Stützen der Gesellschaft – Alzaidi Khulood, Post-Bedienstete: „Ich gebe etwas an die Gesellschaft zurück, und zwar nicht nur Steuern“
Alzaidi Khulood (44) floh gemeinsam mit ihrer Schwester nach Österreich. In Villach fand sie ein neues Zuhause und einen Job im Logistikzentrum der Post. Nach ihrem Master-Abschluss an der FH will sie nun im Management Fuß fassen. Ihr nächstes Ziel ist die österreichische Staatsbürgerschaft.
Redaktion, Fotos: Sonja Kittel
Alzaidi Khulood: „Mein Leben war in Gefahr“
„Ich bin 44 Jahre alt und komme aus dem Irak. Dort habe ich einen Bachelor für Englische Linguistik abgeschlossen und dann als Dolmetscherin für Englisch und Arabisch gearbeitet. Ich habe auch Berufserfahrung bei verschiedenen NGOs gesammelt und mich dabei für Frauenrechte eingesetzt. Aufgrund meines Aktivismus war mein Leben in Gefahr und 2005 musste ich nach Jordanien fliehen. Weil es auch dort keine Zukunftsperspektive für mich gab, floh ich 2015 gemeinsam mit meiner Schwester weiter nach Europa.
„Sie sagten mir, dass ich unbedingt studieren sollte“
Nach einer zweiwöchigen Flucht sind wir in Klagenfurt angekommen und wurden nach unserem Asylantrag in die Flüchtlingsunterkunft Wolfsberg gebracht. Wir bekamen erst subsidiären Schutz und 2019 dann unseren positiven Asylbescheid. Mein Traum war es immer, im internationalen Management zu arbeiten und ich stieß auf das Programm „Open Class for Refugees“ an der FH Villach. Ich bewarb mich, wurde aufgenommen und konnte dann für drei Monate zweimal pro Woche an Vorlesungen aus dem Management-Bereich teilnehmen. Nebenbei machte ich Deutschkurse und bekam Unterstützung bei der Zukunftsplanung. Sie sagten mir, dass ich unbedingt studieren sollte.
„Möchte irgendwann im Management Fuß fassen“
Mein Bachelor aus dem Irak wurde zwar anerkannt, aber ich dachte mir, während ich Deutsch lerne, kann ich gleich noch einen weiteren Bachelor machen. Ich schloss diesen an der FH Villach in internationalem Management ab. Im Anschluss machte ich gleich den Master an der Alpen-Adria Universität Klagenfurt. Ich denke ich bin sehr gut qualifiziert mit zwei Bachelor-Abschlüssen, einem Master-Abschluss, sehr guten Sprachkenntnissen in Deutsch, Englisch, Französisch und Arabisch und Berufserfahrung im Irak. Dennoch war es für mich sehr schwierig eine Arbeit zu finden. Über eine Freundin kam ich zu dem Job im Logistikzentrum der Post in Villach, wo täglich zigtausende Briefe und Pakete verteilt werden. Dreißig Stunden pro Woche arbeite ich hier an der Sortiermaschine. Ich bin sehr froh über diese Möglichkeit und arbeite gerne hier, dennoch möchte ich irgendwann im Management Fuß fassen. Mein nächstes großes Ziel ist die österreichische Staatsbürgerschaft und dafür muss ich drei Jahre Vollzeit gearbeitet haben.
„Kultur mit anderen teilen“
Anderen Menschen, die nach Österreich geflohen sind, kann ich nur raten, die Sprache und die Kultur kennenzulernen und zu versuchen, Arbeit zu finden. Man kann nicht nur zuhause rumsitzen und nichts tun. Man muss versuchen, auch etwas an die Gesellschaft zurückzugeben, und zwar nicht nur Steuern. Wir haben unsere eigene Kultur, Sprache und eigene Gedanken, die wir mit anderen Menschen teilen können. Davon profitieren alle.“
Sie mussten aus ihrem Heimatland fliehen und fast alles zurücklassen. Jetzt arbeiten sie in Österreich in einem systemrelevanten Beruf und zählen zu den Stützen der österreichischen Gesellschaft. In der 11-teiligen Porträtreihe „Stützen der Gesellschaft“ erzählen geflüchtete Menschen, wie sie unter oft sehr schwierigen Bedingungen einen Neuanfang geschafft haben, und welche Wünsche und Ratschläge sie haben. Wenn Sie Geflüchtete unterstützen wollen, finden Sie hier Infos und Kontakte. Alle bereits veröffentlichten Porträts der aktuellen Reihe sowie unsere Porträtreihen der letzten Jahre sind hier nachzuschauen: www.hierangekommen.at
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