Neues aus der Parallelgesellschaft
Österreichische Muslime werden oft als religiöse Fanatiker oder als Parallelgesellschafter portraitiert, den Durchschnitt sucht man vergeblich. Ein persönlicher und humorvoller Blick auf den Alltag einer wienerisch-muslimischen Suderantin. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Text: Nour El-Houda Khelifi
Festtage sind eigentlich etwas schönes, markieren das Ende einer besinnlichen und reflektierenden Zeit, bringen Freund*innen und Familie zusammen. Man mag es kaum glauben, aber auch muslimische Menschen in Österreich feiern. Auch wenn es weit weniger Feiertage sind, sind die Anlässe trotzdem schön und vor allem für Kinder eine Riesenfreude, weil Süßigkeiten und Geschenke ohne Ende. Doch gerade als marginalisierte Gruppe in Österreich, wo der Islam besonders seit der Ära Kurz politisiert wird, haben islamische Festtage einen bitteren Nachgeschmack. Auch andere konfessionelle Feiertage wie die der serbisch-orthodoxen, der alevitischen oder hinduistischen Communities fallen in diese Kategorie. Schülerinnen und Schüler, die diesen Konfessionen angehören, müssen in Österreich laut Bildungsministerium an der Schule einen Antrag stellen, um gegebenenfalls für die religiösen Feiertage freigestellt zu werden. Geprüft wird, ob das Fernbleiben der jeweiligen Schüler*innen pädagogisch vertretbar ist. Festtage sind aber nicht dafür da, dass man sich damit rumstressen muss, ob man nun feiern darf oder nicht. Dass diese Macht- und Deutungshoheit überhaupt geschaffen wurde, ist ein Skandal. Ja, wir leben in einem Land, in dem die Mehrheit christlich ist und demnach die gesetzlichen Feiertage auch so ausgelegt sind. Dennoch ist die Schule ein prägender Ort, an dem Jugendliche einen Großteil ihres Lebens verbringen. Deswegen sollten insbesondere die Direktion und die Lehrer*innen darauf achten, dass abseits einer repressiven und ausgrenzenden Politik eine Atmosphäre an der Schule geschaffen wird, wo sich alle Schüler*innen angenommen fühlen.
Diversität – selbstverständlich?
Nicht nur in meiner Schulzeit, bis heute müssen Schüler*innen einen Antrag auf Freistellung stellen. Auch dieses Jahr gab es wieder Probleme an einigen Schulen Wiens, weil Schülerinnen und Schüler entweder auf den Antrag vergessen oder deren Lehrerinnen und Lehrer nicht-christliche Festtage auch als selbstverständlich ansehen, die jeweiligen Direktionen aber nicht. Einige Direktionen drohen sogar mit der Abmeldung von Schüler*innen oder mit einer polizeilichen Anzeige, weil sich Fehlstunden mit dem Fernbleiben des Unterrichts ansammeln. Aus einem schönen Feiertag wird so ganz schnell eine Katastrophe. Auch wenn es Regelungen vom Bundesministerium gibt, können Schulen entschieden dagegen auftreten und ein Exempel statuieren. Ein Symbol des Zusammenhalts wäre, dass Kinder die ein, zwei Tage ruhig mit ihren Familien verbringen können, den Klassen so beibringen, dass authentisch gelebte Vielfalt in unserer Gesellschaft als Normalität angesehen wird. Das soll kein Aufruf zum zivilen Ungehorsam werden, aber nicht alle Regelungen sind richtig. Insbesondere, wenn nur bestimmte Gruppen kontrolliert werden sollen. Als Schülerin habe ich mich nicht normal gefühlt, wenn ich für einen Tag extra ein Ansuchen an meinen Klassenvorstand abgeben musste. Ich hätte mir schon damals mehr Verständnis gewünscht. Heutzutage kann ich sagen, dass dieses Bewusstsein für die interkulturellen und interreligiösen Klassen schon im Studium geschaffen werden muss. Das Lehramtsstudium gehört reformiert und zwar vorgestern. Besonders mit dem Zuwachs an geflüchteten Kindern braucht es kompetente Menschen an den Schulen, für die Diversität kein Schlag ins Gesicht ist.
Unterstützen Sie jetzt unabhängigen Menschenrechtsjournalismus mit einem MO-Magazin-Solidaritäts-Abo