
Das ist zu wenig
SERVUS ALAYKUM. Einblicke in das (Er-)Leben der österreichischen Gesellschaft aus Sicht einer Wiener Muslima. Mit dunkelbuntem Humor und feurigem Temperament, aus dem Herzen
Kolumne: Menerva Hammad
Ein Beitrag im neuen MO - Magazin für Menschenrechte.
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Es ist wieder soweit! Der Weltfrauentag und seine Feierlichkeiten sind allgegenwärtig. Entweder werden Sie auf der Straße mit Blumen und Sekt beschenkt, oder vielleicht gibt es ein Angebot auf Schuhe, nur für Frauen, versteht sich. Und obwohl so viele von uns vor Wut fast schon explodieren, denn die Lage ist zum Explodieren, so fragen sich viele: Welche Lage? Und wieder andere sehen die feministische Bewegung darin, Frauennippel auf Instagram zu befreien. Das sind – so traurig es ist – die zwei großen Gruppen von Feminist:innen, die wir momentan zu bieten haben. Dass immer mehr Frauen in die Frauenarmut laufen, das scheint nicht sehr viele zu interessieren. Die einen betrifft es nicht, die anderen kümmert es – noch – nicht.
Die Wut, die ich an diesem Tag empfinde, kommt daher, dass nichts Neues in die richtige Richtung geschieht. Die richtige Richtung wäre eine Veränderung, von der alle Frauen profitieren würden. Geldscheinchen, oida! Also faire Gehälter, Care-Arbeit ausbezahlen, oder gratis Menstruationsartikel – es gäbe so viel und das Geld wäre da. Frauen tragen schon seit immer dieses System und es wäre an der Zeit, uns dafür zu entlohnen. Stattdessen wird viel geredet, meistens dasselbe vom Vorjahr und den Jahren davor. Es wird über Kopftücher geurteilt und sie werden verboten, aber sonst kommt da nix. Frauen sollen selbst über ihre Leben bestimmen dürfen, darüber diskutieren wir immer noch, kritisieren jedoch andere Länder, die genau diesen Punkt genauso wenig oder weniger gut auf die Reihe bringen, und sind jedoch wenig besser. Oder vielleicht nur scheinbar besser. Und das ist wirklich frustrierend.
Vor zwei Jahren hatte ich einen persönlichen, feministischen Durchbruch, als meine Tochter eine Ballettaufführung im Theater Akzent hatte. Die Lehrer:innen sind aus der Staatsoper, das Semester kostet nicht wenig und schon bei der Generalprobe wurde ich von den anderen Müttern aufgrund meines Hofersackerls und meinem grellen Fitnessoutfit wie ein Alien angesehen. Aber ich bin eine Donaustädter-Ghetto-Lady und steh´ dazu. Und dann sah ich meine Mutter, wie sie meine Tochter auf der Bühne beobachtete. Mein Kind machte seine drei Pirouetten und gleichzeitig sah ich in meiner Mutter das Kind, das sie nie sein durfte. Plötzlich dämmerte es mir, dass meine Mama, nicht als Mama geboren wurde. Auch sie war einmal ein Kind, ein Mädchen, eine junge Frau, mit Träumen, Zielen, Hoffnungen und einem Plan von einem Leben. Mich machte das noch wütender, denn sie hat für die meisten meiner Privilegien gearbeitet. Sie, nicht ich. Sie gehört zu der Gruppe von Frauen, die völlig von Feminist:innen übersehen, ich würde sogar sagen übergangen, wird: Sie ist eine Migramama. Wie viele Frauen haben wir vergessen? Wie viele Frauen fühlen sich ungesehen? Wie viele Frauen suchen nach Zusammenhalt, finden diesen in Feminist:innen aber nicht?
Und wie traurig ist es, dass wir mit den Kommunikationsmöglichkeiten heutzutage, nicht miteinander reden?
Auf die Frage, was wir erreicht haben, sehe ich uns als einen Haufen Elend, der sich nicht einmal mehr bewegt. Alleine wenn ich daran denke, kommen mir die Worte von Christine Nöstlinger in den Sinn: „Das ist ein bisserl z´wenig.“
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