Mut statt Wut
Spotlight: Taekwondo-Weltmeister Ronny Kokert rief 2016 das Freedom Fighters-Projekt für Geflücthete ins Leben und verzeichnet mit seinen Trainingskursen schöne Erfolge. Text: Evelyn Steinthaler, Foto: Lucas Beck
könnte meinen, dass der Weg der „Freedom Fighters“ geebnet wurde, als Menschen vor drei Jahren auf den Wiesen Traiskirchens schlafen mussten und auch in der Wiener Shinergy Base eine Spendenaktion ins Leben gerufen wurde. Tatsächlich ist das Projekt aber eine Schlussfolgerung des tagtäglichen Tuns von Ronny Kokert, der 2015 wöchentlich mit dem LKW Spenden nach Traiskirchen geliefert hatte. Dort brachten den Wiener Gespräche mit Geflüchteten auf die Idee, mit der von ihm entwickelten Kampfsportart Shinergy einen Betrag zu leisten.
„In der Kampfkunst geht es auch um den Umgang mit der eigenen Wut und Angst. Mir war klar, so kann ich Menschen beim Ankommen in Österreich unterstützen“ erzählt der 47jährige Kokert, der mehrmals österreichischer Taekwondo-Staatsmeister wurde und 1998 in Birmingham den Weltmeistertitel holte. Aus Wut Mut zu machen, Angst und Aggression als Energiequelle und Konflikte als Kraftquelle zu begreifen, könne traumatisierten Menschen helfen, glaubt Kokert. Er betont aber: „Das ersetzt natürlich nicht die notwendige psychotherapeutische Arbeit“.
Gemeinsam mit der Caritas und den Johannitern brachte Kokert, der auch als Universitätslektor arbeitet, den Kampfsport an die Leute: „Das kostenlose Angebot wurde geflüchteten Frauen und Männern gemacht, aber erst nahmen es nur junge Männer an. Mittlerweile trainiert auch eine Frau mit Asylstatus regelmäßig mit, und seit kurzem auch vier Mädchen mit Fluchthintergrund.“
Anfangs kamen Interessierte aus Wohnheimen oder Patenfamilien. Manche verließen das Projekt bald wieder, weil es für sie nicht stimmig war oder weil sie aus Wien weggingen. „Von anderen haben wir uns getrennt. Pünktlichkeit ist wichtig, regelmäßige Teilnahme und ein respektvoller Umgang untereinander. Religion muss generell draußen bleiben“, verlangt Kokert, der in Wien ein Fitness-Center betreibt.
Die Gruppe trainiert intensiv und umfasst heute 17 junge Männer, vor allem aus Afghanistan, im Alter von 17-25 Jahren. Am Beginn wurde 1 mal pro Woche trainiert, mittlerweile auf zwei mal wöchentlich erhöht. „Die Fortgeschrittenen besuchen auch reguläre Kurse, wo sie gemeinsam mit Frauen trainieren, die besser sind als sie selbst. Das funktioniert wirklich gut: Burschen, die mit einem völlig anderen Frauenbild aufgewachsen sind, erleben so, dass sich Frauen eben nicht unterordnen.“
Neue Perspektiven
Mittlerweile haben die „Freedom Fighters“ fünf Staatsmeistertitel und vier Worldcup-Medaillen errungen. Aber der Wettkampf ist nur ein Nebeneffekt, viel wichtiger: Sie werden im Rahmen des Projekts bei Asylinterviews und Lehrstellensuche unterstützt. „Drei von ihnen konnten vermittelt werden“, erzählt Kokert stolz, „einer lernt Koch im Sacher.“ Drei „Freedom Fighters“ haben subsidiären Schutz, alle anderen erhielten negative Bescheide.“ – Eine zusätzliche Herausforderung für das Projekt, das Anfang 2018 von FPÖ-Politiker Harald Vilimsky medial angegriffen wurde. Kokert ließ die rassistischen Anwürfe nicht unkommentiert stehen und ging an die Öffentlichkeit, auch wenn er versteht, dass das Thema Kampfsport für geflüchtete junge Männer gesellschaftlich polarisieren kann.
Ziel ist, so Kokert, dass sich die „Freedom Fighters“ durch den Sport befreien und verstehen, „dass sie nicht mehr kämpfen müssen, da sie ja kämpfen können“. Nicht umsonst heißt das engagierte Projekt „Freedom Fighters“.
Vier der jungen Männer haben im Mai mit der Shingergy Trainerausbildung begonnen, auch um die nächste Generation „Freedom Fighters“ zu unterrichten. Ausrüstungen, Kurse und die Wettkämpfe werden vor allem vom Trainingszentrum mit der Hilfe von Spenden finanziert. Was sich Kokert für das Projekt wünscht? „Positive Asylbescheide für diese anständigen, hochmotivierten jungen Menschen. Und eine etwas breitere Unterstützung wäre schön“ sagt er lächelnd.
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