Blind Date mit dem Fremdenrecht
Seit 15 Jahren steht der Verein „Ehe ohne Grenzen“ binationalen Paaren beratend zur Seite. Einen Grund zum Feiern finden die Beraterinnen im aktuellen Fremdenrecht nicht. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Text: Milena Österreicher, Fotos: EOG
Patrick liebt Foibe. Gisela liebt Rimon. Hossni liebt Clara. Neben ihrer Liebe verbindet diese Paare noch etwas: Sie sind binationale Paare. Und sie werden von „Ehe ohne Grenzen“ beraten. Der Wiener Verein feiert heuer sein 15-jähriges Jubiläum. Wobei, so richtig in Feierlaune kommt Vereinsobfrau Margarete Gibba nicht, wenn sie auf die vergangenen Jahre zurückblickt: „Das Fremdenrechtsgesetz stellt weiterhin eine Schikane für binationale Paare dar und versucht zu verhindern, dass ausländische Ehepartner*innen in Österreich leben können“.
Das Beratungsangebot des Vereins nehmen Menschen in Anspruch, die mit einem Partner oder einer Partnerin aus einem Nicht-EU-Land, einem sogenannten Drittstaat, zusammen sind und gemeinsam in Österreich leben wollen. „Das kann jemand sein, der jemand während des Studienaufenthalts oder auf Reisen im Ausland kennengelernt hat. Oder eine Person, die sich in Österreich in jemanden verliebt, mit einem unsicheren Aufenthaltsstatus oder gerade in einem Asylverfahren befindlich“, erklärt Gibba.
„Ehe ohne Grenzen“ berät binationale Paare bei ihrem Lauf durch den Gesetzesdschungel, ist aber auch sonst politisch sehr aktiv.
Vom Unmut zum Verein
2006 wurde „Ehe ohne Grenzen“ gegründet, nachdem es im selben Jahr zu einer massiven Fremdenrechtsänderung kam. Der ausländische Ehepartner durfte die Erteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“ nicht mehr in Österreich abwarten. Man muss auf die Entscheidung im Heimatland warten, auch wenn die Leute in Österreich geheiratet haben. „Das ist für Menschen im Asylverfahren besonders schlimm, da Personen, die geflohen sind, ja nicht einfach wieder zurück in ihre Heimat können“, erzählt Gibba. In der Praxis bedeutet das lange Trennungen von Paaren und Familien. Auch die Arbeitserlaubnis, die zuvor während der Wartezeit auf das Visum erteilt worden war, fiel weg.
Deshalb schloss sich eine Gruppe rund um Angela Magenheimer, später langjährige Obfrau von „Ehe ohne Grenzen“, zusammen und traf sich wöchentlich. „Es war wie eine Art Selbsthilfegruppe, wir waren alle persönlich betroffen“, berichtet Gibba. Vor dem Innenministerium protestierten sie über ein Jahr lang einmal pro Woche.
Seither berät „Ehe ohne Grenzen“ binationale Paare bei ihrem Lauf durch den Gesetzesdschungel. Grundsätzlich erleichtere eine Eheschließung die Erlangung eines Aufenthaltstitels, stelle ihn aber nicht automatisch her, so wie es manchmal allgemein angenommen wird, beschreibt Margarete Gibba.
Die Anforderungen müssten erfüllt werden und diese verschärften sich im Laufe der vergangenen 15 Jahre zunehmend. „Jetzt weiß man aber zumindest, was die Hürden sind, es ist nicht mehr so unvorhersehbar wie damals“, sagt Gibba. Verbessert habe sich die Situation für die betroffenen Paare jedoch keinesfalls, eher im Gegenteil.
Früher reichte ein regelmäßiges Einkommen. Derzeit beläuft sich das geforderte Mindesteinkommen auf 1.578,36 Euro netto plus Miete für die Wohnung.
Die letzten gravierenden Verschärfungen kamen 2011. Wo zuvor noch der Nachweis eines regelmäßigen Einkommens reichte, braucht es seither ein Mindesteinkommen. Derzeit beläuft sich das geforderte Einkommen auf 1.578,36 Euro netto plus Miete für die Wohnung. Die Summe müssen jeweils die österreichischen Partner*innen beim Erstantrag alleine aufbringen können. „Das schließt sehr viele Menschen aus, deren Lohn schlicht darunter liegt. Betroffen sind vor allem Frauen, sie arbeiten häufig Teilzeit“, erklärt Margarete Gibba. Es gebe beispielweise auch viele Studierende, die sich auf Auslandssemester kennenlernen und dann zusammen in Österreich leben wollen, sich das aber nicht leisten können, da der gut bezahlte Vollzeitjob neben dem Studium fast unmöglich ist.
