Amir Sahil: „Ich will mit dem Sport Menschen helfen.“
Wer sind die Menschen, die nach Österreich geflüchtet sind und sich hier ein neues Leben, fernab von Krieg und Verfolgung aufbauen? Immer mehr von ihnen schaffen es, hier Fuß zu fassen. Wir stellen sie in der Reihe „Ich lebe und arbeite in Österreich“ vor. Heute: Amir Sahil, 25, afghanischer Pass und Europameister im Kickboxen.
Ablehnung in erster Instanz
„Asyl in Österreich zu bekommen war für mich sehr kompliziert“, erzählt Amir Sahil, der 2013 über Pakistan und den Iran nach Europa kam. „In erster Instanz gab es für mich einen negativen Bescheid, aber nachdem ich Beschwerde eingelegt hatte, bekam ich beim zweiten Interview einen positiven Bescheid.“ Vor zwei Jahren kam sein jüngerer Bruder nach. Seine Eltern sind nach wie vor in Pakistan, wo das Leben nicht einfach ist, wie Herr Sahil erzählt.
Der Weg nach Europa
„Ich wäre gern in Pakistan geblieben, aber mir ist bald klar geworden, dass ich dort nicht leben kann. Die Sicherheitslage ist schrecklich, gerade die afghanische Volksgruppe der Hazara, zu der ich auch gehöre, wird massiver Gewalt ausgesetzt. Auch im Iran, meiner zweiten Station auf der Flucht, ist mir sehr schnell klar geworden, dass von dort Menschen wieder nach Afghanistan deportiert werden, also hab ich meinen Weg fortgesetzt und bin so nach Österreich gekommen.“ Hier anzukommen, war für den Sportler mit Leib und Seele nicht wirklich geplant. Aber, wie er lächelnd ergänzt: „Nachdem meine Zeit in Griechenland so schwierig war, beschloss ich weiterzugehen und nach zwei Tagen und zwei Nächten bin ich in Österreich angekommen. Auf einmal war ich hier, und hier bin ich geblieben.“
Training mit dem Europameister
Amir Sahil arbeitet bei den Österreichischen Kinderfreunden im Bereich der Freizeitpädagogik unter anderem für das Projekt Connect. Dort trainiert der Kickbox-Europameister Kinder, Jugendliche und Erwachsene im Kickboxen. Diese Arbeit hat mit ehrenamtlichem Engagement begonnen, erzählt Sahil, der 2015 den Europameistertitel in Irland errungen hat. „Viele Menschen möchten zwar gerne Kampfsport betreiben, können sich das Training aber nicht leisten“, erzählt Sahil. Deshalb hat er in Wien Ottakring kurzerhand einen Raum gesucht, in dem er das Training kostenlos anbieten kann. „Es gibt dabei keine Grenzen, alle können kommen, es gibt keine Altersbeschränkung“ erzählt er lächelnd. „Wir machen den Kurs jeden Samstag und die meisten TeilnehmerInnen sind Geflüchtete, aber es kommen auch Leute aus Wien. Im Durchschnitt sind es 15-20 Leute pro Termin und es macht allen, auch mir, viel Spaß.“
Von der Küchenhilfe zum Freizeitpädagogen
Die erste Arbeit von Amir Sahil in Österreich war die einer Küchenhilfe in Traiskirchen, bei der er geringfügig angestellt war. Auch in dem Wiener Asylheim, in dem er danach gewohnt hat, hat er rasch mitgearbeitet: „Es war am Anfang schwierig, mich richtig zu orientieren. Mit der Zeit ist es leichter geworden, ich habe die Sprache gelernt und viele nette Menschen getroffen, die mir dann auch mit Möglichkeiten der Weiterbildung geholfen haben.“ Neben einem Training für Freizeitpädagogik hat Amir Sahil die Ausbildung zum interkulturellen Elternbegleiter absolviert.
Mehrsprachige Unterstützung für Eltern
Das neuerworbene Wissen wird Herr Sahil ab Herbst 2018 in einem neuen Job einbringen können. Gemeinsam mit einer Elementarpädagogin wird er Eltern mehrsprachig unterstützen. Neben der neuen Arbeit wird Sahil ab September eine weitere Ausbildung im Bereich Freizeitpädagogik absolvieren, „es ist wichtig alle Möglichkeiten zur Weiterbildung zu nutzen.“ Für ihn ist es eine logische Weiterentwicklung seiner Tätigkeit in Afghanistan, wo er neben seiner eigenen Sportkarriere die Kickboxtrainerausbildung begonnen hat.
Wirtschaftsstudium als Ziel
Arbeit ist für Amir Sahil ein wichtiger Teil seines Lebens. „Es geht nicht nur darum, Geld zu verdienen, sondern auch mit der Arbeit die Zeit sinnvoll zu verbringen“, sagt er, „ich mag es eigene Ideen zu verwirklichen und dabei Spaß zu haben“. Er wünscht sich, dass er sich gut weiterentwickeln kann: „Neben der Arbeit besuche ich seit drei Jahren die Abend-Handelsakademie, damit ich Wirtschaft studieren kann. Angefangen hab ich in Österreich mit dem Pflichtschulabschluss.“
Mit dem Sport Menschen helfen
„Als ich hier angekommen bin, hab ich gehofft, Ausbildungen machen zu können, selbst als ich großen Stress wegen der Ablehnung in der ersten Instanz hatte. Natürlich hab ich mir zwischendurch gedacht, dass ich aufgebe, weil es so anstrengend war. Aber ich habe es immer weiter versucht. Ich hab mir dann gedacht: Gut, es geht langsamer als ich es erhofft habe, aber ich höre nicht auf. Ich bin motiviert geblieben. Vielleicht hat mir der Kampfsport dabei geholfen. Deshalb will ich auch in der Freizeitpädagogik weiterarbeiten, weil ich sehe, dass ich mit dem Sport Menschen helfen kann.“
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