
Gewalt gegen Frauen
ANDERE ÜBER ... Die Novelle des Gewaltschutzgesetzes muss neu überarbeitet werden. Wir brauchen mehr Ressourcen für den Opferschutz statt unausgegorener Gesetze. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kommentar: Rosa Logar, Illustration: Petja Dimitrova
2019 wurden in Österreich 18 Frauen ermordet: Fast jede 2. Woche tötet ein Mann in Österreich eine Frau. Oft handelt es sich bei den Tätern um (ehemalige) Partner oder Familienangehörige. In vielen Fällen gab es eine Vorgeschichte häuslicher Gewalt. Diese Morde sind Ausdruck eines strukturellen Problems patriarchaler Gewalt gegen Frauen. Eine von fünf Frauen in Österreich ist von Gewalt betroffen.
1997 trat in Österreich das 1. Gewaltschutzgesetz in Kraft, die Gründung der Interventionsstellen/Gewaltschutzzentren war ein wichtiger Teil davon. Obwohl der Gewaltschutz rechtlich gut verankert ist und dieses Modell Vorbild für andere Länder ist, macht u.a. der Bericht des GREVIO-Europaratskomitees (Expertinnenkomitee zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen) deutlich, dass es noch viel zu tun gibt. Ganz besonders zeigt sich das, wenn es um die finanziellen Mittel geht, die der Staat für Gewaltschutz bereitstellt. Seit Jahren wird zu wenig in Präventionsarbeit und Opferschutz investiert. Einrichtungen, die Betroffene unterstützen, stoßen an ihre Limits. Die Wiener Interventionsstelle unterstützt z.B. jährlich rund 5.800 Opfer, überwiegend Frauen und Kinder. Aufgrund der knappen Ressourcen stehen pro Opfer und Jahr durchschnittlich fünfeinhalb Stunden Beratungszeit zur Verfügung. Das lässt nur eine kurzfristige Betreuung zu, längerfristige Unterstützung ist nicht möglich. Die Minimalbudgetierung führt dazu, dass Betroffene viel zu schnell allein gelassen werden. Das bedeutet auch, dass es keinen flächendeckenden Zugang zu Beratungsstellen, Frauenhäusern und anderen Hilfseinrichtungen gibt. Es fehlt Geld für Präventionsarbeit, Datenerhebung sowie die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen und Gesetzesevaluierungen.
Gesetze neu überarbeiten
Kurz vor den Neuwahlen hat die damalige Regierung ein Gewaltschutzpaket beschlossen, das u.a. Gesetzesänderungen im Strafgesetzbuch, im Sicherheitspolizeigesetz und im Ärztegesetz umfasst. Ein Bekenntnis zu einer Erhöhung der Mittel für Opferschutzeinrichtungen findet sich darin nicht – ebenso fehlen viele der Empfehlungen des GREVIO-Komitees zur Umsetzung der Istanbul Konvention. Stattdessen enthalten die Gesetzesnovellen einige Maßnahmen, die aus Sicht von StrafrechtsexpertInnen, RichterInnen, StaatsanwältInnen und Opferschutzeinrichtungen als wenig effektiv und teilweise sogar hinderlich für den Gewaltschutz bewertet werden.
Die neue Regierung – wie auch immer sie sich zusammensetzt – ist aufgefordert, im Sinne eines effektiven Gewaltschutzes zu handeln. Dazu müsste das gesamte Gesetzespaket unter Einbeziehung der ExpertInnenmeinungen neu überarbeitet werden. Außerdem braucht es mehr finanzielle Mittel. Daher fordert die „Allianz GewaltFREI leben“, ein NGO-Zusammenschluss zur Umsetzung der Istanbul Konvention, dass die Regierung die Mittel für Gleichstellung und gegen Gewalt an Frauen auf 210 Millionen Euro aufstockt. Ansonsten wird es nicht gelingen, Gewalt und Morde zu verhindern. Wir dürfen nicht an der Gesundheit und Sicherheit von Frauen und Mädchen sparen!
ZUR PERSON I Rosa Loga ist diplomierte Sozialarbeiterin und Geschäftsführerin der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie. Sie wurde zu einem von zehn Mitgliedern des GREVIO-Europaratskomitees gewählt. (GREVIO steht für Group of Experts on Action against Violence against Women and Domestic Violence.) Logar ist zudem Vorstandsfrau des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF).
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