Bringt mir die besten Fehler
POLIZEIKOLUMNE. Auch in einer Fehlerstrafkultur kann das Lernen aus Fehlern belohnt werden.
Kolumne: Philipp Sonderegger beobachtet die Staatsgewalt.
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Ein ehemaliger Cobra-Chef soll zu seinen Leuten gesagt haben, „bringt mir die besten Fehler“. Nämlich die Fehler, aus denen man am meisten lernen kann. Der ehemalige Kommandant ist heute in der Privatwirtschaft. Bei der Antiterroreinheit Cobra wird seine Fehlerkultur weiter gepflegt. Von der gesamten Polizei kann man dies bekanntlich nicht gerade behaupten.
Aber die Polizei steht auch nicht alleine da. In der Beratung von NGOs habe ich die Frage eine Zeit lang für Einstiegsrunden verwendet: „Von welchem meiner Fehler habe ich am meisten lernen können?“ Die Übung habe ich bald wieder gestrichen. Die häufigste Antwort lautete, künftig nicht mehr auf die Dummheiten gewisser Kolleg:innen zu hören.
Zugegeben: es ist nicht ganz einfach auf Knopfdruck den besten Fehler zu präsentieren. Versuchen Sie es. Jedenfalls findet sich nicht so tolle Fehlerkultur nicht bloß bei der Polizei.
Aber die Polizei ist besonders betroffen. Sie ist eine große Fehlerstrafmaschine. Polizist:innen sind darauf konditioniert, strafbares Verhalten von zulässigem Verhalten zu unterscheiden und zu ahnden. Fehler von Bürger:innen sind für die Polizei nur insofern von Bedeutung, als sie strafbar sind. Ein Rechenfehler ist der Polizei egal. Es ist auch nicht die Aufgabe der Polizei herauszufinden, wie das Fehlverhalten hätte verhindert werden können. Oder gesellschaftliche Bedingungen zu schaffen, die Delinquenz allgemein minimieren.
Es überrascht nicht, wenn sich Polizist:innen in dieser Fehlerstrafkultur nicht mit Selbstkritik ins Rampenlicht drängen. Ist die Lage aussichtslos? Nein. Auch wo Fehler bestraft werden, kann immer noch das Lernen daraus belohnt werden. Aber dazu braucht es Vorgesetzte die sagen: „Bringt mir eure besten Fehler“. Vorgesetzte, die jene Mitarbeiter:innen unterstützen und fördern, die Fehler annehmen, ihr Verhalten überdenken und dann auch verändern. Eines Tages wird ein:e Innenminister:in den „Tag des Fehlers“ ausrufen und die besten Lehren aus einem Fehler in festlichem Rahmen prämieren. Und vielleicht mit einem guten Fehler voran gehen.
Philipp Sonderegger ist Menschenrechtler, lebt in Wien und bloggt auf phsblog.at.
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