Qadir Anwari: „Ich möchte immer Menschen helfen, das kann ich auch als Kellner gut“
Wer sind die Menschen, die nach Österreich geflüchtet sind und sich hier ein neues Leben, fernab von Krieg und Verfolgung aufbauen? Immer mehr von ihnen schaffen es, in Österreich Fuß zu fassen. Viele haben inzwischen einen Job gefunden. Um diesen Menschen eine Stimme und ein Gesicht zu geben, haben wir Gespräche mit Geflüchteten aus Syrien und Afghanistan geführt. Wir stellen sie in der Reihe „Ich lebe und arbeite in Österreich“ vor. Heute: Qadir Anwari, 23 Jahre, österreichischer Pass.
„Seit dem Jahr 2010 bin ich in Österreich“, erzählt Qadir Anwari, er war gerade mal 15 Jahre alt als er hier ankam. Nach einem Monat erhielt er als unbegleiteter jugendlicher Flüchtling subsidiären Schutz.
Nach drei Jahren folgte die EU-Niederlassungsbewilligung. „Letztes Jahr hab ich die Staatsbürgerschaft bekommen“, erzählt der 23jährige lächelnd. Dass alles so rasch ging, hängt, wie Qadir Anwari meint, damit zusammen, dass die Leute, mit denen er auf den Ämtern zu tun hatte, „oft sehr nett waren und mich unterstützen wollten.“ Er hat aber auch die andere Seite kennengelernt.
Im Café Eiles, wo er die Lehre zum Kellner absolviert hat und wo er heute auch arbeitet, finden sich immer wieder fremdenfeindliche Schmierereien auf der Toilette. „Es ist leider immer wieder sehr hässlich. Da steht dann etwa hinegschrieben ‚Wir müssen die Muslime schlachten‘. Diese Grauslichkeiten müssen wir dann auch natürlich immer wieder entfernen. Ein paar Mal klebten an der Hausmauer des Cafés auch antimuslimische Sticker: ‚Menschen mit Kopftuch dürfen hier nicht hinein.‘ Wir haben das gleich runtergenommen.“
Kellner statt Schlosser
Qadir Anwaris Flucht führte ihn über den Iran, die Türkei, Griechenland nach Europa. Insgesamt war er fast acht Monate unterwegs, um hier anzukommen. Zu der Lehre und Arbeit im Café Eiles kam er nachdem er die Hauptschule abgeschlossen hatte.
Ein Ausflug mit anderen Geflüchteten, die wie er im Flüchtlingsheim der Diakonie in Mödling lebten, brachte ihn nach Gloggnitz, wo er Michaela Klein von Almdudler kennenlernte. Man kam ins Gespräch und Frau Klein fragte Qadir Anwari was er denn so tue. Er erzählte ihr von seinem Hauptschulabschluss und dass er auf der Suche nach einer Lehre sei.
Die Bekanntschaft der Almdudler-Miteigentümerin mit Gerd Kunze, dem Chef des Café Eiles, führte dazu, dass an die Diakonie die Info zur Möglichkeit für eine Lehre weitergegeben wurde. „Ich bin dann zum Vorstellungsgespräch hergekommen und das verlief so gut, dass mein Chef sagte: ‚Du kannst morgen anfangen.‘“
Die Gastronomie war nicht von Beginn an seine bevorzugte Branche: „Ich wäre eigentlich gerne Schlosser geworden, aber nach einem Praktikum hab ich gemerkt, dass das nichts für mich ist. So kam die Möglichkeit hier Kellner zu lernen gerade recht.“
Arbeit mit Menschen
Bei der Arbeit viel mit Menschen zu tun zu haben, gefällt Qadir Anwari, seine derzeitige Arbeit ist inzwischen schon so etwas wie seine ideale Arbeit. „Ich möchte immer Menschen helfen, das kann ich auch als Kellner gut“, lacht er. Er hilft aber nicht nur den Menschen, die als Gäste ins Café kommen, er hilft auch seiner Familie, die nach wie vor in Afghanistan lebt.
2013 versuchte seine Familie nachzukommen. „Es gab dann aber Probleme bei den Terminen in der österreichischen Botschaft in Islamabad und dann war ich schon volljährig und es ging einfach nicht mehr. Tatsächlich war die Sozialarbeiterin, die hier beim Roten Kreuz in Österreich für mich zuständig war, nie erreichbar und so verging leider die Zeit ohne die Möglichkeit etwas zu machen. Ich hatte das Gefühl, dass sie gar nicht will, dass ich mit meiner Familie wieder zusammenkomme“, erzählt er.
„Andere Möglichkeiten gab es nicht, obwohl ich den Antrag gestellt habe, bevor ich 18 war.“ Mittlerweile ist der Akt geschlossen. „Jetzt müsste ich pro Person monatlich € 830.- als Versorgungsgeld für meine Familie nachweisen. Ich hab drei Geschwister und meine Mama, das heißt ich müsste € 4000 bis 5000 Einkommen im Monat haben, damit ich sie überhaupt hierherbringen kann. Das ist für mich unmöglich.“
Sicherheit für die Familie
Langfristig möchte Qadir Anwari ein eigenes Café. „Vorher will ich aber, dass meine Familie gut versorgt und außer Gefahr ist. Momentan leben sie in Kabul und da ist es alles andere als sicher. Ich werde in Österreich bleiben, irgendwann will ich ein eigenes Haus und auch meine Freundin heiraten“, sagt er lächelnd. Ich hab meine Mama seit 9 Jahren nicht mehr gesehen. Als ich weg musste war sie eine junge Frau, jetzt hat sie graue Haare. Es ist traurig, dass ich sie so lange nicht mehr gesehen habe.“
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