Bedarfsorientierte Mindestsicherung - 20 Fragen & Antworten
1. Wie viele Menschen in Österreich beziehen Mindestsicherung? |
Im Jahr 2014 erhielten 256.000 Personen zumindest ein Mal eine Leistung aus der Mindestsicherung. 39% der BezieherInnen waren Frauen, 33% Männer und 27 % Kinder. |
2. Bekommen vor allem Paare mit (vielen) Kindern Mindestsicherung? |
Nein. Alleinstehende bilden mit 61% die mit Abstand größte Unterstütztengruppe, gefolgt von Alleinerziehenden (16%) und Paaren mit Kindern (12,3%). Nur 2% aller Bezieherhaushalte sind Paare mit 4 oder mehr Kindern. |
3. Sind alle BezieherInnen von Mindestsicherung arbeitslos? |
Nein. 30% waren Beschäftigte mit niedrigem Einkommen oder pflegende Angehörige oder Mütter mit Kleinkindern. |
4. Bekommt jede/r Arbeitslose Mindestsicherung? |
Nein. Nur Arbeitslose, die mittellos sind und kein ausreichend hohes Arbeitslosengeld erhalten, können Mindestsicherung beziehen. Darüber hinaus ist Arbeitswilligkeit die Voraussetzung für Mindestsicherungsbezug. Wer im Erwerbsalter und erwerbsfähig ist, muss dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Für Kinderbetreuung und Pflege gibt es nur eingeschränkt Ausnahmen. |
5. Sind alle BezieherInnen von Mindestsicherung (nahezu) mittellos? |
Ja. Wer Mindestsicherung bekommen will, darf nicht mehr als 4.188,80 Euro an Vermögen besitzen. Ein etwaig vorhandenes Auto muss verkauft werden - außer es ist berufs- bzw. behinderungsbedingt notwendig. Einzige Ausnahme vom Gebot der Vermögenslosigkeit ist eine als Hauptwohnsitz genutzte Eigentumswohnung (bzw. Einfamilienhaus) und die darin befindliche Einrichtung. Allerdings nimmt die Behörde nach 6 Monaten Mindestsicherungsbezug eine grundbücherliche Sicherstellung vor und erhält das Pfandrecht auf die Wohnung bzw. das Haus. Dieses Pfandrecht verjährt nicht und geht auch auf die Erben über. |
6. Wieviel Geld erhalten BezieherInnen von Mindestsicherungsleistungen maximal? |
Für alleinstehende Person beträgt die Leistung (2016) für den Lebensbedarf maximal 628 Euro. Für Wohnen gibt es 209 Euro. Wohnt jemand im Eigenheim, steht (mit Ausnahme Wiens) nur die halbe Leistung für Wohnen zu. |
7. Erhalten alle BezieherInnen die volle Mindestsicherung? |
Nein. Die durchschnittliche Höhe der monatlichen Mindestsicherungsleistung je Haushalt liegt weit unter den maximal möglichen Leistungssätzen, nämlich bei 604 Euro im Oktober 2014. Bei Haushalten von Paaren mit vier oder mehr Kindern lag die durchschnittliche Leistungshöhe bei 1.106 Euro. Die allerwenigsten BezieherInnen leben nur von der Mindestsicherung. Die Mehrheit stockt Leistungen der Arbeitslosenversicherung auf. |
8. Sind die meisten BezieherInnen dauerhaft auf Mindestsicherungsleistungen angewiesen? |
Nein. Die durchschnittliche Bezugsdauer beträgt zwischen 6 und 9 Monaten, bei 20% der unterstützten Haushalte ist sie sogar kürzer als 3 Monate. Allerdings gibt es auch Personen, die kaum eine Chancen für einen Ausstieg aus der Mindestsicherung haben, wie z.B. Personen im Pensionsalter oder Menschen mit erheblicher Beeinträchtigung. |
9. Erhalten BezieherInnen von Mindestsicherungsleistungen mehr Geld als PensionistInnen? |
Nein. BezieherInnen von Mindestsicherungsleistungen sind schlechter gestellt als „Mindestpensionisten“: letztere erhalten 14-mal jährlich Ausgleichszulage, BezieherInnen von Mindestsicherungsleistungen hingegen in der Regel nur 12-mal. |
10. Warum stieg die Zahl der BezieherInnen von Mindestsicherungsleistungen in den letzten Jahren an? |
Dafür gibt es mehrere Gründe: mehr prekäre Jobs, gestiegene Erwerbsarbeitslosigkeit (inklusive nicht-existenzsichernder AMS-Leistungen) sowie ein Anstieg bei psychischen Erkrankungen. |
11. Wie häufig wird beim Bezug der Mindestsicherung betrogen? |
Im Jahr 2013 wurden in Niederösterreich 330 Haushalte mittels Hausbesuch überprüft; in nur 2 Fällen (0,6%) lag ein widerrechtlicher Bezug vor. |
12. Wie oft kürzen die Behörden den Mindestsicherungsbezug, etwa weil Zweifel an der Arbeitswilligkeit bestehen? |
In Wien wurden 2015 in 7.000 Fällen Kürzungen der Mindestsicherung vorgenommen |
13. Was haben Berufstätige von der Mindestsicherung? |
Die Mindestsicherung schützt auch viele Berufstätige vor dem Abrutschen in Armut. Ein Teil der BezieherInnen von Mindestsicherung hat ein niedriges Einkommen, das durch Leistungen aus der Mindestsicherung aufgestockt wird. Darüber hinaus schützt die Mindestsicherung Menschen im Falle des Jobverlustes vor dem Abrutschen in bittere Armut. |
14. Wie groß ist der Anteil von Asylberechtigten bei den BezieherInnen von Mindestsicherungsleistungen? |
