Expert*innen zu humanitärer Aufnahme - Reshad Jalali M.A.
„Resettlement erlaubt einigen der vulnerabelsten Menschen die Chance ein neues Leben in Sicherheit aufzubauen." - Reshad Jalali ist Fachreferent beim European Council on Refugees and Exiles (ECRE).
„Der Bedarf an Resettlement-Plätzen ist höher als je zuvor. Laut den UNHCR Projected Global Resettlement Needs 2022 benötigen derzeit 1,47 Millionen Menschen dringend einen Resettlement-Platz. Es ist Zeit, dass sich die EU und ihre Mitgliedsstaaten solidarisch mit den Ländern zeigen, die den Großteil aller Geflüchteten aufgenommen haben und langfristige Lösungen für die Menschen finden, die dringend Schutz benötigen.
Resettlement ist eine triple-win Situation für Geflüchtete, für Erstaufnahmeländer und für Zielländer:
Für Geflüchtete ist Resettlement eine der besten Möglichkeiten, da es für die vulnerabelsten Geflüchteten Schutz und eine Zukunftsperspektive bietet. Geflüchtete die an Resettlement-Programmen teilnehmen, gehören zu den vulnerabelsten Gruppen und werden nach bestimmten Vulnerabilitätskriterien ausgewählt, die das UNHCR erarbeitet hat. Darunter befinden sich Flüchtlinge mit besonderen rechtlichen und physischen Schutzbedürfnissen, Flüchtlinge, die Gewalt und Folter erfahren haben, Flüchtlinge mit besonderem medizinischem Behandlungsbedarf, besonders gefährdete Frauen, Flüchtlinge mit familiären Bindungen im Aufnahmestaat, Kinder, usw.
Resettlement ist außerdem einer der wenigen sicheren und legalen Wege für Geflüchtete nach Europa. Sie müssen keine gefährliche Flucht unternehmen oder Schlepper bezahlen, um nach Europa zu kommen. Resettlement ist und soll auch kein Ersatz für das Recht auf Asyl sein, sondern eine Ergänzung. Es bietet auch die Möglichkeit für Geflüchtete, gemeinsam mit ihrer Familie nach Europa zu kommen, anstatt während der gefährlichen Flucht getrennt zu werden. Resettlement verringert Staatenlosigkeit unter Geflüchteten, indem es staatenlosen Personen erlaubt im Ankunftsland eingebürgert zu werden.
Für Erstaufnahmeländer ist Resettlement ein Zeichen von internationaler Solidarität und Aufgabenteilung. Das ist insbesondre von Bedeutung, weil ungefähr 85 Prozent der weltweit Geflüchteten von Entwicklungsländern aufgenommen wurden. Umfangreiche Zusagen für Resettlement ermutigen Erstaufnahmeländer die Aufnahmebedingungen zu verbessern und den Flüchtlingen Zugang zu lokaler Integration in ihrem Land zu gewähren. Es stärkt und verbessert außerdem den Zugang zu Asyl für Geflüchtete in diesen Ländern.
Während viele Studien zu Integration die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen von Geflüchteten auf ihr Zielland zeigen, wird dabei selten zwischen Resettlement-Flüchtlingen und Flüchtlingen, die auf andere Art und Weise geflohen sind, unterschieden. Im allgemeinen tragen Geflüchtete viel zur Gesellschaft im Ankunftsland bei und werden ein integraler Teil davon. 2017 wurde in den USA erstmals eine Studie vom Gesundheitsministerium veröffentlicht, die zeigt, dass Geflüchtete Nettozahler für die US-Wirtschaft sind und zwischen 2005 und 2014 63 Milliarden US-Dollar mehr an Einnahmen für bundesstaatliche, staatliche und lokale Verwaltungen brachten als sie kosteten. In Deutschland tragen Flüchtlinge zur Stärkung der Wirtschaft bei, indem sie dem Arbeitskräftemangel entgegenwirken.
Unfaire Verteilung
Obwohl der Bedarf für Resettlement immer größer wird, nimmt nur eine kleine Zahl von Ländern an diesen Programmen teil. Nur drei Länder (USA, Kanada, Australien) sind momentan für die Aufnahme eines Großteils der Resettlement-Flüchtlinge verantwortlich. Es ist wichtiger als je zuvor, dass sich mehr Länder bereiterklären an Resettlement-Programmen teilzunehmen, um Flüchtlingen Schutz zu bieten und den Druck, der auf Erstaufnahmeländern lastet, zu verringern. In der EU werden Resettlement-Programme seit 2016 aufgestockt. Deutschland, Schweden und Frankreich leisten dabei den größten Beitrag.
Ziele nicht erreicht
Trotz Bemühungen auf internationaler Ebene und der Verabschiedung des Globalen Pakts für Flüchtlinge (GCR) vor vier Jahren, dessen Hauptziel es ist, eine Antwort auf große Flüchtlingsbewegungen zu finden und durch humanitäre Aufnahmeprogramme den Druck auf Erstaufnahmeländer zu verringern, wurden die Ziele bisher nicht erreicht und die Kluft zwischen Menschen, die Resettlement brauchen und Menschen, die tatsächlich einen Resettlement-Platz bekommen wird in den letzten Jahren immer größer. Laut UNHCR hätten 2020 1,44 Millionen Geflüchtete Resettlement benötigt, aber nur etwas über zwei Prozent davon kamen über Resettlement in Drittstaaten. Es gibt viele Faktoren, die für diese Abnahme verantwortlich sind, darunter die fehlende Bereitschaft vieler Länder an Resettlement-Programmen teilzunehmen, administrative Hürden, das Fehlen von Kapazitäten und Finanzierung von UNHCR-Büros in großen Aufnahmeländern und langwierige Verfahren. Die Corona-Pandemie verschärfte die Situation und brachte verschiedene Resettlement-Vorhaben 2020 und 2021 aufgrund von Reiserestriktionen ins Stocken
Ein Leben in Würde ermöglichen
Die Zahl der Geflüchteten steigt, genau wie der Bedarf an Resettlement-Plätzen. Mehr als 85 Prozent der Geflüchteten weltweit leben in Entwicklungsländern, oft in dicht besiedelten Lagern und ohne Zugang zu einer langfristigen Perspektive. Weniger als ein Prozent der Flüchtlinge weltweit wird jedes Jahr umgesiedelt. Die Wiederaufnahme von Resettlement-Programmen und der Ausbau von Resettlement-Plätzen in Österreich wäre ein bedeutendes Instrument, um Menschen, die dringend Schutz benötigen, ein Leben in Würde zu ermöglichen und gleichzeitig eine Möglichkeit, zu internationaler Solidarität und Aufgabenteilung mit Aufnahmeländern beizutragen. Resettlement bietet Flüchtlingen sichere und legale Wege nach Europa und erlaubt einigen der vulnerabelsten Menschen die Chance ein neues Leben in Sicherheit aufzubauen.
Zusätzliche Quellen:
-
ECRE, Joint Statement: Time to get resettlement moving, July 2021
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ECRE, Joint Statement: Resettlement can’t wait, September 2020
SOS Mitmensch hat gemeinsam mit Expert*innen und Betroffenen eine große Kampagne für die Wiederaufnahme von humanitären Aufnahmeprogrammen für besonders schutzbedürftige Menschen gestartet. Wir wollen die humanitäre Tradition Österreichs wiederbeleben und Menschenleben retten!
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