
Blaues Paralleluniversum
Im Umfeld der FPÖ hat sich ein großes Netzwerk an extrem rechten „alternativen Medien“ gebildet. Christian Hafenecker kündigte im Jänner 2025 an, dass sogar ein „FPÖ-Medienhaus“ geplant sei. Wie kann die Gesellschaft hier gegensteuern?
Gastkommentar: Luis Paulitsch
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„Wir brauchen eine faire und transparente Förderstruktur, die die Entwicklung und Etablierung alternativer Medienkanäle ermöglicht.“ Dieser Satz findet sich im Wahlprogramm der FPÖ, mit dem sie bei den Nationalratswahlen 2024 stimmenstärkste Partei wurde. Die Forderung nach staatlichen Förderungen für „Alternativmedien“ kam nicht ganz überraschend, gibt es doch zahlreiche solcher Kanäle im Umfeld der FPÖ. Obwohl die Koalitionsgespräche mit der ÖVP gescheitert sind, dürfte das blaue Mediennetzwerk in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden. Was bedeutet diese Entwicklung für die Demokratie?
„Alternativmedien“ im Rechtsextremismus
Alternative Medien dienen dem Aufbau von Gegenöffentlichkeiten und grenzen sich daher vom „Mainstream“ bzw. den etablierten Leitmedien ab. In den vergangenen Jahrzehnten hat der Begriff „Alternativmedium“ jedoch einen gewissen Bedeutungswandel erfahren: In den 1970er Jahren verstanden sich beispielsweise lokale Stadtzeitungen oder Freie Radiosender bewusst als Gegenöffentlichkeit. Jene Projekte waren eng mit damaligen sozialen Bewegungen verbunden, etwa der 68er- oder der Umweltbewegung. Erst ab der Jahrtausendwende beanspruchte die extreme Rechte den Begriff „Alternativmedium“ zunehmend für sich.
Rechtsextreme Medienplayer erfuhren in den vergangenen Jahren einen starken Aufwind. Antreiber dafür waren die Themen Migration und Corona.
Mittlerweile gibt es im rechtsextremen Spektrum ein großes publizistisches Umfeld, das global vernetzt ist und sich im digitalen Raum gegenseitig unterstützt. Dazu gehören vermeintliche Nachrichtenseiten, aber auch Blogs, Verlage und reichweitenstarke Social-Media-Accounts. Ihr Ziel ist ein kultureller Bewusstseinswandel im vorpolitischen Raum – das, was in neurechten Kreisen als „Metapolitik“ bezeichnet wird. Dabei haben rechtsextreme „Alternativmedien“ eine Scharnierfunktion, indem die von ihnen behandelten Themen oder Wordings Einzug in den bürgerlichen Mainstream erhalten können – man denke etwa an Begriffe wie „Gender-Wahn“ und „Remigration“ oder den #Stolzmonat, eine rechte Social-Media-Kampagne, die sich gegen den queeren Pridemonth richtet.
Von Migration zu Corona
Wie gelang der Aufstieg rechtsextremer Medienplayer? Als wichtige Zäsur gilt hier das Jahr 2015: Im Zuge der „Flüchtlingskrise“ standen traditionelle Leitmedien in der Kritik, einseitig bzw. politisch voreingenommen zu berichten. Außerdem machten es die sozialen Plattformen für pseudojournalistische Formate leichter möglich, weit über ihre Zielgruppe hinaus Reichweite zu erlangen. Das Potenzial digitaler Gegenöffentlichkeiten wurde damals speziell von der extremen Rechten erkannt. So entstanden zahlreiche Onlinekanäle, die gegen Angela Merkels Migrationspolitik kampagnisierten und nicht selten auf den Mythos vom „Großen Austausch“ anspielten. Gleichzeitig wurden etablierte Medien angegriffen, allen voran die Öffentlich-Rechtlichen, und mit dem historisch vorbelasteten Begriff „Lügenpresse“ diskreditiert.
