In schlechter Begleitung
Die österreichische Politik kümmert sich unzureichend um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Das bringt Ärger in den Gemeinden.
Kommentar: Lukas Gahleitner-Gertz.
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Große Aufregung im Boulevard-Blätterwald zu Weihnachten: Jugendliche Geflüchtete haben in einer Unterkunft mehrfach einen Feuer-Fehlalarm ausgelöst. Einige Male musste daher die Freiwillige Feuerwehr Steyregg umsonst ausrücken. Als dann doch ein Müllcontainer vor dem Haus brannte, haben einige Jugendliche die anrückende Feuerwehr behindert, einige Feuerwehrfrauen fühlten sich aufgrund des Verhaltens der Jugendlichen unwohl. In der Presseaussendung der Feuerwehr war der Unmut greifbar. Die Krone titelte „Unfassbar!“, die Volksseele kochte. Rufe nach Abschiebung wurden laut.
Was dahintersteckt
So wenig überraschend wie der verständliche Unmut der Feuerwehr, ist der Umstand, dass es zu derartigen Vorfällen in der Unterbringung im Asylbereich kommt. 120 unbegleitete geflüchtete Kinder und Jugendliche in einem abgewohnten Hotel im Gewerbegebiet eines 5.000 Seelen-Ortes. Weihnachtsfeiertage, seit Monaten keine Antwort von den Asylbehörden. Langeweile. Betreuungspersonal: nur zwei Personen. Es wundert, dass nicht mehr passiert.
It’s a feature, not a bug.
Die Jugendlichen sollten eigentlich gar nicht mehr in dem Großlager sein: Nach abgeschlossener Prüfung, ob Österreich für das Verfahren zuständig ist, sollten die Bundesländer nämlich die Jugendlichen in kleinteilige Betreuungseinrichtungen in die Landesgrundversorgung übernehmen. Allein: Diese kleinteiligen Einrichtungen gibt es nicht. Grund: Während für österreichische Kinder, die von der Kinder- und Jugendhilfe fremdbetreut werden, pro Tag über 200 Euro veranschlagt werden, gibt es für unbegleitete minderjährige Jugendliche seit 2016 höchstens 95 Euro. Eine kinderadäquate Unterbringung können Trägerorganisationen wie tralalobe oder SOS Kinderdorf um dieses Geld nicht bieten und müssen sogar eigenes Geld zuschießen. Plätze werden ab-, statt aufgebaut. Die Kinder bleiben in den Großlagern.
Niemand zuständig
Die eigentlich nicht zuständige Bundesbetreuungsagentur bemüht sich. Kinderadäquat sind die Einrichtungen dennoch bei weitem nicht. Es fehlt Geld und Personal. Verwahrung statt Betreuung ist die Regel. Jemanden dafür haftbar zu machen ist schwierig: Obsorge ist Ländersache. Die zuständigen Behörden weigern sich aber, die gerichtliche Übertragung der Obsorgepflicht zu beantragen. Auch diesen fehlt Personal und Geld, eine zusätzliche Aufgabe ist schwer stemmbar.
Diese unbegleiteten Kinder aus Syrien und Afghanistan werden zum überwiegenden Teil hierbleiben. Es ist allerhöchste Zeit, dass Österreich die verantwortungsvolle Begleitung übernimmt. Es ist eine Investition in die Zukunft. Außer für jene, die mehr Interesse an Problemen als an Lösungen haben.
Lukas Gahleitner-Gertz ist Asylrechtsexperte und Sprecher der NGO asylkoordination österreich.
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