
Neues aus der Parallelgesellschaft
Österreichische Muslime werden oft als religiöse Fanatiker oder als Parallelgesellschafter portraitiert, den Durchschnitt sucht man vergeblich. Ein persönlicher und humorvoller Blick auf den Alltag einer wienerisch-muslimischen Suderantin. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kolumne: Nour El-Houda Khelifi, Illustration: Peja Dimitrova
Während sich in Österreich die Mehrheit bei den Wahlen erneut für Sebastian Kurz entscheidet, und zwar ungeachtet seines gefährlichen Populismus‘, der der Gesellschaft und Politik eher schadet als nutzt, habe ich via Briefwahl meine Stimme abgegeben und mich danach Richtung Indonesien vertschüsst. Nach allem, was politisch, aber auch gesellschaftlich in Österreich und generell in Europa in den letzten Jahren so passiert und wie viel eklig-gefährliche braune Sauce kultiviert und zusammengebraut wird, kann ich es Ihnen, wenn Zeit, Gesundheit und Geldbörserl es erlauben, nur wärmstens empfehlen, mal auszubrechen aus diesem kalten, asozialen und rassistischen Milieu. Es war das erste Mal, dass ich in einem Land rumgetourt bin, in dem ich mal nicht in meiner typischen Suder-Manier unterwegs war. 17 Stunden Flug hat es gebraucht, um in eine andere Welt einzutauchen und somit ein anderes Mindset zu bekommen. Mit dem Auto, Zug, Fähre und zu Fuß haben wir die Inseln Bali und Java erkundet. Wenn ich sage, dass ich keinen einzigen Menschen dort gesehen oder erlebt habe, der schlecht gelaunt oder am Greinen war, dann meine ich das auch so. Alle ständig am Lächeln und Grüßen, mit zusammengefalteten Händen vor der Brust. Als Wienerin ist man soviel Höflichkeit, Wärme und Offenheit überhaupt nicht gewohnt. Die einzig extrem angepisste Kreatur auf der Insel Bali war ein Hund, der anscheinend ein Problem mit mir hatte. Liegt wahrscheinlich daran, dass ich eher der Katzenmensch bin, trotz Allergie. Vier Wochen sind eine Menge Zeit, um ein Land und die Leute kennenzulernen. Aber spätestens nach einer Woche wurde ich wieder unruhig. Warum? Wegen den Indonesierinnen und Indonesiern.
“Von wo kommst du denn wirklich her?”
Noch nie habe ich ein Land besucht, wo die Menschen unterschiedlicher nicht aussehen könnten. Wenn wir einen Vulkan bei Mount Bromo bestiegen haben, dachte ich, wir wären in Nepal. In Küstennähe erinnerten mich die Menschen an Hawaii oder Samoa. Islam, Hinduismus, balinesischer Hinduismus, Buddhismus, Christentum, Evangelium, nahezu alle Religionen werden gemeinsam ausgelebt. Indonesien hat über 300 verschiedene Ethnien vorzuweisen, eine immense Vielfalt die man tagtäglich auf der Straße sieht. Verschiedener könnten Menschen nicht leben und sein. Und trotzdem definieren sie sich alle als eines – als Indonesierinnen und Indonesier. Da wird nicht wie bei uns in Österreich deppat rumgefragt, “woher man wirklich kommt”. Wenn mich jemand in Indonesien gefragt hat und meine Antwort Österreich war, haben das alle mit so einer Selbstverständlichkeit hingenommen, dass ich dachte “Was verdammt noch mal läuft in Österreich schief?” Wieso akzeptiert mich ein Indonesier als Österreicherin, aber für den Heinzi aus dem Beisl bin ich der Fetznschädl? Ich bin in der österreichischen Gesellschaft aufgewachsen, in der Zugehörigkeit und Identität nach äußeren Merkmalen beurteilt wird. Und nonaned habe ich unterbewusst dasselbe in Indonesien gemacht. Ich konnte einfach nicht an den Menschen festmachen, was das “indonesische” an ihnen ist. Bis ich selber verstanden habe, dass nicht zwingend ihre Wurzeln sie vereinen, sondern ihre Einstellung.
Make Austria Great Again
Die Einstellung, dass sie alle hier jetzt in Indonesien sind und nur sie das Land formen, verändern und zu dem gemacht haben, was es heute ist. Und was machen wir stattdessen in Österreich? Wir haben mittlerweile so viele Schubladen, in die Leute reingesteckt werden, dass für diese Art von Diskriminierung und Rassismus eigentlich ein Weltrekord aufgestellt werden könnte. Aber abgesehen davon wurde mir im Urlaub auch eins wieder klar. Für all das, was in Österreich momentan politisch passiert und passiert ist, schämt man sich, sich als Österreicherin vorzustellen. Deswegen – Make Austria Great Again. Aber bitte nicht mit Schwarzblau. Danke.
Unterstützen Sie jetzt unabhängigen Menschenrechtsjournalismus mit einem MO-Magazin-Solidaritäts-Abo