
Der Wohnungsmarkt ist sehr selektiv
Wie kommen geflüchtete Menschen, mitunter ohne Sprachkenntnisse und Job, nach der Grundversorgung zu einer Wohnung? Wer unterstützt sie und welche Herausforderungen gibt es da? Wohnen in Wien aus anderer Perspektive. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Text: Beverly Mtui
Als geflüchtete Person in einem anderen Land Fuß zu fassen, ist alles andere als einfach. Asyl zu bekommen ist eine Sache, aber wie man nun in einem neuen Zuhause andockt, eine andere. Zugänge zu leistbaren Wohnungen werden immer schwerer, das gilt besonders für geflüchtete Menschen. Kommen z.B. größere Familien an, ist der aktuelle Wohnungsmarkt darauf nicht ausgelegt, weder der private noch der von Genossenschaften. Wer die Inserate durchforstet, wird meist Zwei- bis Dreizimmer-Wohnungen finden, darüber gibt es kaum etwas. Und wenn doch, kommt die Anzahl der Personen ins Spiel. Es soll keinen Überbelag geben, pro Quadratmeter sind Grenzen gesetzt. Fast fragt man sich: Ist es überhaupt möglich, Wohnraum für eine Großfamilie zu finden? Für alle geflüchteten Menschen gilt generell, dass sie mit einem positiven Asylbescheid die Grundversorgungsquartiere verlassen und eine eigene Wohnung finden müssen. Florian Hobl, Marion Niedermayr und Judith Voglsinger unterstützen sie dabei. Sie sind vom Diakonie Flüchtlingsdienst und erzählen von den Tücken des Wiener Wohnungsmarkts.
Für alle geflüchteten Menschen gilt, dass sie mit einem positiven Asylbescheid die Grundversorgungsquartiere verlassen und eine eigene Wohnung finden müssen.
Erste Stufe Grundversorgung
Grundversorgungsquartiere sind die erste Andockstelle für geflüchtete Personen. Diese staatlichen oder von NGOs zur Verfügung gestellten basalen Unterbringungen stellen den Geflüchteten eine rudimentäre Vollversorgung bereit. Oft sind das große Häuser mit Mehrbettzimmern und Sanitäreinrichtungen am Gang. Für Privatleben ist hier wenig Raum, jedenfalls gibt es mit dieser organisierten Unterbringung ein Dach über dem Kopf. Falls Geflüchtete in privaten Unterkünften wohnen, erhalten sie dafür eine Grundversorgungsleistung in Höhe von wenigen Hundert Euro. Für die Bedürfnisse des Lebens gibt es in Wien ein Taschengeld von 40 Euro pro Monat zur freien Verfügung, sowie 42 Euro pro Woche Verpflegungsgeld. Bekleidungsgeld und Schulgeld wird in den Quartieren in Wien nicht mehr zweckgebunden (also in Form von Gutscheinen) ausgegeben, sondern in bar. Für eine selbstständige wirtschaftliche Lebensführung reicht das nicht. Geld dazuzuverdienen ist in der Grundversorgung aufgrund von Einkommensgrenzen aber nicht erlaubt. Gemeinnützige Tätigkeiten unter Remuneration schon. Das zeigt: eine langfristige Lösung sind Grundversorgungsquartiere nicht. Zum einen, weil nach einem positiven Asylbescheid innerhalb von vier Monaten die Grundversorgung verlassen werden muss. Zum anderen, weil die Grundversorgung das eigenständige Leben limitiert. Florian Hobl dazu: „Menschen müssen sich selbst verwirklichen und ihr Leben selbst in die Hand nehmen können, und das kann nur mit einem eigenen Einkommen gelingen, mit dem nachhaltig gehaushaltet werden kann. Wenn kein Einkommen gegeben ist, so gibt es auch wenig bis keine Perspektive, um im Leben voranzukommen.“
Keine Perspektiven werden übrigens auch jenen zugebilligt, die im „Rückkehrzentrum Bürglkopf “ im Bezirk Kitzbühel leben. Oben am Berg, in der stillgelegten Anlage eines Magnesitwerkes werden Menschen mit einem negativen Asylbescheid zur „Außerlandesbringung“ untergebracht. Hier gibt es eine Rückkehrberatung, aber auch eine Beratungsstelle für Personen, die sich noch im Asylverfahren befinden. 2019 geriet das Asylzentrum Bürglkopf durch einen Hungerstreik in die Schlagzeilen. Kritik an den Zuständen wurde laut. Der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi forderte die Schließung der Einrichtung. Die Bewohnenden dürften den Bezirk nicht verlassen und würden keine Grundversorgung mehr erhalten. Amnesty International bezeichnete die Unterbringung als „inhuman, menschenrechtswidrig und nicht notwendig“. Das Zentrum Bürglkopf ist bis heute aktiv.
Von Startwohnungen für Geflüchtete ...
Um Personen mit positivem Asylbescheid bei der Integration in den Wohnungsmarkt zu unterstützen, gab es längere Zeit so genannte Startwohnungen. Diese waren für Asylberechtigte verfügbar, die direkt aus den Grundversorgungsquartieren kamen, oder aus einem sehr prekären privaten Wohnkontext. (Es gab sie zum Teil auch für subsidiär Schutzberechtigte, falls diese die Einkommensgrenze überschritten und deshalb die Grundversorgungsleistung entfiel.) Ende 2021 ist das Projekt „Startwohnungen für Geflüchtete“ ausgelaufen. Betreuung gibt es neuerdings im Rahmen von „Mobil betreutes Wohnen für Kund*innen aus der Wiener Wohnungslosenhilfe“, dazu zählen nun auch Asylberechtigte und eingeschränkt subsidiär Schutzberechtigte aus der Gruppe der Geflüchteten. Die Personen kommen wie bisher aus den Grundversorgungsquartieren, sei es privat oder organisiert, oder sie wohnten in prekären Umständen und schafften es nicht, selbstständig einen ordentlichen Hauptmietvertrag zu finden, der auch den Bedürfnissen der Person oder der Familie entspricht.
