Neues aus der Parallelgesellschaft
Österreichische Muslime werden oft als religiöse Fanatiker oder als Parallelgesellschafter portraitiert, den Durchschnitt sucht man vergeblich. Ein persönlicher und humorvoller Blick auf den Alltag einer wienerisch-muslimischen Suderantin. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kolumne: Nour El-Houda Khelifi
Meine Mutter, Schwester und ich hatten einen schönen Kurztrip in München und sind wieder auf dem Rückweg nachhause, nach Wien. Der Münchner Flughafen erscheint mir wie eine Ministadt, unzählige Eingänge, Rolltreppen und Gates. Zum ersten Mal in meinem Leben komme ich auch mit einem Bodyscanner in Berührung. Ich kannte diese monströsen Geräte nur aus den Medien. Ich bin aufgeregt und beobachte die Leute vor mir genau, wie sich hinstellen und anstellen. Ich möchte die Prozedur schließlich schnell über mich ergehen lassen, denn wenn es etwas gibt, was ich hasse, dann sind das definitiv Kontrollen am Flughafen. Selbst wenn ich nach dem Durchgehen durch den Metalldetektor gehe, nichts piept oder aufleuchtet, werde ich beiseite genommen und von oben nach unten abgetastet. Sicherheit ist ja schön und gut, wäre vielleicht toll wenn man mich zuerst grüßen und dann aufklären würde, was jetzt vorgenommen wird, anstatt wortlos mein Kopftuch zu befingern und dann meine Fettröllchen abzuklopfen. Aber zurück zum Bodyscanner in München. Ich bin jetzt endlich dran und muss mich auf die markierte Stelle mit komisch angewinkelten Armen hinstellen. Es hat schon bei den Fluggästen vor mir lächerlich ausgesehen, ich weiß, wie lächerlich ich gerade aussehe. Ich hab´s geschafft, ich bin sauber, ich werde nicht als Terroristin deklariert. Wir legen einen halben Marathon hin auf dem Weg zu unserem Gate, machen es uns auf den Sitzmöglichkeiten bequem. Ich spiele auf meinem Handy rum, versuche die Zeit bis zum Boarding zu vertreiben. Aus dem Augenwinkel heraus sehe ich drei Beamte, auf ihrem T-Shirt steht fett „Zoll“ geschrieben, die Waffe an der Hüfte. „Wär ja richtig witzig jetzt, wenn die mich kontrollieren würden, weil ich ein Kopftuch trage.“, denke ich, lache in mich hinein und widme mich wieder meinem Sudoku.
Bayrische Mikroagression
Plötzlich stehen zwei Gestalten vor, ich gucke hoch, es sind die Freunde und Helfer in Grün. „Das hast du von deiner verdammten Schwarzmalerei, Nour“, schießt es mir durch den Kopf, während der Zollbeamte, der ungefähr in meinem Alter ist, mich auf Bayrisch anspricht. „Ja, Grüß Gott, Passkontrolle bitte.“ Ich reiche ihm wortlos den Pass, versuche zu verstehen, was hier grade los ist. Er fragt mich, von wo ich komme. Timbuktu wird’s nicht sein, wenn auf dem roten Pass der Adler zu sehen ist, will ich am liebsten antworten. Ich bleibe zivilisiert und antworte „Österreich“. Er fragt erneut, von wo ich komme, diesmal antworte ich etwas genervter: Wien, in München gewesen, wieder Wien. Durch all die Security-Checks durchgegangen, um am Gate wieder kontrolliert zu werden? Diesen Menschen möchte ich gerne kennenlernen, der sich an all den Kontrollen durchschmuggeln kann, um an irgendeinem Gate zu chillen. Mister Zoll reicht mir meinen Pass wieder und geht. Kein Danke, kein auf Wiedersehen. Ich verstehe jetzt, warum der Rest von Deutschland Bayern nicht mehr haben möchte. Einen Augenblick später sucht er sich seine nächsten Opfer aus, eine Gruppe jugendlicher Touristen aus dem asiatischen Raum, welche ihn aber nicht verstehen können. Er nimmt sie mit, um sie abseits in einem Kontrollraum zu befragen oder was auch immer. Ich bin noch immer geschockt, Mama und meine Schwester ebenso. Von allen anwesenden Fluggästen wurden genau die „zufällig“ kontrolliert, die nicht dem Ideal der Mehrheitsgesellschaft entsprachen. Das regt mich noch während des Fluges auf. Sogar jetzt beim Tippen dieser Zeilen brodelt es in mir. Weil ich in dieser Situation damals zu perplex war, um diese Mikroagression seitens des Beamten zu erkennen, nachzufragen, warum ich kontrolliert werde, warum die Asiaten kontrolliert wurden. Kontrollen sind legitim, aber wenn sie auf optischen Merkmalen basieren und keinem tatsächlichen Tatbestand, dann ist das alles andere als berechtigt. Sowas nennt sich dann Racial Profiling. Abgesehen davon ist München ganz schön. Wie Wien. Schöne Städte, mit einigen gewöhnungsbedürftigen Menschen.
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