In Wien – dem Bundesland mit dem mit Abstand höchsten Anteil an Asylberechtigten – waren 2014 von den 160.000 Menschen, die Leistungen bezogen, 14% Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte. Dieser Anteil wird in den kommenden Jahren mit Sicherheit steigen. |
15. Was würde passieren, wenn die Mindestsicherung, wie von Teilen der ÖVP und der FPÖ vorgeschlagen, für alle Mehrkindfamilien gekürzt und für alle Asyl- und Schutzberechtigten radikal gekürzt würde? |
Für die Betroffenen wäre das eine Katastrophe. Sie und ihre Kinder würden in tiefe Armut abrutschen. Zugleich würde kein Arbeitender auch nur einen Euro mehr verdienen, wenn man Mindestsicherung kürzt. Im Gegenteil, der Druck auf den Arbeitsmarkt und damit die Löhne würde noch größer werden. GeringverdienerInnen könnten nicht mehr auf die Mindestsicherung aufstocken. |
16. Welche Auswirkungen hätte eine Kürzung der Mindestsicherung auf Kinder und Jugendliche? |
Ihre Startbedingungen würden sich massiv verschlechtern. Gerade in Österreich ist der Bildungserfolg laut OECD-Studien sehr eng mit dem sozioökonomischen Hintergrund verknüpft. Das heißt, je schlechter eine Familie finanzielle und von der Wohnsituation her aufgestellt ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Kinder im Bildungswesen sehr schwer tun. |
17. Wie teuer kommt den Staat die Mindestsicherung? |
Für Geldleistungen und Krankenhilfe haben die Länder im Jahr 2014 in Summe 708 Millionen Euro ausgegeben (brutto; ohne Berücksichtigung von Rückflüssen durch Kostenersätze und Rückforderungen). Das mag auf den ersten Blick viel erscheinen – relativiert sich aber angesichts der Summe der Sozialausgaben in Österreich. Diese machten 2014 mehr als 100 Milliarden Euro aus. 44% davon entfielen auf Leistungen für „Alter“ (Pensionen etc.). Gemessen an den Gesamt-Sozialausgaben entsprachen die Ausgaben für die Mindestsicherung somit gerade einmal einem Anteil von 0,7%. Zur Veranschaulichung: Im Jahr 2015 schoss die Stadt Graz 15,7 Millionen Euro aus dem Steuertopf zur Mindestsicherung zu. Ein Mindestsicherungsbezieher bekommt daher 91 Euro im Monat von der Stadt zugeschossen - im Vergleich dazu steuert Graz 82 Euro an Kultursubvention für jeden Opernbesuch bei, und in Kinderkrippen kommen neben dem Beitrag der Eltern sogar 827 Euro pro Monat von der öffentlichen Hand dazu. |
18. Ist die Mindestsicherung zu hoch oder viele Löhne zu niedrig? |
Löhne sind, insbesondere bei Teilzeitbeschäftigten, teilweise so niedrig, dass sie durch die Mindestsicherung aufgestockt werden. Auch viele Vollzeitbeschäftigte müssen mit geringen Löhnen auskommen. Schon lange wird in Österreich über die Einführung eines Mindestlohns von 1.500 bis 1.700 brutto diskutiert. Ein weiteres Problem sind die relativ hohen Steuern auf Arbeit, während Vermögen und Erbschaften nahezu unbesteuert sind. Im Vergleich mit über 50 Ländern ist die Vermögens-Ungleichheit in Österreich relativ hoch. Gemessen wird die Vermögensverteilung mit dem Gini-Koeffizienten - je höher dieser ausfällt, desto ungleicher ist das Vermögen verteilt. Wert für Österreich liegt bei 73,6 und hat sich seit 2000 um zwei Punkte verschlechtert. |
19. Profitieren alle in Österreich von der Mindestsicherung? |
Ja. Die Mindestsicherung sorgt für soziale und wirtschaftliche Stabilität, auch und gerade in schwierigeren Zeiten. Die Mindestsicherung hilft dabei, Österreich vor zu großer Ungleichheit und vor sozialer Verwahrlosung zu bewahren. Große Ungleichheit schafft nicht nur Armut, sondern auch Unsicherheit und Kriminalität. Darüber hinaus vermindert zu große Ungleichheit das Wirtschaftswachstum. |
20. Wer ist für die Mindestsicherung zuständig: Bund oder Länder? |
Für die Auszahlung und Verwaltung der Mindestsicherung sind die Länder zuständig. Allerdings sind Sie dabei an eine so genannte 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern gebunden. Auf der einen Seite haben die Länder innerhalb dieser Vereinbarung bzw. in deren Auslegung Spielräume, z.B. in Bezug auf die Höhe der Mindestsicherung. Auf der anderen Seite halten sich nicht alle Länder an die 15a-Vereinbarung (z.B. verstößt die in NÖ beschlossene Streichung der Mindestsicherung für subsidiär Schutzberechtigte gegen die 15a-Vereinbarung, in der diese Personengruppe als eine Zielgruppe der Mindestsicherung genannt wird). |
Weitere Infos auf: http://www.armutskonferenz.at/aktivitaeten/mindestsicherungs-monitoring.html
Bundesländerinfos: Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Kärnten, Steiermark, Burgenland, Oberösterreich, Niederösterreich, Wien
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