Asylzentren außerhalb der EU?
Versuche, Menschen auf eine Insel oder in ein anderes Land zu bringen, um dort das Asylverfahren durchzuführen, wurden bislang immer gestoppt. Das Flüchtlingsrecht der EU ist diesbezüglich eindeutig. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kommentar: Manfred Nowak
Angesichts der hohen Zahlen von Asylanträgen wird in der politischen Diskussion immer wieder der Vorschlag gemacht, diese Personen auf eine Insel oder ein sonstiges Land außerhalb der EU zu bringen, um dort das Asylverfahren durchzuführen bzw. abzuwarten. Dieser Vorschlag ist keineswegs neu. Schon in den frühen 2000er-Jahren hat Tony Blair angeregt, die EU möge „Transit processing centres“ (z.B. in Tansania) einrichten, wo Flüchtlinge den Ausgang ihres Asylverfahrens abwarten sollten. Da dies mit dem EU-Recht unvereinbar war, wurden diese Pläne nicht realisiert. Aber nach dem Brexit hat die konservative britische Regierung nun einen Vertrag mit Ruanda abgeschlossen, wo gegen teures Geld (120 Millionen Pfund) Flüchtlinge abgeschoben werden sollen, um ihr Asylverfahren in Ruanda durchzuführen. Bei positivem Ausgang sollen sie auch dort bleiben. Bislang wurde allerdings noch niemand nach Ruanda geschickt, weil es gegen dieses „Outsourcing“ schwere rechtliche und ethische Bedenken gibt.
Demgegenüber hat Australien seit den frühen 2000er-Jahren mehr als 4.000 Asylsuchende einschließlich Kinder nach Nauru und auf die Insel Manus in Papua Neu Guinea gesendet, wo sie unter unmenschlichen Haftbedingungen bis zu fünf Jahre auf ihren Asyl- oder Aufenthaltsbescheid warten mussten. Viele Menschen sind gestorben oder haben Selbstmord begangen. 2021 hat schließlich das Höchstgericht in Papua Neuguinea diese Praxis für illegal erklärt. Auf Grund der von mir geleiteten „UN Global Study on Children Deprived of Liberty“ 2019, welche die Migrationshaft von Kindern generell als Verletzung der Kinderrechtekonvention qualifizierte, hat die australische Regierung schnell reagiert und zumindest Kinder aus Nauru zurückgeholt.
2014 hat Israel ein Gesetz erlassen, wonach abgewiesene Asylsuchende (vor allem aus dem Sudan und Eritrea) vor die Wahl gestellt wurden, entweder in ihr Heimatland zurückzukehren oder nach Ruanda oder Uganda abgeschoben zu werden. Nachdem rund 20.000 Menschen abgeschoben wurden, hat der Oberste Gerichtshof Israels diese Praxis 2019 untersagt.
Auch die EU wurde mit Recht dafür kritisiert, dass sie die libysche Küstenwache finanziert hat, damit diese Flüchtlinge im Mittelmeer zurückgeholt und in berüchtigte Internierungslager in Libyen gesteckt hat bzw. sie nach Niger oder Ruanda abgeschoben hat. 2021 hat auch Dänemark Gespräche mit Ruanda aufgenommen, was allerdings von den Vereinten Nationen und der Europäischen Kommission heftig kritisiert wurde.
Denn das Flüchtlingsrecht der EU ist diesbezüglich eindeutig. Gemäß der Asylverfahrensrichtlinie 2013 haben alle Personen, die in einem Mitgliedsland der EU, an der Grenze, in Hoheitsgewässern oder Transitzonen um internationalen Schutz vor Verfolgung (also um Asyl gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention oder um subsidiären Schutz) ansuchen, das Recht auf Aufenthalt in diesem Staat bis die Asylbehörde zumindest in erster Instanz über diesen Antrag entschieden hat. Falls diese Person vorher in einem anderen EU-Staat war, kann sie gemäß der Dublin-Verordnung in diesen EU-Staat abgeschoben werden, aber keineswegs in ein Land außerhalb der EU. Falls nicht, dann hat sie das Recht auf Aufenthalt bis zur Entscheidung über den Asylantrag.
Manfred Nowak ist Professor für Menschenrechte in Wien und Generalsekretär des Global Campus of Human Rights in Venedig.
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