Im Fadenkreuz: Frauen mit Kopftuch
Die Bundesregierung ruft zum „Kampf gegen Hass im Netz“ auf. Wie glaubwürdig ist das, wenn Mitglieder der Regierung selbst zu Hass anstacheln? Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kommentar: Alexander Pollak, Illustration: Petja Dimitrova
Die „Freiheitlichen Arbeitnehmer“ haben kürzlich die von der Bundesregierung beschlossene Indexierung der Familienbeihilfe für eine Kampagne genutzt, die in einem Tabubruch gemündet hat.
Zwei Bilder wurden von den „Freiheitlichen Arbeitnehmern“ via Facebook verbreitet: Auf dem einen Bild ist eine lächelnde dunkelhäutige muslimische Frau mit Kopftuch zu sehen. Auf dem anderen Bild sind zwei fröhlich lachende hellhäutige muslimische Frauen mit Kopftuch zu sehen.
Beide Bilder wurden mittels Computerprogrammen manipuliert, sodass eine Hand den Frauen Geldscheine unter die Nase hält. Die Geldscheine sind rot durchgestrichen. Daneben bzw. darunter findet sich der Text „Familienbeihilfe für Kinder im Ausland wird gekürzt“ bzw. „Regierung kürzt Geld für Kinder im Ausland“.
Nun, der Text ist falsch. Die Familienbeihilfe wird nicht durchgehend gekürzt, sondern je nach Land entweder gekürzt oder erhöht. Was aber noch gravierender ist: Betroffen von der Indexierung sind nicht alle Kinder im Ausland, sondern ausschließlich Kinder in europäischen Länder. Für Kinder in Ländern außerhalb des EU/EWR-Raums wird schon seit längerem gar keine Familienbeihilfe ausbezahlt.
Verheerender als der unpräzise und teilweise irreführende Text ist die Wirkung der Bilder. Die Bilder vermitteln gezielt den falschen Eindruck, als würde ein erheblicher Teil der indexierten Familienbeihilfe an Kinder in afrikanischen Ländern bzw. an muslimische Kinder gehen.
Auf diese Weise werden Vorurteile geschürt. Und es werden negative Emotionen gegen die lachenden Frauen, denen bisher – laut den manipulierten Bildern – Geld entgegengestreckt wurde, geweckt.
Solcherart Vorurteile zu schüren und negative Emotionen zu wecken ist für sich genommen schon perfide und schäbig. Dass aber der amtierende Vizekanzler Österreichs aktiv an der Verbreitung eines dieser Bilder mitwirkte, stellt einen Tabubruch dar. Es ist das erste Mal seit vielen Jahrzehnten, dass ein hochrangiger Vertreter der Bundesregierung ein politisches Vorhaben ausnützt, um gegen Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe und Religionszugehörigkeit zu hetzen.
Dem Tabubruch folgte gleichsam ein zweiter: In der Bundesregierung fand sich niemand, der Kritik am Vizekanzler übte. Auf die Frage, ob er nicht manchmal zusammenzucke, wenn er rassistische Wortmeldungen seines Koalitionspartners höre, antwortete Bildungsminister Faßmann, dass „diese Dinge nicht im Ministerrat angesprochen werden“. Außerdem wäre es „der Anfang vom Ende der Regierungszusammenarbeit, wenn man hier ständig öffentlich Protest anmeldet“, so Faßmann. Was mit anderen Worten bedeutet: Toleranz gegenüber Hetze ist unausgesprochener Teil des türkis-blauen Regierungspaktes.
Unter diesem Gesichtspunkt muss auch der „Gipfel gegen Hass im Netz“ gesehen werden, zu dem Bundeskanzler Kurz und Vizekanzler Strache aufgerufen haben. Eine Antwort auf die Frage, wer den Hass stoppt, der durch hochrangige Regierungsmitglieder angestachelt wird, ist auf diesem Gipfel nicht zu erwarten.
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