
Go Green!
Egal ob Bäume gepflanzt, Sonnenkraftwerke gebaut oder Plastiksackerl verboten werden. Initiativen für den Klimaschutz reichen quer über den Kontinent. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Text: Kerry Teuber
Weltrekord! In Äthiopien rief der Regierungschef Abiy Ahmed im Sommer 2019 dazu auf, das Land mit Bäumen aufzuforsten. In den vergangenen 100 Jahren wurden bis auf vier Prozent die gesamten Waldbestände abgeholzt. Bodenerosion und verstärkte Sonneneinstrahlung waren die Folge. Also machten sich Millionen Freiwilliger in Äthiopien auf und pflanzten innerhalb eines Tages 350 Millionen Setzlinge an über 1.000 Orten in die Erde ein. Eine Aktion, die nicht nur symbolisch zu sehen ist. Immer wieder gab es in Afrika Initiativen, Brachland oder die Wüste selbst zu beleben. 2007 beschloss die Afrikanische Union ein gigantisches Projekt: Im Rahmen der „Great Green Wall“ sollte ein 8.000 Kilometer langer Streifen durch die Sahara und die Sahelzone mit Bäumen bepflanzt werden. Die Hoffnung, dass im Schatten der Bäume fruchtbare Böden entstehen würden, erfüllte sich vorerst nicht. Erst ein Konzept, das die Menschen, die Böden und landwirtschaftlichen Konzepte vor Ort berücksichtigte, war erfolgreich. Heute beteiligen sich an der Initiative 21 Länder, und die Millionen Bäume, die seither gewachsen sind, tragen als Kohlenstoffspeicher ihren Anteil zum Klimaschutz bei.
Den Baum als Hoffnungsspender erkannte schon die Umweltpionierin und erste afrikanische Friedensnobelpreisträgerin Wangari Maathai. Die Kenianerin gründete 1977 das Green Belt Movement, das bis heute rund 50 Millionen Bäume angepflanzt hat. Was heißt es konkret, die Umwelt zu schützen?, fragt Maathai in einem Interview: „Die Umwelt, das ist die Luft, die wir atmen, das Wasser, das wir trinken, ist die Nahrung, die wir essen. Die Umwelt ist jeden Tag ein Thema.“
Maathai verstand es, ökologische mit gesellschaftlichen Fragen zu verknüpfen, wenn sie meinte: „Politiker an der Spitze haben Macht, sie haben die Kontrolle über die Ressourcen und sie haben Privilegien. Währenddessen setzt sich das Leiden der Menschen an der Basis fort.“ Idee des Green Belt Movement, das Maathai gründete, war es deshalb, zu den Menschen zu gehen und nach einer Bottom-up-Strategie die Lage zu verbessern. Ein Ansatz war, dass Kleinbauern mit Samen Bäume pflanzten, um diese zu verkaufen. „Ein Baum hat eine Persönlichkeit, er formt die Landschaft, aber er formt auch das Bewusstsein der Menschen. Er spornt sie an, aktiv zu werden.“
Community-Arbeit
Dürren und damit verbundene Hungersnöte, Überflutungen, Stürme, eine Landwirtschaft, die oft ohne künstliche Bewässerung auskommen muss – Afrika ist zweifellos durch die Klimakrise besonders betroffen. Und das, obwohl afrikanische Staaten global die geringsten Emissionen an klimaschädlichen Gasen aufweisen, während Europa, die USA und – nicht zuletzt durch die massive Auslagerung der Produktion – China ihre gar nicht grüne Wirtschaft munter vorantreiben. Erst im März dieses Jahres starben bei einem verheerenden Zyklon in Mosambik mehr als 1.000 Menschen. Für die Katastrophenhilfe musste Mosambik, einer der ärmsten Staaten der Welt, 120 Millionen Dollar Kredite aufnehmen. Das Verursacherprinzip spielt bei durch die Erderwärmung ausgelösten Wetterextremen – noch – keine Rolle. Obwohl sich die internationale Staatengemeinschaft seit dem Kyoto-Protokoll regelmäßig neue Ziele setzt, kritisiert das UNFCCC (Klimakonvention der Vereinten Nationen), dass kaum etwas zum Besseren erreicht
wurde. Wanjira Mathai, Vorsitzende des Green Belt Movements, sieht auch bei den afrikanischen Bevölkerungen steigende Ansprüche und eine Veränderung des Lebensstils. „Wir glauben aber, dass wir uns entscheiden müssen zwischen einer wachsenden Wirtschaft oder dem Schutz der Ökosysteme, die uns am Leben erhalten. Aber ich denke, dass wir eine gute Mitte finden können, mit einer Entwicklung, die nicht auf fossilen Brennstoffen basiert.“ Aber auch bei den vielen Kleinbäuerinnen in Kenia ist das GBM sehr aktiv. Während europäische Firmen versuchen, industrielle Landwirtschaftskonzepte in afrikanischen Staaten zu implementieren, und dort die gleichen Fehler wiederholen, nur um neue Absatzmärkte für ihr Saatgut und ihre Maschinen zu erschließen, setzen das GBM auf Dialog. „Anstatt zu den Communities zu gehen, um ihnen Konzepte vorzusetzen, sprechen wir über ihre Probleme und
unterstützen sie, selbst neue Lösungen zu finden. Und diese Lösungen halten oft sehr lang“, erzählt Mathai. Dabei setzt Green Belt Movement insbesondere auf Frauen, wie Geschäftsführerin, Aisha Karanja betont. Deren Rolle als „Change Agents“ den gesellschaftlichen Wandel voranzutreiben, sei zu stärken. Damit komme das Wissen über den Umgang mit Ressourcen der ganzen Familie zugute. Dabei geht es um alltägliche Vorgänge, um Fragen der Düngung, der richtigen Bepflanzung oder wie man durch Kompostieren neuen Humus gewinnt.