Ab 2015 entstanden auch in Österreich neue „Alternativmedien“ mit verstärkter Social-Media-Präsenz, darunter Info-DIREKT und der Wochenblick. Jene Player zeigten wenig Berührungsängste zu rechtsextremen Akteur:innen wie der „Identitären Bewegung“, was sich etwa in personellen Überschneidungen oder einer wohlwollenden Berichterstattung äußerte. Daneben gab es von Beginn an eine auffallende Nähe zu einer bestimmten Partei in Österreich – der FPÖ. Es überraschte daher auch nicht, als in der späteren türkis-blauen Regierung einige „Alternativmedien“ Inserate von FPÖ-geführten Ministerien erhielten.
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Es geht nicht um Kritik an
demokratischen Prozessen oder
Institutionen, sondern um
radikale Delegitimierung
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Eine weitere Zäsur stellte die Corona-Pandemie dar. Auch hier gab es Kritik, dass etablierte Medien über die Schutzmaßnahmen der Bundesregierung undifferenziert berichten würden. Rechtsextreme nutzten dieses Momentum, um im digitalen Raum neue Anhänger:innen zu gewinnen. Eine gewichtige Rolle spielten dabei neuerlich „Alternativmedien“, die Desinformation zu COVID19 verbreiteten und das Virus als Teil einer globalen Verschwörung darstellten, Stichwort „Great Reset“. Zu dieser Zeit entstand auch der rechtsextreme Onlinekanal AUF1, der zum Leitmedium der Querdenker-Szene avancierte und mittlerweile im gesamten deutschsprachigen Raum aktiv ist.
Luis Paulitsch nimmt rechte "Alternativmedien" für sein neues Buch genau unter die Lupe.
Das Verhältnis zur FPÖ
In Österreich weist heute so gut wie jedes rechtsalternative Medium ein Naheverhältnis zur FPÖ auf. Viele sprechen von einem eigenen „Medienimperium“, das die FPÖ bereits seit 2009 aufgebaut habe. Zu einem Teil handelt es sich um ausgewiesene Parteikanäle, wie FPÖ.TV oder die Facebook-Seite von Herbert Kickl mit rund 300.000 Follower:innen. Dazu kommen pseudojournalistische Medien, die im rechtsextremen Vorfeldmilieu verortet werden, zugleich aber personelle und ökonomische Verbindungen zur FPÖ pflegen. Der deutsche Kommunikationswissenschaftler André Haller spricht in dem Zusammenhang von einer symbiotischen Interdependenz zwischen rechten Parteien und „alternativen Medien“, die seit einigen Jahren weltweit zu beobachten sei.
Die Zusammenarbeit zwischen FPÖ und „alternativen Medien“ wurde nach Beendigung der türkis-blauen Regierung infolge des „Ibiza-Videos“ nochmals intensiviert. Dies wurde vom FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker bei einer AfD-Tagung im Herbst 2020 offen eingestanden, der damals von einer „strukturierten Vorgehensweise“ sprach, um „sich gegenseitig zu helfen“, etwa durch Treffen mit den Redakteur:innen. Das symbiotische Verhältnis zeigt sich auch durch regelmäßige Auftritte hochrangiger FPÖ-Politiker:innen bei rechtsalternativen Medien oder in prominenten Werbeschaltungen. Ob Unzensuriert, Der Status oder AUF1 – auf jeder Startseite findet sich meistens ein Inserat der Partei.
Das Medienimperium der FPÖ stellt den seriösen Journalismus vor Herausforderungen: Die Kommunikation mit unabhängigen Medien wird immer öfters verweigert, während man mit „Alternativmedien“ einen exklusiven Informationsaustausch pflegt. So sagte Herbert Kickl im vergangenen Jahr bei Formaten des Privatsenders Puls4 ab, um stattdessen bei parteinahen Kanälen aufzutreten. Und als Kickl im Herbst die Nationalratswahl gewann, gab er sein erstes Interview dem Verschwörungssender AUF1. Außerdem dürfte sich auch die FPÖ-Wähler:innenschaft zunehmend vom unabhängigen Journalismus abwenden. Eine Studie vom Gallup Institut und dem Medienhaus Wien gelangt zum Ergebnis, dass sich FPÖ-Symapthisant:innen über die Nationalratswahl 2024 zu 19 Prozent über alternative Onlinemedien informierten. Zum Vergleich: Bei den Grünen waren es nur 5 Prozent.
