
Alle Jahre wieder Blackfacing
CLARTEXT. Es ist wie das Amen im Gebet: In der Faschingszeit werden sich einige weiße Menschen bemüßigt fühlen, sich „schwarz“ anzumalen. Die Aufregung darüber werden viele nicht nachvollziehen können. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Eine Kolumne über Diversität und Migration, Illustration: Petja Dimitrova
Hilfe! Der Fasching ist da. Und das bedeutet für mich eine große Herausforderung. Nicht nur, weil ich Fasching, Karneval, Halloween und alles, was mit „lustigen“ Verkleidungen und Bemalungen zu tun hat, schon als Kind nie wirklich spaßig, sondern grauslich fand. Anstrengend wird das vor allem auch deshalb, weil ich mich im Fasching höchstwahrscheinlich wieder mit Blackfacing auseinandersetzen muss. Und mir aufs Neue überlegen muss, ob ich Auskunft gebe, wenn ich gefragt werde, was denn so schlimm daran sein soll, wenn ein junges Mädel als Beyonce geht und dafür ein bissl Farbe auflegt, oder ein lustiger Typ sich als „böser Schwarzer Mann“ verkleidet. Ich muss dann Antwort geben – stellvertretend für alle, die sich darüber aufregen, dass sich wieder irgendein Z-Promi an einem feucht-fröhlichen Faschingsabend anmalt und Schwarzsein spielt. Ich bin gefragt. Ich muss dann erklären, warum die Aufregung nichts mit überbordender politischer Korrektheit zu tun hat, oder mit dem Ziel, weißen Menschen nicht nur den M. im Hemd, sondern auch den Spaß zu verderben.
Kann ich nicht einfach sagen: „Leute, lest doch einfach was über die Minstrel-Shows. Dann kennt ihr euch aus?“ Das möchte ich manchmal, tue es aber nicht, weil ich die Leute nicht vor den Kopf stoßen möchte, und weil ich ja doch auch froh bin über jede zusätzliche Person, die die Problematik versteht und sensibilisiert ist. Außerdem will ich nicht dazu beitragen, dass es wieder heißt, „die Schwarzen“ sind so übersensibel. So ist das als Angehörige einer Minderheit: Wir wissen, dass das, was wir tun, oftmals allen angelastet oder gutgeschrieben wird. In diesem Sinne bemühe ich mich dann eben um eine qualifizierte Antwort. Um das leisten zu können, heißt es auch für mich nochmal recherchieren, mich mit der Geschichte der Minstrel-Shows auseinandersetzen, mich an die klugen Argumente Schwarzer Frauen und Männer, die in dem Thema sattelfester sind als ich, erinnern. Ich lese mich für die anderen noch mal kurz ein.
Und auf Anfrage erzähle ich davon, dass im 19. Jahrhundert in Nordamerika Musikveranstaltungen stattgefunden haben, die sich Minstrel-Shows nannten. Bei diesen Aufführungen schwärzten sich weiße Künstler das Gesicht und malten sich lächerlich große Lippen auf. Sie bemühten sich, Schwarze Menschen so stereotyp wie möglich darzustellen – als fröhlich, aber himmelschreiend dumm, als Sklaven und Diener. Ziel der Vorstellungen war es, das weiße Publikum durch die Verhöhnung und Erniedrigung Schwarzer Menschen zu belustigen. Die Bilder, die damals erzeugt wurden, prägen übrigens noch immer das Bild von Schwarzen in der Unterhaltungsindustrie. Das ist die Geschichte von Blackfacing. Wer sich also heute „schwarz“ anmalt, zum eigenen oder Gaudium anderer weißer Menschen, sollte wissen, welcher rassistischen Tradition, er oder sie folgt. Das sag ich den Leuten dann und hoffe, es wirkt.
Clara Akinyosoye ist freie Journalistin und Ex-Chefredakteurin von M-Media.
Unterstützen Sie jetzt unabhängigen Menschenrechtsjournalismus mit einem MO-Magazin-Solidaritäts-Abo