tochter nicht in irgendein „Geheul“ eingestimmt, denn diese war gar nicht vor Ort. Die unrichtigen Angaben, die im Artikel über die Polizei gemacht worden sind, möchte ich nicht kommentieren.“
Fazit: Offenbar ist bei einigen Medienleuten jeder Anlass willkommen, um Stimmung gegen hier lebende Menschen allein aufgrund ihrer Herkunft zu machen. Dem können wir Aufklärung entgegensetzen - und das Bewusstsein, dass die Inhalte einiger Medien mit sehr großer Vorsicht zu genießen sind.
Update: Unser Protest gegen den Hetzartikel der Kronenzeitung ist auch an der Redaktion der Krone nicht ganz spurlos vorüber gegangen. Sie haben heute einen "Nachbericht" gebracht, der auf den tragischen Hintergrund des Nervenzusammenbruchs der Frau in der Schule verweist - eine Information, die im ursprünglichen Artikel komplett weggelassen wurde. Doch leider hat es die Krone nicht geschafft, Worte wie "Wir bedauern..." oder "Wir möchten uns entschuldigen..." zu schreiben. Sie hat es auch nicht geschafft, einzugestehen, dass der Erstbericht niemals hätte erscheinen dürfen, nicht nur weil er fehlerhaft war, sondern weil es sich schlicht um eine Nichtnachricht gehandelt hat. Dass jemand einen Nervenzusammenbruch erleidet, ist traurig, aber keine Nachricht, die in einer Zeitung verarbeitet werden muss. Und dass der betreffende Krone-Redakteur diese Nichtnachricht noch dazu genutzt hat, um Stimmung gegen Menschen aufgrund ihrer Herkunft zu machen, ist und bleibt zutiefst schäbig. Eine Entschuldigung dafür ist nach wie vor ausständig. Wir rufen alle JournalistInnen dazu auf, sich nicht dazu hinreissen zu lassen Stimmung gegen Mitmenschen zu machen - aus Journalismus darf niemals Hetze werden! Wir werden unsere Aufklärungs- und Bewusstseinsarbeit fortsetzen.
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