... zu „Mobil betreutes Wohnen“
Zuständig für das „Mobil betreute Wohnen“ ist der Fonds Soziales Wien und die Wiener Wohnungslosenhilfe. In den Quartieren und in Beratungsstellen wird geklärt, ob ein Anspruch besteht, dann werden die Betroffenen dem „Mobil betreuten Wohnen“ zugewiesen. Der Wohnbedarf wird erhoben und die Wohnraumsuche bei den sozialen Wohnungsverwaltungen der Trägerorganisationen gestartet. Daraus ergeben sich aber auch einige Unterschiede zwischen den Startwohnungen von früher und der jetzigen Leistung. In den Startwohnungen war Wohnen und Betreuung gekoppelt, d.h. ohne Betreuung war der Wohnraum gar nicht verfügbar. Zudem war die Laufzeit bis auf wenige Ausnahmen auf zwei Jahre befristet. Dadurch ging nach einem Jahr verhältnismäßig viel Betreuungsarbeit in die Suche nach einer finalen Wohnung. Aufgrund der Erfahrungen des Projekts der Startwohnungen hat man nun Wohnen und Betreuung entkoppelt. „Mobil betreutes Wohnen“ heißt konkret, dass Wohnen immer nur für sechs Monate gewährt wird. Während dieser sechs Monate wird mit den Klient*innen eine Wohnung mit einem Mietvertrag für zumindest drei Jahre gesucht. Wurden die Startwohnungen früher vorselektiert, ist die Idee von „Mobil betreutes Wohnen“, die Klient*innen bei der Auswahl der Wohnungen einzubinden.
Können Geflüchtete gleich eine Wohnung erhalten?
Perspektivisch gesehen ist es wichtig, dass die Menschen diese Wohnungen von Anfang an selbst erhalten können. Insofern sei es wichtig, so Judith Voglsinger, dass die Mindestsicherungsleistungen so schnell wie möglich beantragt werden, sobald der positive Asylbescheid vorhanden ist. So wird auch im Fall eines Verzugs die Geldleistung rückwirkend bezahlt. Voglsinger dazu: „Wenn die Bearbeitungszeit des Mindestsicherungsantrags noch läuft, springt die Diakonie bei den Mietzahlungen an die Hausverwaltungen ein. Das heißt, dass die Diakonie die Mietzahlungen an die Hausverwaltungen überweist, und die Klient*innen den Betrag an die Diakonie zahlen.“ Praktisch läuft das so, dass die Diakonie die Wohnungen anmietet und Nutzungsverträge mit den Personen abschließt. Die Personen finden nach Ende der drei Jahre dann entweder eine eigene Wohnung, oder es werden Wohnungen angemietet, die eine Mieteintrittsopti- on bereitstellen. Das bedeutet, dass Klient*innen, die aktuell in den Wohnungen leben, den Mietvertrag nach Ablauf der drei Jahre von der Diakonie übernehmen können. In der Praxis kommt das aber eher selten vor, weil die allermeisten Geflüchteten die Wohnung ohne die Mindestsicherung nicht so bald erhalten können. Deshalb gibt es die soziale Wohnverwaltung der Diakonie. Sie ist proaktiv in der Wohnraumakquise und steht in Kontakt mit den Hausverwaltungen.
Ende 2021 ist das Projekt der „Startwohnungen“ der Stadt Wien ausgelaufen. Betreuung gibt es nun im Rahmen von „Mobil betreutes Wohnen für Kund*innen aus der Wiener Wohnungslosenhilfe“.
Wohnungssuche: der kleine Unterschied
Mit dem Bezug der Wohnungen sollte endlich einmal auch ein gewisser Alltag einziehen. Zu besonderen Problemen kommt es nicht, wenn, dann sind es die üblichen Dinge in der Nachbarschaft. Im Fall von Beschwerden hakt die soziale Hausverwaltung nach. Anders verhält sich das jedoch einen Schritt vor dem erfolgreichen Bezug der Wohnungen, in den Beratungsstellen. Florian Hobl berichtet von besonderen Herausforderungen, die u.a. auch mit Rassismus zu tun haben, vor allem am privaten Wohnungsmarkt. Dieser werde sehr selektiv vergeben und erschwert den Zugang für Geflüchtete deutlich. Hobl: „Im Rahmen unserer engmaschigen 1:1-Betreuung bringen wir unseren Klient*innen das Wohnungssuchen bei und begleiten sie dabei. Da merken wir oft, dass es einen Unterschied macht, ob die geflüchtete Person selbst um einen Besichtigungstermin anfragt oder unsere freiwilligen Mitarbeitenden.“ Oft sei es schon eine gewisse Herausforderung, den privaten Vermieter*innen zu erklären, dass die Mindestsicherung ein Rechtsanspruch ist und die neuen Mieter*innen selbstverständlich ihre Miete bezahlen können. Nicht immer mit Erfolg. Was bleibt, sind Substandardwohnungen, die teilweise unmöbliert sind, die keine Heizung und daher drohenden Schimmelbefall haben. Bemerkenswert daran ist, dass diese Wohnungen oft zu den gleichen Preisen vermietet werden wie sanierte Wohnungen. Aus Mangel an Alternativen müssen diese Wohnungen dennoch angemietet werden. „Das ist die Realität, die sich abseits vom langfristigen sozialen Wohnbau und Wohnungsunterstützung abspielt“, hält Florian Hobl durchaus ernüchternd fest.
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