In Österreich weist heute so gut wie jedes rechtsalternative Medium ein Naheverhältnis zur FPÖ auf, schreibt Medienethiker Luis Paulitsch.
Was kann die Gesellschaft tun?
Der aktuelle Anstieg extrem rechter Onlinemedien birgt ein demokratiegefährdendes Potenzial. Im Gegensatz zu früheren alternativen Medien geht es nicht um (berechtige) Kritik an demokratischen Prozessen oder Institutionen, sondern um deren radikale Delegitimierung. Desinformation, Verschwörungsmythen und permanente Feindbilder schaffen eine mediale Echokammer, aus der viele Menschen nur noch schwer herausfinden. Es stellt sich somit die Frage, wie Politik, Medien und Zivilgesellschaft hier gegensteuern können.
Eine blau-türkise Regierung wäre gegen den wachsenden Einfluss pseudojournalistischer und teils rechtsextremer „Alternativmedien“ wohl kaum aktiv geworden. Wie eingangs angemerkt, forderte die FPÖ für alternative Medienkanäle sogar explizit neue Förderstrukturen, die mutmaßlich den ihr nahestehenden Publikationen zugutekommen sollten. Umso mehr ist eine künftige Regierung gefordert, in puncto Medienförderung präzise Kriterien zu schaffen: In einer liberalen Demokratie sollte Steuergeld lediglich an solche Medien gehen, die journalistische Qualitätsstandards einhalten, was unter anderem die verpflichtende Mitgliedschaft in einem repräsentativen Selbstkontrollorgan umfasst. In Zeiten von Clickbaiting, Desinformation und KI erscheint diese politische Maßnahme notwendiger denn je.
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In einer liberalen Demokratie
sollte Steuergeld nur an Medien
gehen, die journalistische
Qualitätsstandards einhalten.
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Blicken wir weiters auf die Rolle des seriösen Journalismus: Hier wurden Rechtsaußen-Medien lange tendenziell vernachlässigt, wohl auch um ihnen nicht unnötig viel Aufmerksamkeit zu schenken. Mittlerweile besteht zwischen FPÖ und rechtsalternativen Medien jedoch ein symbiotisches Verhältnis, das de facto ein Thema der Innenpolitik darstellt. Insofern sollten professionelle Medien auch darum bemüht sein, FPÖ-Politiker:innen konsequent mit den Inhalten und Entwicklungen „alternativer Medien“ zu konfrontieren, was bislang selten der Fall ist.
Und auf zivilgesellschaftlicher Ebene besteht die Notwendigkeit, in der (digitalen) Öffentlichkeit ein Gleichgewicht herzustellen. Denn die jüngsten Ankündigungen der FPÖ deuten darauf hin, dass ihr Netzwerk rechtsalternativer Medien weiterwachsen wird. Gerade hier entsteht für zivilgesellschaftliche Akteur:innen aber eine Chance, eigene Kanäle aufzubauen, die sich als Alternative zum rechten Mediennetzwerk begreifen und somit auch für das FPÖ-Publikum ein potenzielles Gegenangebot bilden. Kurzum: Es benötigt eine „Alternative zur Alternative“ – eine Aufgabe, die in den nächsten Jahren auch die anderen Parteien stärker beschäftigen sollte.
Luis Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Seit 2024 arbeitet Paulitsch bei der DATUM STIFTUNG für Journalismus und Demokratie. Im Herbst erscheint sein erstes Buch zum Thema „Alternative Medien“ bei Springer VS.
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