Meine Zukunft in Österreich - Sediqa: "Das ist meine Entscheidung!"
2012 kam Sediqa mit ihrer Familie aus dem Iran nach Österreich. Acht Jahre später steht sie kurz vor ihrer Matura in der HTL Camillo-Sitte für Bautechnik in Wien und hat sich fest entschlossen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen.
Redaktion: Marlene Radl, Foto: Karin Wasner
„Seit zwei Jahren arbeite ich in einem Vermessungsbüro, dort bin ich die jüngste Mitarbeiterin und die einzige Frau. Ich zeichne Pläne für Gebäude, manchmal bin ich auch im Außendienst und vermesse die Gebäude mit 3D Scannern selbst. Ich finde es super nicht nur im Büro zu sitzen, sondern zwischendurch auch rauszugehen. Die Praxis im Beruf ist doch nochmal ganz anders, als man sich das in der Schule ausmalt.
Generell habe ich manchmal das Gefühl, dass Frauen in der Schule und in der Arbeit mehr Probleme haben als die Männer. Sie werden oft nicht so ernst genommen. Das gilt für meinen Fall auch im Baubereich. Ich glaube, das ist hier in Österreich nicht anders als in anderen Ländern.
Vorurteil Kopftuch
2012 bin ich mit meiner Familie aus dem Iran nach Österreich geflüchtet. Anfangs musste ich mit vielen Sachen klarkommen und das fiel mir nicht leicht: Neue Sprache, keine Freundinnen, neue Kultur. Außerdem hatte ich viel mit Vorurteilen zu kämpfen, weil ich ein Kopftuch trage. Menschen nahmen immer wieder an, ich würde von meinem Vater oder von sonst wem gezwungen werden, das Kopftuch zu tragen. Noch immer werde ich manchmal gefragt, wieso ich das trage und ob ich das überhaupt selber will. Als hätte ich keine eigenen Gedanken dazu. Aber ich versuche, solche Fragen zu ignorieren. Ich wollte das immer selbst und ich will es noch immer. Das ist meine Entscheidung!
Genauso wie die Entscheidung, was ich studieren, mit wem ich wohnen und wie ich mein Leben führen will. Es war sehr wichtig für mich, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen und dass ich mit Bautechnik etwas gefunden habe, das mir Spaß macht.
Glück finden
Jetzt besuche ich seit fünf Jahren die HTL Camillo-Sitte, zuerst für drei Jahre in der Tagesschule und vor zwei Jahren habe ich dann wegen meinem Job zur Abendform gewechselt. Die Entscheidung neben der Schule bereits zu arbeiten, war einer der besten in meinem Leben. Seitdem verdiene ich mein eigenes Geld, bin bei meinen Eltern ausgezogen und fühle mich sehr selbstständig. Ich gehe tagsüber in die Arbeit und dann direkt weiter in die Abendschule, die ich schon bald mit Matura abschließen werde.
Danach möchte ich jedenfalls studieren und es mit Bauingenieurwesen auf der Uni versuchen. Das Studium abzuschließen wäre natürlich ein Traum. Aber allgemein wünsche ich mir für meine Zukunft nicht viel Spezielles, ich will zum Beispiel nicht reich werden. So etwas ist mir egal. Ich will eigentlich nur glücklich sein mit mir selbst – das reicht.“
In der neunteiligen Porträtreihe "Meine Zukunft in Österreich" holt SOS Mitmensch junge Frauen, die nach Österreich flüchten mussten, vor den Vorhang. Ihre Geschichten geben Einblick in die Herausforderungen, die sie meistern müssen und verraten, was ihnen beim Ankommen in einem neuen Land geholfen hat. Damit will SOS Mitmensch die Perspektiven geflüchteter Mädchen und junger Frauen in der öffentlichen Wahrnehmung stärken. Infos und Kontakte zur freiwilligen Geflüchtetenhilfe finden Sie hier.
Jetzt den SOS Mitmensch Newsletter abonnieren
Ermöglichen Sie mit einer Spende unsere weitere Menschenrechtsarbeit