"Refugees sind die Reinhold Messners der Flucht"
Seit einem Jahr, seit ihrem Marsch von Traiskirchen nach Wien, kämpfen Flüchtlinge öffentlich für ein sicheres und selbstbestimmtes Leben in Würde und Freiheit. Sie haben erreicht, dass sich erstmals eine Innenministerin mit Flüchtlingen an einen Tisch setzte. Sie haben ihren Anliegen Stimme und Gesicht verliehen. Doch ihr Wunsch nach einer Zukunftsperspektive wird von der verantwortlichen Politik weiterhin zurückgewiesen.
„Für mich sind die Flüchtlinge, die seit einem Jahr öffentlich für ihr Recht auf ein normales Leben kämpfen, die Reinhold Messners der Flucht. Sie haben extreme Strapazen auf sich genommen, um nach Europa zu kommen. Sie haben hier vom ersten Moment an kaum Sauerstoff zum Atmen gehabt. Sie haben wochenlang gehungert und gefroren, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Und sie haben in ihrem Kampf unbändige Willenskraft bewiesen“, so SOS Mitmensch-Sprecher Alexander Pollak. „Doch im Gegensatz zu Reinhold Messner, der bei seinen waghalsigen Achttausender-Besteigungen immer wusste, wo der Gipfel liegt, hängen die Refugees nach wie vor in einer Steilwand ohne sichtbarem Ende fest. Und während Reinhold Messner für seine Willenskraft bewundert wurde, schlagen den Refugees politisches Desinteresse und manchmal auch Schmährufe entgegen. Dabei haben sie sich für ihren Mut und ihre Willenskraft Respekt verdient, ganz egal welche Position man in der Flüchtlingsdebatte einnimmt.“
Berechtigte Forderungen
Vor einem Jahr, am 24. November 2012, starteten die Flüchtlinge ihren Protest mit einem Marsch von Traiskirchen nach Wien. Anschließend errichteten sie ein Zeltlager im Sigmund-Freud-Park, suchten Zuflucht in der bitterkalten Votivkirche, wechselten nach wochenlangem Hungerstreik ins Servitenkloster und haben jetzt in der Akademie der Bildenden Künste ihren regelmäßigen Sammelpunkt. SOS Mitmensch unterstreicht einmal mehr die Berechtigung der Forderung der Flüchtlinge nach einem Leben in Freiheit und Würde. „All we want is a normal life“, brachten die Flüchtlinge immer wieder ihr zentrales Anliegen auf den Punkt „Die Refugees haben durch ihren Protest schwerwiegende Unzulänglichkeiten im österreichischen und europäischen Asylsystem aufgezeigt. Sowohl in Österreich als auch auf europäischer Ebene braucht es menschengerechte Reformen“, betont Pollak.
Abkehr von menschenfeindlicher Politik
SOS Mitmensch fordert eine Abkehr von jener Politik, die für den Massentod an den EU-Außengrenzen und die prekäre Situation vieler Schutzsuchender in Europa verantwortlich ist. Jedes Jahr würden tausende Menschen beim Versuch, nach Europa zu gelangen, ertrinken, erfrieren, ersticken und verdursten. Jedes Jahr würden zigtausende Menschen in einem absurden Pingpongspiel zwischen europäischen Ländern hin- und hergeschoben. Und jedes Jahr würden motivierte Menschen durch eine menschenfeindliche Politik illegalisiert, entrechtet, vom Schulbesuch abgehalten und vom Arbeitsmarkt ausgesperrt, kritisiert die Menschenrechtsorganisation.
Refugees eine Chance geben
„Recht muss Recht bleiben, heißt es immer wieder, doch in Wahrheit muss Recht in vielen Bereichen erst Recht werden. Unrecht, wie etwa das Fehlen legaler Fluchtwege nach Europa, darf niemals als naturgegeben hingenommen werden“, so Pollak, der an die Regierung den Appell richtet, den Refugees eine Chance zu geben und sich für eine menschliche Flüchtlingspolitik in Österreich und Europa einzusetzen.