Green Energy
Laut dem African Center for Economic Transformation (ACET) leben 560 Millionen (bzw. 43 Prozent) der Menschen in Subsahara-Afrika ohne Zugang zu Strom. Holz und Holzkohle spielen als Energieträger eine entscheidende Rolle. Für die kommenden Jahrzehnte wird ein massiver Wandel prognostiziert, einige Studien sagen sogar voraus, dass im Jahr 2050 mehr als die Hälfte des Kontinents urban geprägt sein wird. Statistisch gesehen wächst der Energiebedarf in Afrika zweimal so schnell wie im globalen Durchschnitt. In dieser heiklen Phase werden die Weichen gestellt, auf welche Weise der Energiebedarf der Zukunft gedeckt werden soll. Welche Unternehmen können grüne Technologien anbieten, welche Rolle spielen die Staaten dabei selbst? Französische, deutsche und andere Konzerne buhlen um Aufträge, zugleich sehen manche die Gefahr neokolonialer Abhängigkeiten. Die „International Renewable Energy Association“ (IRENA) zählt zehn Länder auf, die Impulse setzen: In Südafrika wird über 50 Prozent der erneuerbaren Energien aus Windkraft generiert. Für Ägypten prognostiziert IRENA, dass bis 2030 mehr als die Hälfte des Strombedarfs aus einem Mix nicht-fossiler Brennstoffen kommen könnte. In Mosambik entsteht derzeit ein Sonnenkraftwerk, das nach Fertigstellung 170.000 Haushalte versorgen soll. Neben Marokko und Äthiopien mit ihren Solarkraftwerken und Windparks ist auch das ehemalige Bürgerkriegsland Angola ganz vorne dabei. Obwohl Angola OPEC-Mitglied ist, investierte man schon früh in Wasserkraft und damit eine Alternative zur „Carbon trap“. Dass der Ausbau der Wasserkraft ökologisch heikel ist, weiß man auch von Diskussionen hierzulande. Sensible Ökosysteme werden dabei nicht selten gefährdet. Auch in afrikanischen Ländern fordern immer öfters Initiativen bei geplanten Projekten Mitsprache.
Plastiktütenverbot
Die Mega-City Kairo überrascht mit einer ersten öffentlichen E-Bus-Linie, die vor wenigen Wochen ihren Betrieb aufgenommen hat. Feierlich von Umweltministerin Yasmin Fouad eröffnet, verbindet die Buslinie nun den wohlhabenden „Maadi District“ mit dem 25 Kilometer entfernten „Fifth Settlement“ in New Cairo. Fahrgäste verwenden Prepaid Smart Cards, das „Tap and go“-System wird auch schon in Kameruns Hauptstadt Youndé und in Rwandas Hauptstadt Kigali verwendet. Im westafrikanischen Staat Burkina Faso hingegen gelang es einem jungen Forscher an der Joseph Kizerbo University, eine Technik zu entwickeln, mit der aus Mango-Abfällen Biogas gewonnen werden kann. Bei einer Produktion von 300.000 Tonnen Mangos pro Jahr dürfte sich die Investition in eigene Forschungsprojekte wie diese bezahlt machen. Zu einem drastischen und zugleich wegweisenden Schritt hatte sich hingegen Ruanda bereits vor Jahren entschieden. Seit 2008 gilt im ehemaligen Bürgerkriegsland ein strenges Verbot für Plastiktüten aller Art. Wer Ruanda bereist oder auch nur auf der Durchreise ist, muss an der Grenze oder am Flughafen jegliche Plastiksackerl abgeben, andernfalls drohen hohe Strafen. Während in Österreich zögerlich über die Reduktion von Plastikverpackungen diskutiert wird, zeigt Ruanda, wie bzw. dass es geht.
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