Meine Lehre in Österreich - Sayed Jamshed Sadat „Man muss an sich arbeiten und an sich glauben“
Sayed Jamshed Sadat ist als Minderjähriger alleine vor dem Krieg aus Afghanistan geflohen. Innerhalb weniger Jahre hat er zwei Sprachen gelernt, seinen Pflichtschulabschluss gemacht und die Lehre als Koch abgeschlossen. Jetzt, mit 21, arbeitet er in seinem Lehrbetrieb und leitet stellvertretend die Küche. Sein Weg ist noch lange nicht zu Ende.
Redaktion: Sonja Kittel, Foto: Michael Langerwisch
Schon als 5-Jähriger gearbeitet
„In meiner Heimat Afghanistan war immer Krieg. Da muss man schnell erwachsen werden. Ich habe schon mit fünf Jahren angefangen zu arbeiten und meinem Vater geholfen, um die Familie zu ernähren. Weil die Situation nicht besser wurde, hat mein Vater mich weggeschickt. Erst in die Türkei, dort habe ich drei vier Monate gearbeitet, und dann weiter nach Österreich. Ich war 15 Jahre alt, als ich nach Österreich gekommen bin.
Sprachbarrieren
Am Anfang war es schwer. Ich bin Analphabet in meiner eigenen Muttersprache und ich konnte auch kein Englisch. Ich habe viel versucht, um Deutsch zu lernen. Ich bin der Typ, der nicht abhängig von jemandem sein will, zum Beispiel von einem Dolmetscher. In Traiskirchen gab es erste Deutschkurse. Ich bin dann nach Steinhaus am Semmering in ein Flüchtlingsheim gekommen und habe dort in der Küche mitgearbeitet. Das hat mir geholfen, weil ich viel abschauen konnte und viel geredet habe. Ich habe gleichzeitig versucht Englisch zu lernen und anfangs ein Mischmasch aus Deutsch und Englisch gesprochen.
Kochen, Natur oder Technik
Ich habe einen negativen Asylbescheid bekommen und dann versucht so schnell wie möglich eine Lehre zu finden. Mein erster Traumberuf war im Bereich Natur und Technik. Ich bin als Bauer aufgewachsenen in meinem Land. Ich habe meinem Vater geholfen und deshalb wollte ich das hier auch machen. Kochen ist meine zweite Leidenschaft, weil man immer mit Lebensmitteln zu tun hat. In Afghanistan durfte ich nie alleine raus und musste zuhause bleiben. Meine Mutter hat versucht mir die Langweile zu nehmen und ich habe viel von ihr gelernt, auch das Kochen. Eine Lehrstelle zu finden war am Anfang schwer, aber der Verein Mentorus hat mir sehr dabei geholfen.
Der eigene Chef sein
Ich habe eine Lehre als Koch gemacht im "Häuserl im Wald", einem bekannten Restaurant mit typisch steirischer Küche in Graz. Ich bin dem Eigentümer sehr dankbar, weil er mir eine Chance gegeben hat. Bei vielen Betrieben hat es nicht geklappt. Er hat an mich geglaubt und wenn jemand an dich glaubt, hast du die Chance dich zu entfalten und weiterzublühen. Ich habe meine Lehre mit gutem Erfolg abgeschlossen und arbeite jetzt als Koch in meinem Lehrbetrieb. Ich möchte dort gerne auch ein Jahr freiwillig an der Rezeption arbeiten an meinen freien Tagen, um zu sehen, wie man so ein Geschäft führt. Mein Plan ist, dass ich in zehn Jahren mein eigenes Lokal habe. Ich will mein eigener Chef sein in meinem Leben.
„Ich bin ein Glückspilz“
Ich bin ein glücklicher Mann, ein Glückspilz. Ich bin in meinem Leben immer den nettesten Menschen begegnet. Sie haben mir Schritt für Schritt geholfen. Beim alea Lernforum habe ich meinen Pflichtschulabschluss neben dem ersten Lehrjahr gemacht. Ich habe tagsüber gearbeitet und nachts gelernt. Die Leiterin Michaela Schaffer hat mich sehr unterstützt. Sie hat mich auch an Mentorus und Ruth Seipel vermittelt. Ich habe viel von Frau Seipel gelernt. Wir hatten oft Diskussionen, aber dafür bin ich sehr dankbar, weil ich durchs Streiten auch mein Deutsch verbessern konnte. Für mich war die Schule einfach. Das erste Lehrjahr nicht, aber das zweite und das dritte schon. Was wir in den Büchern theoretisch gelernt haben, hatte ich schon alles in der Küche durchgemacht. Im zweiten Lehrjahr kannte ich mich schon in allen Bereichen gut aus.
„Es wird immer weitergehen“
Ich habe die Rot-Weiß-Rot Karte bekommen, weil ich schon seit fünf Jahren hier bin und mich selbst finanzieren kann. Ich will jetzt erst mal im "Häuserl im Wald" bleiben, dann aber in anderen Betrieben schnuppern oder arbeiten, um einen besseren Blick dafür zu bekommen, wie ich mit meinem Betrieb gut verdienen kann. Ich will nicht, dass das jetzt die Endstation ist. Es wird immer weitergehen. Ich will, es klingt vielleicht lächerlich, in ein paar Jahren einer von den wohlhabenderen Männern in der Steiermark sein. Viele meiner Freunde sagen, dass das Geld nicht wichtig ist, aber in meinem Leben hatte ich nie Wohlstand oder Geld. Ich musste immer flüchten. Jetzt habe ich endlich ein Zuhause gefunden und ich will darauf aufbauen.
„No pain, no gain“
Es gibt so ein englisches Sprichwort `no pain, no gain`. Man muss immer an sich arbeiten und an sich selbst glauben, sonst kann man nichts erreichen. Zu einem Ziel kann man nicht nur geradeaus gehen, man muss Umwege machen und das muss man lernen, weil das Leben ist nicht immer fair. Ich bin jedem Menschen dankbar, der in mein Leben getreten ist, weil manche bleiben in deinem Leben, manche erteilen dir eine Lektion, aus der du lernen kannst. Ich habe noch ein Sprichwort im Kopf: `Man gewinnt oder man lernt, man verliert nie.`“
Sie sind vor Krieg und Gewalt geflüchtet und haben in Österreich ein neues Leben begonnen. In der 9-teiligen Porträtreihe „Meine Lehre in Österreich“ erzählen junge Frauen und Männer, wie sie nach ihrer Flucht ihre Lehrstelle gefunden haben und wie sie ihre Ausbildung erleben. Ihre Geschichten zeigen die Hürden und Probleme, mit denen Geflüchtete nach ihrer Ankunft konfrontiert werden. Es sind aber auch Erfolgsgeschichten von genutzten Chancen, Freundschaft und Menschlichkeit. Wenn Sie Geflüchtete ehrenamtlich unterstützen wollen, finden Sie hier Infos und Kontakte.
SOS Mitmensch kämpft weiter für den Zugang zu Lehre und Arbeit für Asylsuchende und für ein Ende der Abschiebung von Menschen, die sich in Österreich ein neues Leben aufgebaut haben!
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