Dazu kommen Kosten für die Beantragung des Aufenthaltstitels und auch für die Übersetzung und Beglaubigung der erforderlichen Dokumente. Eine weitere Hürde ist die „Deutsch vor Zuzug“-Regel. Bereits im Ausland muss ein Nachweis über Deutsch auf A1-Niveau erbracht werden, bevor der Antrag auf Niederlassungsbewilligung gestellt werden kann.
PK von „Ehe ohne Grenzen“. Aus einer Selbsthilfegruppe wurde eine kompetente NGO.
Recht auf beide Eltern
„Der Staat mischt sich hier massiv in das Privatleben von Österreicher*innen ein“, gibt Margarete Gibba zu Bedenken. Was bei dieser Thematik auch oft übersehen werde: All diese Vorgaben betreffen unmittelbar auch die Kinder. Hat etwa eine österreichische Mutter mit einem Partner aus einem Drittstaat ein Kind – auch wenn es österreichischer Staatsbürger ist – mache das für den Aufenthalt des ausländischen Elternteils keinen Unterschied.
„Das Recht von Kindern auf beide Elternteile darf doch nicht vom Einkommen abhängen“, empört sich Vereinsobfrau Gibba. Zum Mindesteinkommen werden zudem 150 Euro pro Kind sowie die Bereitstellung adäquaten Wohnraumes verlangt. „Deshalb prangern wir das so an: Hier wird das Recht auf Familienleben einfach völlig missachtet“, unterstreicht Gibba.
Selbst wenn der Erstantrag erfolgreich ist und der Partner oder die Partnerin nach Österreich kommen dürfen, ist es aber noch lange nicht geschafft. „Der Aufenthaltstitel muss jährlich verlängert werden. Jeder Jobverlust oder Arbeitsausfall aufgrund einer Erkrankung bedeutet eine Herausforderung für die Familie, da der Elternteil sein Recht zu bleiben verlieren könnte, wenn das Einkommen nicht mehr ausreicht“, beschreibt die Vereinsobfrau.
Der Aufenthaltstitel muss jährlich verlängert werden. Jeder Jobverlust kann bedeuten, dass Kinder einen Elternteil verlieren.
Heimatliche Diskriminierung
Skurril mutet an, dass Österreicher*-innen in diesen Belangen anderen EU-Bürger*innen, die in Österreich leben, schlechter gestellt sind. Das Phänomen ist auch als „Inländerdiskriminierung“ bekannt. Deutsche, Portugies*innen oder Slowen*innen, die in Österreich leben, fallen unter das EU-Recht und können für ihre Ehepartner*innen aus Drittstaaten vergleichsweise einfach einen Aufenthaltstitel beantragen, ohne die oben genannten Anforderungen erfüllen zu müssen.
Dasselbe gilt für Österreicher*innen, die länger als drei Monate in einem anderen EU-Land gelebt haben. „Auch hier stehen wir beratend zur Seite und schauen uns an, ob die Person ihr Recht auf Freizügigkeit in der Vergangenheit vielleicht verwirklicht hat und somit vor dem österreichischen Gesetzgeber unter eine andere Kategorie fällt“, erklärt Gibba.
1.187 E-Mail-Beratungen wickelte „Ehe ohne Grenzen“ 2020 ab. Hinzu kamen für die vier Beraterinnen über hundert telefonische Anfragen. Bis auf eine geringfügige Bürokraft arbeiten im Verein alle ehrenamtlich. Seit kurzem findet auch der offene Beratungsnachmittag einmal monatlich im Büro im siebten Wiener Gemeindebezirk wieder statt, der pandemiebedingt ausfallen musste. Förderungen bekommt der Verein keine. „Wir wollen komplett unabhängig bleiben. Umso mehr freuen wir uns über Spenden“, sagt Gibba.
Liebe in der Pandemie
Die Covid 19-Pandemie machte die Situation der binationalen Paare nicht einfacher. „Wir hatten beispielweise den Fall einer Brasilianerin, die die Behörden nach Ablauf des Visums zurückschicken wollten, obwohl die Corona-Situation in Brasilien ganz schlimm war und es zeitgleich von Österreich Reisewarnungen gab“, erzählt Gibba. Arbeitslosigkeit, vorübergehend geschlossene Botschaften, keine Behördentermine, um Visa zu beantragen und Dokumente einzureichen, vergrößerten die Ungewissheit.
Dennoch erkämpfen sich viele Paare ihren Weg zum Liebesglück, auch mit Hilfe von „Ehe ohne Grenzen“. Die schönste Geschichte aus all den Jahren Beratungsarbeit? „Ich kann mich gar nicht entscheiden, da gibt es so viele berührende Geschichten“, meint die Obfrau. Sie verweist auf die Testimonials – wie Patrick und Foibe. Gisela und Rimon oder Hossni und Clara – auf der Website des Vereins, die dort ihren persönlichen Weg erzählen. Hauptsache sei, es gebe ein Happy End am Schluss des langatmigen Hürdenlaufs.
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