
Wird die Kriminalstatistik in Österreich verfälscht?
Die FPÖ erhob kürzlich in einer Aussendung schwere Vorwürfe gegen das Bundeskriminalamt. Dieses habe der Öffentlichkeit eine "verfälschte" Kriminalstatistik für das Jahr 2014 präsentiert. In Wahrheit sei die Kriminalität im vergangenen Jahr gar nicht gesunken. SOS Mitmensch hat beim Bundeskriminalamt nachgefragt, was an den Vorwürfen der FPÖ dran ist.
Mitte März gelangte eine positive Nachricht an die Öffentlichkeit: die Kriminalität sei in Österreich im Jahr 2014 laut Anzeigenstatistik um 3,4 Prozent gesunken - und das trotz deutlichem Bevölkerungsanstieg. Besonders stark zurückgegangen seien die Gewaltdelikte, bei den Einbrüchen sei es hingegen zu einem Anstieg gekommen, so das Bundeskriminalamt (BKA). Diese insgesamt positive Kriminalitätsentwicklung wurde jedoch nicht von allen Seiten positiv aufgenommen. Für die FPÖ ist klar, dass die Kriminalität nicht gesunken sein kann.
Verfälschte Statistik?
"Die Kriminalität soll im Vorjahr gesunken sein. Das behaupten zumindest die Ersteller der Statistiken. Es wird der Bevölkerung jedoch verschwiegen, dass beispielsweise eine Einbruchserie in der Statistik als ein Delikt dargestellt wird und die Wahrnehmung der Menschen, die eine zunehmende Kriminalität registrieren, daher keine Fata Morgana ist, sondern zutrifft", übte etwa der FPÖ-Landtagsabgeordnete Christoph Staudacher in einer Aussendung scharfe Kritik an der seiner Ansicht nach "verfälschten" Kriminalstatistik. SOS Mitmensch wollte wissen: Hat er Recht? Werden Einbruchsserien in der Statistik tatsächlich nur als ein einziges Delikt dargestellt? Ist die Statistik verfälscht?
Seit 2001 einheitliche Anzeigenerfassung
Wir wandten uns an das BKA und erhielten folgende Auskunft: Seit 2001 werden alle angezeigten Fälle nach einer einheitlichen Vorgehensweise in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) elektronisch registriert. Jede den Sicherheitsbehörden bekanntgewordene gerichtlich strafbare Handlung muss erfasst werden. Die PKS ist eine Anzeigenstatistik, Anklageerhebungen und der Ausgang der Gerichtsverfahren werden nicht erfasst. In den vergangenen Jahren habe es keine Systemänderung bei der Erstellung der Kriminalstatistik gegeben, daher seien die Zahlen der vergangenen Jahre gut miteinander vergleichbar, so das BKA.
Wie werden Delikte gezählt?
Darüber hinaus widerspricht das Bundeskriminalamt auch der FPÖ-Behauptung, wonach Seriendelikte generell als nur ein Delikt gezählt werden. Hier einige Zählbeispiele, die uns das BKA übermittelt hat:
Beispiele für die Mehrfacherfassung von Delikten:
- Wenn in ein Mehrfamilienhaus zehn Einbrüche in zehn verschiedene Kellerabteile verübt werden, dann handelt es sich um zehn Fälle.
- Wenn ein Reifenstecher einen oder mehrere Reifen an zwölf Fahrzeugen beschädigt, dann handelt es sich um zwölf Fälle.- Werden 25 Gelddiebstähle aus einer Schulgarderobe mit 25 verschiedenen Geschädigten angezeigt, dann handelt es sich um 25 Fälle.
Beispiele für die Einzelerfassung trotz mehrmaliger Begehung:
- Wenn zehn Gelddiebstähle aus einer Handkassa, begangen durch einen Angestellten der Firma, angezeigt werden, dann handelt es sich um einen Fall.
- Kommt es zu einer mehrmaligen Abhebung mit ein- und derselben gestohlenen Bankomatkarte, dann handelt es sich um einen Fall.
Beispiel für die Erfassung mehrerer Delikte:
- Wenn es zu einem Lokaleinbruch mit anschließender Brandstiftung zum Verwischen der Spuren kommt, handelt es sich um zwei Fälle: Einbruchsdiebstahl und Brandstiftung.
Beispiele für die Erfassung einer Straftat, die von mehreren Tatverdächtigen begangen wurde:
- Wird ein Bankraub durch drei Täter begangen, so ist ein Fall des Raubes mit allen drei Tatverdächtigen zu melden.
- Wird ein Auto durch eine organisierte Bande gestohlen, so bleibt es bei einem KFZ-Diebstahl durch mehrere Täter.
Fazit: Laut Auskunft des Bundeskriminalamts sind die Vorwürfe der FPÖ falsch. Die Vorgaben für die Zählung von Delikten sind seit Jahren unverändert. Die Kriminalstatistik für 2014 ist somit gut mit den Kriminalstatistiken der Jahre zuvor vergleichbar. Seriendelikte werden in der Regel auch mehrfach in die Statistik aufgenommen. Daher können wir uns zwar nicht darüber freuen, dass es nach wie vor Kriminalität in Österreich gibt und Menschen dadurch geschädigt werden, aber über eine insgesamt gesunkene Anzeigenstatistik im Jahr 2014 können wir uns sehr wohl ein wenig freuen.
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